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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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den Ufern der Oder hin, allerlei Städte und reiche Dörfer liegen,
die wohl zum Besuche einladen können, und daß, wenn Sage
und Legende auch schweigen, die Geschichte um so lauter und ver-
nehmbarer an dieser Stelle spricht.

Sehen wir selbst.

Es ist Sonnabend und 5 Uhr Morgens. An dem breiten
Quai der alten Stadt Frankfurt, hohe Häuser und Kirchen zur
Seite (das Ganze ausnehmend an den Cölner Quai, zwischen der
Schiffbrücke und der Eisenbahnbrücke, erinnernd) liegt der Dampfer
und hustet und prustet. Es ist höchste Zeit. Kaum daß wir an
Bord, so wird auch das Brett schon eingezogen und der Dampfer,
ohne viel Commando und Schiffs-Halloh, löst sich leicht vom Ufer
ab und schaufelt stromabwärts. Zur Linken verschwindet die Stadt
im Morgennebel; nach rechts hin, zwischen Pappeln und Weiden
hindurch, blicken wir in jenes Hügelterrain hinein, dessen Name
historischen Klang hat trotz einem, -- Kunersdorff. Wir werden
noch oft, während unserer Fahrt, an dieses Terrain und diesen
Namen erinnert werden.

Der Morgen ist frisch; der Wind, ein leiser aber scharfer
Nordost, kommt uns entgegen und wir suchen den Platz am
Schornstein auf, der Wärme gewährt und zugleich Deckung gegen
den Wind. Es ist nicht leicht mehr einen guten Platz ausfindig
zu machen, denn bereits vor uns hat ein Gipsfigurenhändler, mit
seinem Brett voll Puppen, an eben dieser Stelle Platz genommen.
Er ist aber umgänglich, rückt sein Brett bei Seite und wartet auf
Unterhaltung. Das Puppenbrett bietet den besten Anknüpfungs-
punkt. König und Königin; Amor und Psyche; Goethe, Schiller,
Lessing; drei "betende Knaben" und zwei Windhunde, außerdem
(alle andern überragend) eine Aurora und eine Flora bilden die
Besatzung des Brettes. Der Aurora sind ihre beiden Flügel, der
Flora das Bouquet genommen; beides, Bouquet und Flügel, lie-
gen, wie abgelegter Schmuck, zu Füßen der Figuren.

Was geht denn so am besten? eröffne ich die Conversation.

"Ja das ist schwer zu sagen, mein Herr," erwiedert der

den Ufern der Oder hin, allerlei Städte und reiche Dörfer liegen,
die wohl zum Beſuche einladen können, und daß, wenn Sage
und Legende auch ſchweigen, die Geſchichte um ſo lauter und ver-
nehmbarer an dieſer Stelle ſpricht.

Sehen wir ſelbſt.

Es iſt Sonnabend und 5 Uhr Morgens. An dem breiten
Quai der alten Stadt Frankfurt, hohe Häuſer und Kirchen zur
Seite (das Ganze ausnehmend an den Cölner Quai, zwiſchen der
Schiffbrücke und der Eiſenbahnbrücke, erinnernd) liegt der Dampfer
und huſtet und pruſtet. Es iſt höchſte Zeit. Kaum daß wir an
Bord, ſo wird auch das Brett ſchon eingezogen und der Dampfer,
ohne viel Commando und Schiffs-Halloh, löſt ſich leicht vom Ufer
ab und ſchaufelt ſtromabwärts. Zur Linken verſchwindet die Stadt
im Morgennebel; nach rechts hin, zwiſchen Pappeln und Weiden
hindurch, blicken wir in jenes Hügelterrain hinein, deſſen Name
hiſtoriſchen Klang hat trotz einem, — Kunersdorff. Wir werden
noch oft, während unſerer Fahrt, an dieſes Terrain und dieſen
Namen erinnert werden.

