selben bei Wriezen und Freienwalde vorbei in die Oder geführt wurden. Zum Theil sind es auch wohl diese Gräben, die das tiefer gelegene Bett der "alten Oder" mit Wasser speisen und dasselbe vor völligem Austrocknen schützen. Dies ganze Canal- system, eben so wie die Verwallung, ist im Lauf der Jahrzehnte vielfach verbessert worden und weite Strecken, die noch vor 25 Jah- ren nur eine unsichere Heuerndte gaben, zeigen jetzt um die Som- merzeit die schönsten Raps- und Gerstenfelder.
Noch vor Ausbruch des 7jährigen Krieges war alles We- sentlichste der Arbeiten beendet*). Niemand ahnte damals, was im Lauf der Zeit durch den Einfluß von Luft und Sonne, durch den Fleiß der Bewohner, durch Verstärkung der Dämme, durch Erweiterung und bessere Richtung der Abzugsgräben, aus diesem Landestheile werden würde; -- man hielt es überwiegend nur zum Graswuchs und zur Weide geeignet. Der Brief eines Rei- senden, der das Bruch im Jahre 1764 passirte, giebt Auskunft darüber. Der Brief lautet:
"So angenehm auch diese Gegend geworden (denn es ist die ebenste Pläne, die Wege mit Weiden besetzt, wie auch die Deiche, und zwar mit mehreren Reihen, nicht nur auf dem Kamm, sondern auch auf der Böschung zu beiden Seiten, da- mit sie von den verwachsenen Wurzeln eine mehrere Festigkeit bekommen), so haben die neuen Dörfer doch mehrfach schon durch Ueberschwemmung gelitten, so daß man mit Kähnen die Einwohner retten, oder ihnen doch, da sie auf die Böden ihrer Häuser geflüchtet, zu Hülfe kommen mußte. Der eingedeichte Acker dürfte wohl mit der Zeit der Wische in der Altmark ähn-
*) Es heißt, Friedrich der Große habe bei seinem berühmten Flan- kenmarsche, der der Schlacht von Zorndorf vorherging (vgl. Zorndorf) bereits Vortheile von der veränderten d. h. mehr passirbaren Gestalt des Bruchs gezogen. Dies ist jedoch höchst wahrscheinlich eine zu Ehren des Bruchs und seiner Melioration erfundene Geschichte, da die Zorndorfer Schlacht am 25. August stattfand, also zu einer Jahreszeit, wo das Bruch immer trocken und passirbar zu sein pflegte.
ſelben bei Wriezen und Freienwalde vorbei in die Oder geführt wurden. Zum Theil ſind es auch wohl dieſe Gräben, die das tiefer gelegene Bett der „alten Oder“ mit Waſſer ſpeiſen und daſſelbe vor völligem Austrocknen ſchützen. Dies ganze Canal- ſyſtem, eben ſo wie die Verwallung, iſt im Lauf der Jahrzehnte vielfach verbeſſert worden und weite Strecken, die noch vor 25 Jah- ren nur eine unſichere Heuerndte gaben, zeigen jetzt um die Som- merzeit die ſchönſten Raps- und Gerſtenfelder.
