Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.Zurückversinken der landwirthschaftlichen Sprache und Ausdrucks- Wir wenden uns zum Schluß noch einmal der literari- Auch in Moeglin, wie Körte sich ausdrückt, war Thaer eben *) Etwa seit Jahr und Tag, nachdem es noch im Jahre 1856 das
50jährige Fest seines Bestehens gefeiert hatte, ist das Institut eingegan- gen. Es war das, bei total veränderten Zeitverhältnissen, das Verständigste, was geschehen konnte. Der gegenwärtige Besitzer von Moeglin (Landes- ökonomierath A. Thaer, der jüngste Sohn seines Vaters) hatte die Aka- demie wie eine Ehren-Erbschaft angetreten und hielt es, durch dreißig Jahre hin, für seine Pflicht, die Schöpfung seines Vaters, selbst mit Opfern, aufrecht zu erhalten. Es kam aber endlich die Zeit, wo das Ge- fühl, durch ähnliche Institute, die der Staat mit reichen Mitteln ins Le- ben gerufen hatte, überflügelt zu sein, sich nicht länger zurückweisen ließ und wo die Wahrnehmung eines wachsenden Mißverhältnisses zwischen Aufgabe und Opfer endlich den Rath eingab, diese Opfer einzustellen. Das ist nun geschehen. Es wird der Moegliner Akademie nicht nur das Verdienst verbleiben, als erstes Institut derart und als Muster aller folgenden in Deutschland dagestanden zu haben, es wird sich zu diesem Verdienst auch die Ehre gesellen: zu rechter Zeit vom Schauplatz abgetre- ten zu sein. 773 Landwirthe haben im Lauf eines halben Jahrhunderts ihre wissenschaftliche Ausbildung in Moeglin empfangen, und was die Landwirthschaft in unsren alten Provinzen jetzt ist, das ist sie zum großen Theil durch Thaer und seine Schule. Natürlich sind "die Jungen immer klüger als die Alten" und der "überwundene Standpunkt" spielt auch hier seine Rolle; aber selbst unter den Fortgeschrittensten wird niemand sein, der undankbar genug wäre, die schöpferische Bedeutung Thaers und mittelbar auch seiner Akademie in Zweifel zu ziehen. Zurückverſinken der landwirthſchaftlichen Sprache und Ausdrucks- Wir wenden uns zum Schluß noch einmal der literari- Auch in Moeglin, wie Körte ſich ausdrückt, war Thaer eben *) Etwa ſeit Jahr und Tag, nachdem es noch im Jahre 1856 das
50jährige Feſt ſeines Beſtehens gefeiert hatte, iſt das Inſtitut eingegan- gen. Es war das, bei total veränderten Zeitverhältniſſen, das Verſtändigſte, was geſchehen konnte. Der gegenwärtige Beſitzer von Moeglin (Landes- ökonomierath A. Thaer, der jüngſte Sohn ſeines Vaters) hatte die Aka- demie wie eine Ehren-Erbſchaft angetreten und hielt es, durch dreißig Jahre hin, für ſeine Pflicht, die Schöpfung ſeines Vaters, ſelbſt mit Opfern, aufrecht zu erhalten. Es kam aber endlich die Zeit, wo das Ge- fühl, durch ähnliche Inſtitute, die der Staat mit reichen Mitteln ins Le- ben gerufen hatte, überflügelt zu ſein, ſich nicht länger zurückweiſen ließ und wo die Wahrnehmung eines wachſenden Mißverhältniſſes zwiſchen Aufgabe und Opfer endlich den Rath eingab, dieſe Opfer einzuſtellen. Das iſt nun geſchehen. Es wird der Moegliner Akademie nicht nur das Verdienſt verbleiben, als erſtes Inſtitut derart und als Muſter aller folgenden in Deutſchland dageſtanden zu haben, es wird ſich zu dieſem Verdienſt auch die Ehre geſellen: zu rechter Zeit vom Schauplatz abgetre- ten zu ſein. 773 Landwirthe haben im Lauf eines halben Jahrhunderts ihre wiſſenſchaftliche Ausbildung in Moeglin empfangen, und was die Landwirthſchaft in unſren alten Provinzen jetzt iſt, das iſt ſie zum großen Theil durch Thaer und ſeine Schule. Natürlich