welchem Jahre der Churfürst nicht erschien) wurde das erste und älteste "Brunnenhaus" gebaut, dasselbe, das unter dem Namen der "churfürstliche Flügel" bis diesen Tag existirt. Dazu kamen allerhand Vorkehrungen und Einrichtungen: zwei Betstunden täg- lich, zwei Jahrmärkte die Woche; eine Brunnenkapelle und ein Brunnenkoch. Was diesen letztern angeht, so hatte er die Ver- pflichtung, freilich nur für die Armen, für 11/2 gr ein "gutes Mittagbrod" zu liefern. Der Churfürst that in allem, was er konnte; das nächste Jahr (1687) machte er seinen letzten Besuch.
Unter der Regierung seines Nachfolgers (König Friedrichs I.) hielt sich Freienwalde im Wesentlichen auf der Höhe seines An- sehens. Die Heilkraft des Brunnens stand noch in so gutem Ruf, daß das Wasser desselben, behufs mineralischer Bäder für den König, nach Alt-Landsberg und Nieder-Schönhausen gebracht wurde. 1704 und die zwei folgenden Jahre kam er selbst und bezog 1706 das "Schloß am Brunnen", das schon in dem vor- hergehenden Jahre (1705) vom berühmten Andreas Schlüter für ihn aufgeführt worden war. Dies Schloß, wenn schon ein bloßer Holzbau, war ein prächtiges, mit vielen Säulen geziertes, zwei Stock hohes Gebäude, dessen oberstes Stock (so lautet der Be- richt) aus 64 Säulen bestand, auf denen das Dach ruhte. Eine Beschreibung, die ziemlich phantastisch klingt, mit der es aber doch seine Richtigkeit hat. Beckmann, in seiner "Beschreibung der Chur- mark Brandenburg", giebt Th. I. S. 595 eine sehr hübsche Ab- bildung dieses Sommerschlosses, das mit seiner Fülle leichter gra- ziöser Säulen von äußerst malerischer Wirkung gewesen sein muß. Im obersten Stock war ein Speisesaal. Dies Schlüter'sche Bau- werk hatte nicht langen Bestand. Regengüsse unterwühlten es schon 1707, so daß der König es rasch verlassen und seine Rückkehr beschleunigen mußte;*) 1722 wurde es unbewohnbar gefunden und abgebrochen.
*) Ist dieser Bericht zuverlässig, und es liegt kein Grund vor, dies zu bezweifeln, so wirft der hier erzählte Vorgang ein interessantes und
welchem Jahre der Churfürſt nicht erſchien) wurde das erſte und älteſte „Brunnenhaus“ gebaut, daſſelbe, das unter dem Namen der „churfürſtliche Flügel“ bis dieſen Tag exiſtirt. Dazu kamen allerhand Vorkehrungen und Einrichtungen: zwei Betſtunden täg- lich, zwei Jahrmärkte die Woche; eine Brunnenkapelle und ein Brunnenkoch. Was dieſen letztern angeht, ſo hatte er die Ver- pflichtung, freilich nur für die Armen, für 1½ gr ein „gutes Mittagbrod“ zu liefern. Der Churfürſt that in allem, was er konnte; das nächſte Jahr (1687) machte er ſeinen letzten Beſuch.
