1798 zu bauen begonnen. Am 16. November 1797 war König Friedrich Wilhelm II. im Marmorpalais zu Potsdam gestorben, und wie locker immer die Beziehungen zwischen dem König und seiner Gemahlin, Louise, Prinzeß von Hessen-Darmstadt, gewesen sein mochten, nicht gut konnte diese vor dem Tode des Königs, ihres Gemahls, daran denken, ihren Aufenthalt dauernd in Freienwalde zu nehmen. Daß es bis 1795 nicht geschehen war, wissen wir bestimmt. Wir irren also wohl nicht, wenn wir anneh- men, daß sich die Königin bis zum Ende der Saison 1797 mit der oben beschriebenen Sommerwohnung begnügte und erst 1798, -- in diesem Jahre Freienwalde zu ihrem Wittwensitze machend -- auch ein wirkliches Schloß daselbst zu bauen begann. Der Bau dieses Schlosses nahm wenigstens zwei Jahre in Anspruch, so daß wir aller Wahrscheinlichkeit nach das Richtige treffen, wenn wir uns die Räume des Freienwalder Schlosses nicht vor Eintritt des neuen Jahrhunderts belebt denken. Den Namen des Baumeisters habe ich nicht in Erfahrung bringen können. Die Königin-Wittwe, wenn unsere obigen Zahlen zutreffen, residirte hier fünf Jahre; sie starb am 25. Februar 1805.
Die Frage entsteht, wie lebte hier die Königliche Frau, wie verflossen ihr die Tage ihrer Wittwenzeit? Still, und deshalb nicht eingetragen in die Blätter der Geschichte. Aber Einzelnes lebt doch in schriftlicher oder mündlicher Ueberlieferung fort, das uns eini- germaßen in den Stand setzt, uns ein Bild dieser stillen Tage zu entwerfen. Die königliche Frau, ausharrend in ihrer Liebe für die Stadt, der sie seit Jahren ihre besondere Gunst geschenkt hatte, fuhr mit regem Eifer fort, sich die Verschönerung Freienwaldes angelegen sein zu lassen, besonders die Landschaft durch Zugänglich- machung ihrer schönsten Punkte zu erschließen.*) Ueberall entstan-
*) Zu einem solchen "erschließen" der Landschaft war auch in Freien- walde damals, wie überall im Lande, noch vollauf Gelegenheit gegeben. Denn der Sinn für "schöne Natur" ist, wie die "Landschaftsmalerei" (bekanntlich die jüngste Tochter der Malerkunst), von sehr modernem Da- tum, namentlich aber in der Mark. Die eigentliche märkische Bevöl-
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1798 zu bauen begonnen. Am 16. November 1797 war König Friedrich Wilhelm II. im Marmorpalais zu Potsdam geſtorben, und wie locker immer die Beziehungen zwiſchen dem König und ſeiner Gemahlin, Louiſe, Prinzeß von Heſſen-Darmſtadt, geweſen ſein mochten, nicht gut konnte dieſe vor dem Tode des Königs, ihres Gemahls, daran denken, ihren Aufenthalt dauernd in Freienwalde zu nehmen. Daß es bis 1795 nicht geſchehen war, wiſſen wir beſtimmt. Wir irren alſo wohl nicht, wenn wir anneh- men, daß ſich die Königin bis zum Ende der Saiſon 1797 mit der oben beſchriebenen Sommerwohnung begnügte und erſt 1798, — in dieſem Jahre Freienwalde zu ihrem Wittwenſitze machend — auch ein wirkliches Schloß daſelbſt zu bauen begann. Der Bau dieſes Schloſſes nahm wenigſtens zwei Jahre in Anſpruch, ſo daß wir aller Wahrſcheinlichkeit nach das Richtige treffen, wenn wir uns die Räume des Freienwalder Schloſſes nicht vor Eintritt des neuen Jahrhunderts belebt denken. Den Namen des Baumeiſters habe ich nicht in Erfahrung bringen können. Die Königin-Wittwe, wenn unſere obigen Zahlen zutreffen, reſidirte hier fünf Jahre; ſie ſtarb am 25. Februar 1805.