Noch vor Ausbruch des 7jährigen Krieges war alles We- ſentlichſte der Arbeiten beendet*). Niemand ahnte damals, was im Lauf der Zeit durch den Einfluß von Luft und Sonne, durch den Fleiß der Bewohner, durch Verſtärkung der Dämme, durch Erweiterung und beſſere Richtung der Abzugsgräben, aus dieſem Landestheile werden würde; — man hielt es überwiegend nur zum Graswuchs und zur Weide geeignet. Der Brief eines Rei- ſenden, der das Bruch im Jahre 1764 paſſirte, giebt Auskunft darüber. Der Brief lautet:
„So angenehm auch dieſe Gegend geworden (denn es iſt die ebenſte Pläne, die Wege mit Weiden beſetzt, wie auch die Deiche, und zwar mit mehreren Reihen, nicht nur auf dem Kamm, ſondern auch auf der Böſchung zu beiden Seiten, da- mit ſie von den verwachſenen Wurzeln eine mehrere Feſtigkeit bekommen), ſo haben die neuen Dörfer doch mehrfach ſchon durch Ueberſchwemmung gelitten, ſo daß man mit Kähnen die Einwohner retten, oder ihnen doch, da ſie auf die Böden ihrer Häuſer geflüchtet, zu Hülfe kommen mußte. Der eingedeichte Acker dürfte wohl mit der Zeit der Wiſche in der Altmark ähn-
*) Es heißt, Friedrich der Große habe bei ſeinem berühmten Flan- kenmarſche, der der Schlacht von Zorndorf vorherging (vgl. Zorndorf) bereits Vortheile von der veränderten d. h. mehr paſſirbaren Geſtalt des Bruchs gezogen. Dies iſt jedoch höchſt wahrſcheinlich eine zu Ehren des Bruchs und ſeiner Melioration erfundene Geſchichte, da die Zorndorfer Schlacht am 25. Auguſt ſtattfand, alſo zu einer Jahreszeit, wo das Bruch immer trocken und paſſirbar zu ſein pflegte.
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[203/0215]
ſelben bei Wriezen und Freienwalde vorbei in die Oder geführt
wurden. Zum Theil ſind es auch wohl dieſe Gräben, die das
tiefer gelegene Bett der „alten Oder“ mit Waſſer ſpeiſen und
daſſelbe vor völligem Austrocknen ſchützen. Dies ganze Canal-
ſyſtem, eben ſo wie die Verwallung, iſt im Lauf der Jahrzehnte
vielfach verbeſſert worden und weite Strecken, die noch vor 25 Jah-
ren nur eine unſichere Heuerndte gaben, zeigen jetzt um die Som-
merzeit die ſchönſten Raps- und Gerſtenfelder.
Noch vor Ausbruch des 7jährigen Krieges war alles We-
ſentlichſte der Arbeiten beendet *). Niemand ahnte damals, was im
Lauf der Zeit durch den Einfluß von Luft und Sonne, durch den
Fleiß der Bewohner, durch Verſtärkung der Dämme, durch
Erweiterung und beſſere Richtung der Abzugsgräben, aus dieſem
Landestheile werden würde; — man hielt es überwiegend nur
zum Graswuchs und zur Weide geeignet. Der Brief eines Rei-
ſenden, der das Bruch im Jahre 1764 paſſirte, giebt Auskunft
darüber. Der Brief lautet:
„So angenehm auch dieſe Gegend geworden (denn es iſt
die ebenſte Pläne, die Wege mit Weiden beſetzt, wie auch die
Deiche, und zwar mit mehreren Reihen, nicht nur auf dem
Kamm, ſondern auch auf der Böſchung zu beiden Seiten, da-
mit ſie von den verwachſenen Wurzeln eine mehrere Feſtigkeit
bekommen), ſo haben die neuen Dörfer doch mehrfach ſchon
durch Ueberſchwemmung gelitten, ſo daß man mit Kähnen die
Einwohner retten, oder ihnen doch, da ſie auf die Böden ihrer
Häuſer geflüchtet, zu Hülfe kommen mußte. Der eingedeichte
Acker dürfte wohl mit der Zeit der Wiſche in der Altmark ähn-
*) Es heißt, Friedrich der Große habe bei ſeinem berühmten Flan-
kenmarſche, der der Schlacht von Zorndorf vorherging (vgl. Zorndorf)
bereits Vortheile von der veränderten d. h. mehr paſſirbaren Geſtalt des
Bruchs gezogen. Dies iſt jedoch höchſt wahrſcheinlich eine zu Ehren des
Bruchs und ſeiner Melioration erfundene Geſchichte, da die Zorndorfer
Schlacht am 25. Auguſt ſtattfand, alſo zu einer Jahreszeit, wo das Bruch
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/215>, abgerufen am 27.07.2024.
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