ſind „die Jungen immer klüger als die Alten“ und der „überwundene Standpunkt“ ſpielt auch hier ſeine Rolle; aber ſelbſt unter den Fortgeſchrittenſten wird niemand ſein, der undankbar genug wäre, die ſchöpferiſche Bedeutung Thaers und mittelbar auch ſeiner Akademie in Zweifel zu ziehen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0257" n="245"/> Zurückverſinken der landwirthſchaftlichen Sprache und Ausdrucks-<lb/> weiſe in das alte, wirre Chaos unmöglich gemacht. <note place="foot" n="*)">Etwa ſeit Jahr und Tag, nachdem es noch im Jahre 1856 das<lb/> 50jährige Feſt ſeines Beſtehens gefeiert hatte, iſt das Inſtitut eingegan-<lb/> gen. Es war das, bei total veränderten Zeitverhältniſſen, das Verſtändigſte,<lb/> was geſchehen konnte. Der gegenwärtige Beſitzer von Moeglin (Landes-<lb/> ökonomierath A. Thaer, der jüngſte Sohn ſeines Vaters) hatte die Aka-<lb/> demie wie eine Ehren-Erbſchaft angetreten und hielt es, durch dreißig<lb/> Jahre hin, für ſeine Pflicht, die Schöpfung ſeines Vaters, ſelbſt mit<lb/> Opfern, aufrecht zu erhalten. Es kam aber endlich die Zeit, wo das Ge-<lb/> fühl, durch ähnliche Inſtitute, die der Staat mit reichen Mitteln ins Le-<lb/> ben gerufen hatte, <hi rendition="#g">überflügelt</hi> zu ſein, ſich nicht länger zurückweiſen<lb/> ließ und wo die Wahrnehmung eines wachſenden Mißverhältniſſes zwiſchen<lb/> Aufgabe und Opfer endlich den Rath eingab, dieſe Opfer einzuſtellen.<lb/> Das iſt nun geſchehen. Es wird der Moegliner Akademie nicht nur das<lb/> Verdienſt verbleiben, als <hi rendition="#g">erſtes</hi> Inſtitut derart und als Muſter aller<lb/> folgenden in Deutſchland dageſtanden zu haben, es wird ſich zu dieſem<lb/> Verdienſt auch die Ehre geſellen: zu rechter Zeit vom Schauplatz abgetre-<lb/> ten zu ſein. 773 Landwirthe haben im Lauf eines halben Jahrhunderts<lb/> ihre wiſſenſchaftliche Ausbildung in Moeglin empfangen, und was die<lb/> Landwirthſchaft in unſren alten Provinzen jetzt iſt, das iſt ſie zum großen<lb/> Theil durch Thaer und ſeine Schule. Natürlich ſind „die Jungen immer<lb/> klüger als die Alten“ und der „überwundene Standpunkt“ ſpielt auch<lb/> hier ſeine Rolle; aber ſelbſt unter den Fortgeſchrittenſten wird niemand<lb/> ſein, der undankbar genug wäre, die ſchöpferiſche Bedeutung Thaers und<lb/> mittelbar auch ſeiner Akademie in Zweifel zu ziehen.</note></p><lb/> <p>Wir wenden uns zum Schluß noch einmal der <hi rendition="#g">literari-<lb/> ſchen</hi> Thätigkeit Thaers zu.</p><lb/> <p>Auch in Moeglin, wie Körte ſich ausdrückt, war Thaer eben<lb/> ſo thätig am <hi rendition="#g">Schreibtiſch</hi>, wie auf <hi rendition="#g">dem Ackerfeld</hi>. In den<lb/> erſten 10 Jahren ſeines Moegliner Aufenthalts würde es ihm<lb/> ſogar ſehr ſchlimm ergangen ſein, wenn der Erwerb ſeiner Feder<lb/> nicht dem ſtockenden Erwerb des Pfluges zu Hülfe gekommen<lb/> wäre. Mannigfaches erſchien in jenen Jahren von ihm; vor allem<lb/> jedoch ſei hier ſeines Meiſterwerkes gedacht, das unter dem Titel<lb/> „<hi rendition="#g">Grundzüge der rationellen Landwirthſchaft</hi>“ (4 Bände)<lb/> 1810—12 veröffentlicht wurde. Das Werk, wie alle Welt jetzt<lb/> weiß, war epochemachend. Dennoch hätte er ſich ſchwerlich ſchon<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [245/0257]
Zurückverſinken der landwirthſchaftlichen Sprache und Ausdrucks-
weiſe in das alte, wirre Chaos unmöglich gemacht. *)
Wir wenden uns zum Schluß noch einmal der literari-
ſchen Thätigkeit Thaers zu.