Der Morgen iſt friſch; der Wind, ein leiſer aber ſcharfer
Nordoſt, kommt uns entgegen und wir ſuchen den Platz am
Schornſtein auf, der Wärme gewährt und zugleich Deckung gegen
den Wind. Es iſt nicht leicht mehr einen guten Platz ausfindig
zu machen, denn bereits vor uns hat ein Gipsfigurenhändler, mit
ſeinem Brett voll Puppen, an eben dieſer Stelle Platz genommen.
Er iſt aber umgänglich, rückt ſein Brett bei Seite und wartet auf
Unterhaltung. Das Puppenbrett bietet den beſten Anknüpfungs-
punkt. König und Königin; Amor und Pſyche; Goethe, Schiller,
Leſſing; drei „betende Knaben“ und zwei Windhunde, außerdem
(alle andern überragend) eine Aurora und eine Flora bilden die
Beſatzung des Brettes. Der Aurora ſind ihre beiden Flügel, der
Flora das Bouquet genommen; beides, Bouquet und Flügel, lie-
gen, wie abgelegter Schmuck, zu Füßen der Figuren.

Was geht denn ſo am beſten? eröffne ich die Converſation.

„Ja das iſt ſchwer zu ſagen, mein Herr,“ erwiedert der

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[6/0018] den Ufern der Oder hin, allerlei Städte und reiche Dörfer liegen, die wohl zum Beſuche einladen können, und daß, wenn Sage und Legende auch ſchweigen, die Geſchichte um ſo lauter und ver- nehmbarer an dieſer Stelle ſpricht. Sehen wir ſelbſt. Es iſt Sonnabend und 5 Uhr Morgens. An dem breiten Quai der alten Stadt Frankfurt, hohe Häuſer und Kirchen zur Seite (das Ganze ausnehmend an den Cölner Quai, zwiſchen der Schiffbrücke und der Eiſenbahnbrücke, erinnernd) liegt der Dampfer und huſtet und pruſtet. Es iſt höchſte Zeit. Kaum daß wir an Bord, ſo wird auch das Brett ſchon eingezogen und der Dampfer, ohne viel Commando und Schiffs-Halloh, löſt ſich leicht vom Ufer ab und ſchaufelt ſtromabwärts. Zur Linken verſchwindet die Stadt im Morgennebel; nach rechts hin, zwiſchen Pappeln und Weiden hindurch, blicken wir in jenes Hügelterrain hinein, deſſen Name hiſtoriſchen Klang hat trotz einem, — Kunersdorff. Wir werden noch oft, während unſerer Fahrt, an dieſes Terrain und dieſen Namen erinnert werden. Der Morgen iſt friſch; der Wind, ein leiſer aber ſcharfer Nordoſt, kommt uns entgegen und wir ſuchen den Platz am Schornſtein auf, der Wärme gewährt und zugleich Deckung gegen den Wind. Es iſt nicht leicht mehr einen guten Platz ausfindig zu machen, denn bereits vor uns hat ein Gipsfigurenhändler, mit ſeinem Brett voll Puppen, an eben dieſer Stelle Platz genommen. Er iſt aber umgänglich, rückt ſein Brett bei Seite und wartet auf Unterhaltung. Das Puppenbrett bietet den beſten Anknüpfungs- punkt. König und Königin; Amor und Pſyche; Goethe, Schiller, Leſſing; drei „betende Knaben“ und zwei Windhunde, außerdem (alle andern überragend) eine Aurora und eine Flora bilden die Beſatzung des Brettes. Der Aurora ſind ihre beiden Flügel, der Flora das Bouquet genommen; beides, Bouquet und Flügel, lie- gen, wie abgelegter Schmuck, zu Füßen der Figuren. Was geht denn ſo am beſten? eröffne ich die Converſation. „Ja das iſt ſchwer zu ſagen, mein Herr,“ erwiedert der

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/18>, abgerufen am 21.11.2024.