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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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"alten Stadtstelle," vom "Vogelsang," vom "Pennings- oder
Pfennigsberg," vom "Burgwall" etc. Alle diese Punkte liegen nie-
driger als das heutige Mittenwalde und umzirken die Stadt, in
nächster Nähe derselben, in einem enggezogenen Halbkreis.

Daß hier früher ein anderes Mittenwalde, vielleicht ein
Ort mit wendischem Namen stand, scheint unzweifelhaft. Außer
Steinfundamenten auf dem Terrain der alten "Stadtstelle," fin-
den sich Münzen am Pfennigsberg und als (vor Kurzem erst)
Canalbauten und Erdarbeiten aller Art beim "Burgwall" zur
Ausführung kamen, stieß man auf der ganzen Strecke, die zwi-
schen dem Burgwall und der Höhe liegt, auf Eichenbohlen, die
wohl drei Fuß hoch mit Feldsteinen überschüttet waren. Ersichtlich
ein Damm, der früher mitten durch den Sumpf hindurch nach
dem Burgwall und einer inmitten desselben gelegenen Burg ge-
führt hatte.

So die Traditionen und so das Thatsächliche, das jene Tra-
ditionen unterstützt; aber so gewiß dadurch der Beweis geführt ist,
daß auf der westlichen Feldmark der jetzigen Stadt ein anderer
längst untergegangener Ort (Dorf oder Stadt) gestanden hat, so
wenig ist dadurch auch nur angedeutet, welcher Art der Ort war,
der sich dort erhob, und in welchem Verhältniß jene drei Punkte
zu einander standen, die sich jetzt "Stadtstelle," "Penningsberg"
und "Burgwall" nennen. Was war es damit? War die Burg
ein Schutz der Stadt, oder umgekehrt ein Trutz derselben?
Waren Stadt und Burg wendisch oder waren sie deutsch? Be-
fehdeten sie einen gemeinschaftlichen Feind, oder befehdeten sie sich
untereinander? Alle diese Fragen drängen sich auf und ihre Be-
antwortung ist versucht worden. Aber mit sehr unausreichendem Er-
folg. Es liegt zu wenig Material vor, um zu anderen als vagen
Resultaten gelangen zu können. Die Tradition scheint geneigt, eine
alte Wendenstadt anzunehmen, die auf dem "Burgwall" ihre
Burg und auf dem "Penningsberg" ihre Begräbnißstätte
hatte. Ehe Besseres geboten ist, ist es vielleicht am besten, bei die-
ser Tradition auszuharren. Ausgrabungen auf dem ganzen großen

„alten Stadtſtelle,“ vom „Vogelſang,“ vom „Pennings- oder
Pfennigsberg,“ vom „Burgwall“ ꝛc. Alle dieſe Punkte liegen nie-
driger als das heutige Mittenwalde und umzirken die Stadt, in
nächſter Nähe derſelben, in einem enggezogenen Halbkreis.

Daß hier früher ein anderes Mittenwalde, vielleicht ein
Ort mit wendiſchem Namen ſtand, ſcheint unzweifelhaft. Außer
Steinfundamenten auf dem Terrain der alten „Stadtſtelle,“ fin-
den ſich Münzen am Pfennigsberg und als (vor Kurzem erſt)
Canalbauten und Erdarbeiten aller Art beim „Burgwall“ zur
Ausführung kamen, ſtieß man auf der ganzen Strecke, die zwi-
ſchen dem Burgwall und der Höhe liegt, auf Eichenbohlen, die
wohl drei Fuß hoch mit Feldſteinen überſchüttet waren. Erſichtlich
ein Damm, der früher mitten durch den Sumpf hindurch nach
dem Burgwall und einer inmitten deſſelben gelegenen Burg ge-
führt hatte.

