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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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Der Vortheil, der dadurch gewonnen wurde, war ein doppelter:
die Dinge saßen fest fürs Leben und die Gewohnheit des Vor-
traghaltens gewann ihm (nach Marwitz's eigenem Zeugniß) die
nicht hoch genug zu schätzende Fähigkeit, aus dem Stegreif zusam-
menhängend reden zu können.

Dreizehn Jahr alt trat Marwitz als Junker in das Regiment
Gensdarmes, also in dasselbe Regiment, in dem schon so viele
Marwitze (darunter zwei seiner Oheime) gedient und Ruhm und
Auszeichnung gefunden hatten. Dieser Eintritt verstand sich ganz
von selbst; an die Möglichkeit eines andern Berufs war im Va-
terhause nie gedacht worden. Marwitz hatte dessen noch in seinen
alten Tagen Dank, denn wie wenig auch die Verhältnisse ihm zu
Gunst und Willen gewesen waren, immer blieb er dabei, daß das
Leben des Kriegers das schönste und der Krieg der Prüfstein des
Mannes sei. In etwas einseitiger, aber charakteristischer Auffassung
schrieb er darüber noch kurz vor seinem Tode: "Zu vieles Lernen
ertödtet den Charakter. Im Kriege nur fallen all die Künste weg,
welche den Schein an die Stelle des Verdienstes setzen. Diese
Eigenheit des Krieges wird nicht genugsam erkannt. Blick und
Urtheil unter erschwerenden Umständen, Tapferkeit und Ausdauer
können nirgends anders als im Kriege gezeigt und erprobt wer-
den. Nur hier kann man mit Sicherheit auf den Charakter des
Menschen schließen."

Marwitz war also Junker im Regiment Gensdarmes. Wie er
zeitlebens alles ernst nahm, so auch den Dienst. Der noch knaben-
hafte Körper mußte dem starken Willen gehorchen, und der Junker
avancirte zum Cornet und Offizier. Klein wie er war, machte ihm
das Reitenlernen die größte Schwierigkeit, aber je mehr er diese
Schwierigkeit empfand, desto mehr war er bestrebt, sie zu überwin-
den. Zu jeder Tageszeit saß er zu Pferde, gab aufs genauste bei
denen Acht, die als die besten Lehrer und Stallmeister galten, und
fragte, versuchte und quälte sich so lange, bis er endlich völlig
triumphirte und zu einem der besten Reiter des Regiments wurde.
Das wollte damals etwas sagen; denn wenn man den Erzählun-

Der Vortheil, der dadurch gewonnen wurde, war ein doppelter:
die Dinge ſaßen feſt fürs Leben und die Gewohnheit des Vor-
traghaltens gewann ihm (nach Marwitz’s eigenem Zeugniß) die
nicht hoch genug zu ſchätzende Fähigkeit, aus dem Stegreif zuſam-
menhängend reden zu können.

Dreizehn Jahr alt trat Marwitz als Junker in das Regiment
Gensdarmes, alſo in daſſelbe Regiment, in dem ſchon ſo viele
Marwitze (darunter zwei ſeiner Oheime) gedient und Ruhm und
Auszeichnung gefunden hatten. Dieſer Eintritt verſtand ſich ganz
von ſelbſt; an die Möglichkeit eines andern Berufs war im Va-
terhauſe nie gedacht worden. Marwitz hatte deſſen noch in ſeinen
alten Tagen Dank, denn wie wenig auch die Verhältniſſe ihm zu
Gunſt und Willen geweſen waren, immer blieb er dabei, daß das
Leben des Kriegers das ſchönſte und der Krieg der Prüfſtein des
Mannes ſei. In etwas einſeitiger, aber charakteriſtiſcher Auffaſſung
ſchrieb er darüber noch kurz vor ſeinem Tode: „Zu vieles Lernen
ertödtet den Charakter. Im Kriege nur fallen all die Künſte weg,
welche den Schein an die Stelle des Verdienſtes ſetzen. Dieſe
Eigenheit des Krieges wird nicht genugſam erkannt. Blick und
Urtheil unter erſchwerenden Umſtänden, Tapferkeit und Ausdauer
können nirgends anders als im Kriege gezeigt und erprobt wer-
den. Nur hier kann man mit Sicherheit auf den Charakter des
Menſchen ſchließen.“