Die Frage entſteht, wie lebte hier die Königliche Frau, wie verfloſſen ihr die Tage ihrer Wittwenzeit? Still, und deshalb nicht eingetragen in die Blätter der Geſchichte. Aber Einzelnes lebt doch in ſchriftlicher oder mündlicher Ueberlieferung fort, das uns eini- germaßen in den Stand ſetzt, uns ein Bild dieſer ſtillen Tage zu entwerfen. Die königliche Frau, ausharrend in ihrer Liebe für die Stadt, der ſie ſeit Jahren ihre beſondere Gunſt geſchenkt hatte, fuhr mit regem Eifer fort, ſich die Verſchönerung Freienwaldes angelegen ſein zu laſſen, beſonders die Landſchaft durch Zugänglich- machung ihrer ſchönſten Punkte zu erſchließen.*) Ueberall entſtan-
*) Zu einem ſolchen „erſchließen“ der Landſchaft war auch in Freien- walde damals, wie überall im Lande, noch vollauf Gelegenheit gegeben. Denn der Sinn für „ſchöne Natur“ iſt, wie die „Landſchaftsmalerei“ (bekanntlich die jüngſte Tochter der Malerkunſt), von ſehr modernem Da- tum, namentlich aber in der Mark. Die eigentliche märkiſche Bevöl-
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1798 zu bauen begonnen. Am 16. November 1797 war König
Friedrich Wilhelm II. im Marmorpalais zu Potsdam geſtorben,
und wie locker immer die Beziehungen zwiſchen dem König und
ſeiner Gemahlin, Louiſe, Prinzeß von Heſſen-Darmſtadt, geweſen
ſein mochten, nicht gut konnte dieſe vor dem Tode des Königs,
ihres Gemahls, daran denken, ihren Aufenthalt dauernd in
Freienwalde zu nehmen. Daß es bis 1795 nicht geſchehen war,
wiſſen wir beſtimmt. Wir irren alſo wohl nicht, wenn wir anneh-
men, daß ſich die Königin bis zum Ende der Saiſon 1797 mit
der oben beſchriebenen Sommerwohnung begnügte und erſt 1798,
— in dieſem Jahre Freienwalde zu ihrem Wittwenſitze machend —
auch ein wirkliches Schloß daſelbſt zu bauen begann. Der Bau
dieſes Schloſſes nahm wenigſtens zwei Jahre in Anſpruch, ſo daß
wir aller Wahrſcheinlichkeit nach das Richtige treffen, wenn wir
uns die Räume des Freienwalder Schloſſes nicht vor Eintritt des
neuen Jahrhunderts belebt denken. Den Namen des Baumeiſters
habe ich nicht in Erfahrung bringen können. Die Königin-Wittwe,
wenn unſere obigen Zahlen zutreffen, reſidirte hier fünf Jahre;
ſie ſtarb am 25. Februar 1805.
Die Frage entſteht, wie lebte hier die Königliche Frau, wie
verfloſſen ihr die Tage ihrer Wittwenzeit? Still, und deshalb nicht
eingetragen in die Blätter der Geſchichte. Aber Einzelnes lebt doch
in ſchriftlicher oder mündlicher Ueberlieferung fort, das uns eini-
germaßen in den Stand ſetzt, uns ein Bild dieſer ſtillen Tage zu
entwerfen. Die königliche Frau, ausharrend in ihrer Liebe für die
Stadt, der ſie ſeit Jahren ihre beſondere Gunſt geſchenkt hatte,
fuhr mit regem Eifer fort, ſich die Verſchönerung Freienwaldes
angelegen ſein zu laſſen, beſonders die Landſchaft durch Zugänglich-
machung ihrer ſchönſten Punkte zu erſchließen. *) Ueberall entſtan-
*) Zu einem ſolchen „erſchließen“ der Landſchaft war auch in Freien-
walde damals, wie überall im Lande, noch vollauf Gelegenheit gegeben.
Denn der Sinn für „ſchöne Natur“ iſt, wie die „Landſchaftsmalerei“
(bekanntlich die jüngſte Tochter der Malerkunſt), von ſehr modernem Da-
tum, namentlich aber in der Mark. Die eigentliche märkiſche Bevöl-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/287>, abgerufen am 22.11.2024.
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