Auch in Moeglin, wie Körte ſich ausdrückt, war Thaer eben
ſo thätig am Schreibtiſch, wie auf dem Ackerfeld. In den
erſten 10 Jahren ſeines Moegliner Aufenthalts würde es ihm
ſogar ſehr ſchlimm ergangen ſein, wenn der Erwerb ſeiner Feder
nicht dem ſtockenden Erwerb des Pfluges zu Hülfe gekommen
wäre. Mannigfaches erſchien in jenen Jahren von ihm; vor allem
jedoch ſei hier ſeines Meiſterwerkes gedacht, das unter dem Titel
„Grundzüge der rationellen Landwirthſchaft“ (4 Bände)
1810—12 veröffentlicht wurde. Das Werk, wie alle Welt jetzt
weiß, war epochemachend. Dennoch hätte er ſich ſchwerlich ſchon
*) Etwa ſeit Jahr und Tag, nachdem es noch im Jahre 1856 das
50jährige Feſt ſeines Beſtehens gefeiert hatte, iſt das Inſtitut eingegan-
gen. Es war das, bei total veränderten Zeitverhältniſſen, das Verſtändigſte,
was geſchehen konnte. Der gegenwärtige Beſitzer von Moeglin (Landes-
ökonomierath A. Thaer, der jüngſte Sohn ſeines Vaters) hatte die Aka-
demie wie eine Ehren-Erbſchaft angetreten und hielt es, durch dreißig
Jahre hin, für ſeine Pflicht, die Schöpfung ſeines Vaters, ſelbſt mit
Opfern, aufrecht zu erhalten. Es kam aber endlich die Zeit, wo das Ge-
fühl, durch ähnliche Inſtitute, die der Staat mit reichen Mitteln ins Le-
ben gerufen hatte, überflügelt zu ſein, ſich nicht länger zurückweiſen
ließ und wo die Wahrnehmung eines wachſenden Mißverhältniſſes zwiſchen
Aufgabe und Opfer endlich den Rath eingab, dieſe Opfer einzuſtellen.
Das iſt nun geſchehen. Es wird der Moegliner Akademie nicht nur das
Verdienſt verbleiben, als erſtes Inſtitut derart und als Muſter aller
folgenden in Deutſchland dageſtanden zu haben, es wird ſich zu dieſem
Verdienſt auch die Ehre geſellen: zu rechter Zeit vom Schauplatz abgetre-
ten zu ſein. 773 Landwirthe haben im Lauf eines halben Jahrhunderts
ihre wiſſenſchaftliche Ausbildung in Moeglin empfangen, und was die
Landwirthſchaft in unſren alten Provinzen jetzt iſt, das iſt ſie zum großen
Theil durch Thaer und ſeine Schule. Natürlich ſind „die Jungen immer
klüger als die Alten“ und der „überwundene Standpunkt“ ſpielt auch
hier ſeine Rolle; aber ſelbſt unter den Fortgeſchrittenſten wird niemand
ſein, der undankbar genug wäre, die ſchöpferiſche Bedeutung Thaers und
mittelbar auch ſeiner Akademie in Zweifel zu ziehen.
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