Marwitz war alſo Junker im Regiment Gensdarmes. Wie er
zeitlebens alles ernſt nahm, ſo auch den Dienſt. Der noch knaben-
hafte Körper mußte dem ſtarken Willen gehorchen, und der Junker
avancirte zum Cornet und Offizier. Klein wie er war, machte ihm
das Reitenlernen die größte Schwierigkeit, aber je mehr er dieſe
Schwierigkeit empfand, deſto mehr war er beſtrebt, ſie zu überwin-
den. Zu jeder Tageszeit ſaß er zu Pferde, gab aufs genauſte bei
denen Acht, die als die beſten Lehrer und Stallmeiſter galten, und
fragte, verſuchte und quälte ſich ſo lange, bis er endlich völlig
triumphirte und zu einem der beſten Reiter des Regiments wurde.
Das wollte damals etwas ſagen; denn wenn man den Erzählun-

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[364/0376] Der Vortheil, der dadurch gewonnen wurde, war ein doppelter: die Dinge ſaßen feſt fürs Leben und die Gewohnheit des Vor- traghaltens gewann ihm (nach Marwitz’s eigenem Zeugniß) die nicht hoch genug zu ſchätzende Fähigkeit, aus dem Stegreif zuſam- menhängend reden zu können. Dreizehn Jahr alt trat Marwitz als Junker in das Regiment Gensdarmes, alſo in daſſelbe Regiment, in dem ſchon ſo viele Marwitze (darunter zwei ſeiner Oheime) gedient und Ruhm und Auszeichnung gefunden hatten. Dieſer Eintritt verſtand ſich ganz von ſelbſt; an die Möglichkeit eines andern Berufs war im Va- terhauſe nie gedacht worden. Marwitz hatte deſſen noch in ſeinen alten Tagen Dank, denn wie wenig auch die Verhältniſſe ihm zu Gunſt und Willen geweſen waren, immer blieb er dabei, daß das Leben des Kriegers das ſchönſte und der Krieg der Prüfſtein des Mannes ſei. In etwas einſeitiger, aber charakteriſtiſcher Auffaſſung ſchrieb er darüber noch kurz vor ſeinem Tode: „Zu vieles Lernen ertödtet den Charakter. Im Kriege nur fallen all die Künſte weg, welche den Schein an die Stelle des Verdienſtes ſetzen. Dieſe Eigenheit des Krieges wird nicht genugſam erkannt. Blick und Urtheil unter erſchwerenden Umſtänden, Tapferkeit und Ausdauer können nirgends anders als im Kriege gezeigt und erprobt wer- den. Nur hier kann man mit Sicherheit auf den Charakter des Menſchen ſchließen.“ Marwitz war alſo Junker im Regiment Gensdarmes. Wie er zeitlebens alles ernſt nahm, ſo auch den Dienſt. Der noch knaben- hafte Körper mußte dem ſtarken Willen gehorchen, und der Junker avancirte zum Cornet und Offizier. Klein wie er war, machte ihm das Reitenlernen die größte Schwierigkeit, aber je mehr er dieſe Schwierigkeit empfand, deſto mehr war er beſtrebt, ſie zu überwin- den. Zu jeder Tageszeit ſaß er zu Pferde, gab aufs genauſte bei denen Acht, die als die beſten Lehrer und Stallmeiſter galten, und fragte, verſuchte und quälte ſich ſo lange, bis er endlich völlig triumphirte und zu einem der beſten Reiter des Regiments wurde. Das wollte damals etwas ſagen; denn wenn man den Erzählun-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/376>, abgerufen am 22.11.2024.