So die Traditionen und ſo das Thatſächliche, das jene Tra-
ditionen unterſtützt; aber ſo gewiß dadurch der Beweis geführt iſt,
daß auf der weſtlichen Feldmark der jetzigen Stadt ein anderer
längſt untergegangener Ort (Dorf oder Stadt) geſtanden hat, ſo
wenig iſt dadurch auch nur angedeutet, welcher Art der Ort war,
der ſich dort erhob, und in welchem Verhältniß jene drei Punkte
zu einander ſtanden, die ſich jetzt „Stadtſtelle,“ „Penningsberg“
und „Burgwall“ nennen. Was war es damit? War die Burg
ein Schutz der Stadt, oder umgekehrt ein Trutz derſelben?
Waren Stadt und Burg wendiſch oder waren ſie deutſch? Be-
fehdeten ſie einen gemeinſchaftlichen Feind, oder befehdeten ſie ſich
untereinander? Alle dieſe Fragen drängen ſich auf und ihre Be-
antwortung iſt verſucht worden. Aber mit ſehr unausreichendem Er-
folg. Es liegt zu wenig Material vor, um zu anderen als vagen
Reſultaten gelangen zu können. Die Tradition ſcheint geneigt, eine
alte Wendenſtadt anzunehmen, die auf dem „Burgwall“ ihre
Burg und auf dem „Penningsberg“ ihre Begräbnißſtätte
hatte. Ehe Beſſeres geboten iſt, iſt es vielleicht am beſten, bei die-
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[143/0155] „alten Stadtſtelle,“ vom „Vogelſang,“ vom „Pennings- oder Pfennigsberg,“ vom „Burgwall“ ꝛc. Alle dieſe Punkte liegen nie- driger als das heutige Mittenwalde und umzirken die Stadt, in nächſter Nähe derſelben, in einem enggezogenen Halbkreis. Daß hier früher ein anderes Mittenwalde, vielleicht ein Ort mit wendiſchem Namen ſtand, ſcheint unzweifelhaft. Außer Steinfundamenten auf dem Terrain der alten „Stadtſtelle,“ fin- den ſich Münzen am Pfennigsberg und als (vor Kurzem erſt) Canalbauten und Erdarbeiten aller Art beim „Burgwall“ zur Ausführung kamen, ſtieß man auf der ganzen Strecke, die zwi- ſchen dem Burgwall und der Höhe liegt, auf Eichenbohlen, die wohl drei Fuß hoch mit Feldſteinen überſchüttet waren. Erſichtlich ein Damm, der früher mitten durch den Sumpf hindurch nach dem Burgwall und einer inmitten deſſelben gelegenen Burg ge- führt hatte. So die Traditionen und ſo das Thatſächliche, das jene Tra- ditionen unterſtützt; aber ſo gewiß dadurch der Beweis geführt iſt, daß auf der weſtlichen Feldmark der jetzigen Stadt ein anderer längſt untergegangener Ort (Dorf oder Stadt) geſtanden hat, ſo wenig iſt dadurch auch nur angedeutet, welcher Art der Ort war, der ſich dort erhob, und in welchem Verhältniß jene drei Punkte zu einander ſtanden, die ſich jetzt „Stadtſtelle,“ „Penningsberg“ und „Burgwall“ nennen. Was war es damit? War die Burg ein Schutz der Stadt, oder umgekehrt ein Trutz derſelben? Waren Stadt und Burg wendiſch oder waren ſie deutſch? Be- fehdeten ſie einen gemeinſchaftlichen Feind, oder befehdeten ſie ſich untereinander? Alle dieſe Fragen drängen ſich auf und ihre Be- antwortung iſt verſucht worden. Aber mit ſehr unausreichendem Er- folg. Es liegt zu wenig Material vor, um zu anderen als vagen Reſultaten gelangen zu können. Die Tradition ſcheint geneigt, eine alte Wendenſtadt anzunehmen, die auf dem „Burgwall“ ihre Burg und auf dem „Penningsberg“ ihre Begräbnißſtätte hatte. Ehe Beſſeres geboten iſt, iſt es vielleicht am beſten, bei die- ſer Tradition auszuharren. Ausgrabungen auf dem ganzen großen

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/155>, abgerufen am 23.11.2024.