Unter der Regierung ſeines Nachfolgers (König Friedrichs I.) hielt ſich Freienwalde im Weſentlichen auf der Höhe ſeines An- ſehens. Die Heilkraft des Brunnens ſtand noch in ſo gutem Ruf, daß das Waſſer deſſelben, behufs mineraliſcher Bäder für den König, nach Alt-Landsberg und Nieder-Schönhauſen gebracht wurde. 1704 und die zwei folgenden Jahre kam er ſelbſt und bezog 1706 das „Schloß am Brunnen“, das ſchon in dem vor- hergehenden Jahre (1705) vom berühmten Andreas Schlüter für ihn aufgeführt worden war. Dies Schloß, wenn ſchon ein bloßer Holzbau, war ein prächtiges, mit vielen Säulen geziertes, zwei Stock hohes Gebäude, deſſen oberſtes Stock (ſo lautet der Be- richt) aus 64 Säulen beſtand, auf denen das Dach ruhte. Eine Beſchreibung, die ziemlich phantaſtiſch klingt, mit der es aber doch ſeine Richtigkeit hat. Beckmann, in ſeiner „Beſchreibung der Chur- mark Brandenburg“, giebt Th. I. S. 595 eine ſehr hübſche Ab- bildung dieſes Sommerſchloſſes, das mit ſeiner Fülle leichter gra- ziöſer Säulen von äußerſt maleriſcher Wirkung geweſen ſein muß. Im oberſten Stock war ein Speiſeſaal. Dies Schlüter’ſche Bau- werk hatte nicht langen Beſtand. Regengüſſe unterwühlten es ſchon 1707, ſo daß der König es raſch verlaſſen und ſeine Rückkehr beſchleunigen mußte;*) 1722 wurde es unbewohnbar gefunden und abgebrochen.
*) Iſt dieſer Bericht zuverläſſig, und es liegt kein Grund vor, dies zu bezweifeln, ſo wirft der hier erzählte Vorgang ein intereſſantes und
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welchem Jahre der Churfürſt nicht erſchien) wurde das erſte und
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der „churfürſtliche Flügel“ bis dieſen Tag exiſtirt. Dazu kamen
allerhand Vorkehrungen und Einrichtungen: zwei Betſtunden täg-
lich, zwei Jahrmärkte die Woche; eine Brunnenkapelle und ein
Brunnenkoch. Was dieſen letztern angeht, ſo hatte er die Ver-
pflichtung, freilich nur für die Armen, für 1½ gr ein „gutes
Mittagbrod“ zu liefern. Der Churfürſt that in allem, was er
konnte; das nächſte Jahr (1687) machte er ſeinen letzten Beſuch.
Unter der Regierung ſeines Nachfolgers (König Friedrichs I.)
hielt ſich Freienwalde im Weſentlichen auf der Höhe ſeines An-
ſehens. Die Heilkraft des Brunnens ſtand noch in ſo gutem Ruf,
daß das Waſſer deſſelben, behufs mineraliſcher Bäder für den
König, nach Alt-Landsberg und Nieder-Schönhauſen gebracht
wurde. 1704 und die zwei folgenden Jahre kam er ſelbſt und
bezog 1706 das „Schloß am Brunnen“, das ſchon in dem vor-
hergehenden Jahre (1705) vom berühmten Andreas Schlüter für
ihn aufgeführt worden war. Dies Schloß, wenn ſchon ein bloßer
Holzbau, war ein prächtiges, mit vielen Säulen geziertes, zwei
Stock hohes Gebäude, deſſen oberſtes Stock (ſo lautet der Be-
richt) aus 64 Säulen beſtand, auf denen das Dach ruhte. Eine
Beſchreibung, die ziemlich phantaſtiſch klingt, mit der es aber doch
ſeine Richtigkeit hat. Beckmann, in ſeiner „Beſchreibung der Chur-
mark Brandenburg“, giebt Th. I. S. 595 eine ſehr hübſche Ab-
bildung dieſes Sommerſchloſſes, das mit ſeiner Fülle leichter gra-
ziöſer Säulen von äußerſt maleriſcher Wirkung geweſen ſein muß.
Im oberſten Stock war ein Speiſeſaal. Dies Schlüter’ſche Bau-
werk hatte nicht langen Beſtand. Regengüſſe unterwühlten es ſchon
1707, ſo daß der König es raſch verlaſſen und ſeine Rückkehr
beſchleunigen mußte; *) 1722 wurde es unbewohnbar gefunden
und abgebrochen.
*) Iſt dieſer Bericht zuverläſſig, und es liegt kein Grund vor, dies
zu bezweifeln, ſo wirft der hier erzählte Vorgang ein intereſſantes und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/297>, abgerufen am 22.11.2024.
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