heit für den poetischen Ausdruck ist schlecht gewählt; Gemeinplätze wären besser. Schinkel selbst, der ja in späteren Jahren so vor- zugsweise die Anlehnung an das Bedürfniß predigte, würde diese, einer höheren Form huldigenden Wirthschaftsgebäude, speciell das auf dem Vorwerk Bärwinkel, zwar mit Interesse, aber sicherlich auch mit Lächeln wieder betrachtet haben. Indessen, wie jugendlich immer, ex ungue leonem. Je unverkennbarer dies hervortritt, um so auffallender ist es, daß eine Zuschrift an Herrn von Wolzo- gen, den Herausgeber der Schinkel'schen Briefe, gerade dieses in- teressante, aus Raseneisenstein und Eisenschlacken (als Ecken-Gar- nirung) errichtete Wirthschaftsgebäude in Bärwinkel, dem Zimmer- meister Tietz aus Friedland und dem Maurermeister Neubarth aus Wriezen hat zusprechen wollen. Herr von Wolzogen hält dieser Zuschrift gegenüber seine ursprüngliche, auf einen Ausspruch Waa- gens gestützte Ansicht zwar aufrecht, aber doch mit einer gewissen Unsicherheit, die, wir zweifeln nicht daran, beim Anblick des Ge- bäudes selbst, sofort der festen Ueberzeugung Platz machen würde: dies ist von Schinkel, und von niemand andrem. Es ist sehr die Frage, ob die architektonischen Kräfte zweier kleiner Städte auch jetzt selbst, nachdem Schinkel eine Schule in diesen Landen herangebildet hat, fähig sein würden, einen so originellen, alle überkommene Schablone vielleicht nur allzusehr verleugnenden Bau aufzuführen, damals aber (1803) vermochten es die verein- ten Baukräfte von Friedland und Wriezen sicherlich nicht. Ich neige mich sogar der Ansicht zu, daß die originelle Verwendung von Schlacke und Raseneisenstein, eines Materials, das hierlandes nie als Baumaterial verwendet worden ist, dort aber zufällig zur Hand war, allein schon als Beweis dafür dienen darf, daß der Bau von Schinkel herrühren muß. Gerade in dieser genialen Be- nutzung des zufällig Gebotenen war er ja so hervorragend. Das Ganze (ein Molkenhaus) hat die Form einer Basilika: ein Hochschiff und zwei niedrige Seitenschiffe. Wenn aber eine Basi- lika die prachtvolle breite Giebelwand nach vorne stellt, und dieselbe als Portal benutzt, so hat Schinkel bei diesem Bau das umge-
heit für den poetiſchen Ausdruck iſt ſchlecht gewählt; Gemeinplätze wären beſſer. Schinkel ſelbſt, der ja in ſpäteren Jahren ſo vor- zugsweiſe die Anlehnung an das Bedürfniß predigte, würde dieſe, einer höheren Form huldigenden Wirthſchaftsgebäude, ſpeciell das auf dem Vorwerk Bärwinkel, zwar mit Intereſſe, aber ſicherlich auch mit Lächeln wieder betrachtet haben. Indeſſen, wie jugendlich immer, ex ungue leonem. Je unverkennbarer dies hervortritt, um ſo auffallender iſt es, daß eine Zuſchrift an Herrn von Wolzo- gen, den Herausgeber der Schinkel’ſchen Briefe, gerade dieſes in- tereſſante, aus Raſeneiſenſtein und Eiſenſchlacken (als Ecken-Gar- nirung) errichtete Wirthſchaftsgebäude in Bärwinkel, dem Zimmer- meiſter Tietz aus Friedland und dem Maurermeiſter Neubarth aus Wriezen hat zuſprechen wollen. Herr von Wolzogen hält dieſer Zuſchrift gegenüber ſeine urſprüngliche, auf einen Ausſpruch Waa- gens geſtützte Anſicht zwar aufrecht, aber doch mit einer gewiſſen Unſicherheit, die, wir zweifeln nicht daran, beim Anblick des Ge- bäudes ſelbſt, ſofort der feſten Ueberzeugung Platz machen würde: dies iſt von Schinkel, und von niemand andrem. Es iſt ſehr die Frage, ob die architektoniſchen Kräfte zweier kleiner Städte auch jetzt ſelbſt, nachdem Schinkel eine Schule in dieſen Landen herangebildet hat, fähig ſein würden, einen ſo originellen, alle überkommene Schablone vielleicht nur allzuſehr verleugnenden Bau aufzuführen, damals aber (1803) vermochten es die verein- ten Baukräfte von Friedland und Wriezen ſicherlich nicht. Ich neige mich ſogar der Anſicht zu, daß die originelle Verwendung von Schlacke und Raſeneiſenſtein, eines Materials, das hierlandes nie als Baumaterial verwendet worden iſt, dort aber zufällig zur Hand war, allein ſchon als Beweis dafür dienen darf, daß der Bau von Schinkel herrühren muß. Gerade in dieſer genialen Be- nutzung des zufällig Gebotenen war er ja ſo hervorragend. Das Ganze (ein Molkenhaus) hat die Form einer Baſilika: ein Hochſchiff und zwei niedrige Seitenſchiffe. Wenn aber eine Baſi- lika die prachtvolle breite Giebelwand nach vorne ſtellt, und dieſelbe als Portal benutzt, ſo hat Schinkel bei dieſem Bau das umge-
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heit für den poetiſchen Ausdruck iſt ſchlecht gewählt; Gemeinplätze
wären beſſer. Schinkel ſelbſt, der ja in ſpäteren Jahren ſo vor-
zugsweiſe die Anlehnung an das Bedürfniß predigte, würde dieſe,
einer höheren Form huldigenden Wirthſchaftsgebäude, ſpeciell das
auf dem Vorwerk Bärwinkel, zwar mit Intereſſe, aber ſicherlich
auch mit Lächeln wieder betrachtet haben. Indeſſen, wie jugendlich
immer, ex ungue leonem. Je unverkennbarer dies hervortritt,
um ſo auffallender iſt es, daß eine Zuſchrift an Herrn von Wolzo-
gen, den Herausgeber der Schinkel’ſchen Briefe, gerade dieſes in-
tereſſante, aus Raſeneiſenſtein und Eiſenſchlacken (als Ecken-Gar-
nirung) errichtete Wirthſchaftsgebäude in Bärwinkel, dem Zimmer-
meiſter Tietz aus Friedland und dem Maurermeiſter Neubarth aus
Wriezen hat zuſprechen wollen. Herr von Wolzogen hält dieſer
Zuſchrift gegenüber ſeine urſprüngliche, auf einen Ausſpruch Waa-
gens geſtützte Anſicht zwar aufrecht, aber doch mit einer gewiſſen
Unſicherheit, die, wir zweifeln nicht daran, beim Anblick des Ge-
bäudes ſelbſt, ſofort der feſten Ueberzeugung Platz machen würde:
dies iſt von Schinkel, und von niemand andrem. Es iſt ſehr
die Frage, ob die architektoniſchen Kräfte zweier kleiner Städte
auch jetzt ſelbſt, nachdem Schinkel eine Schule in dieſen Landen
herangebildet hat, fähig ſein würden, einen ſo originellen, alle
überkommene Schablone vielleicht nur allzuſehr verleugnenden
Bau aufzuführen, damals aber (1803) vermochten es die verein-
ten Baukräfte von Friedland und Wriezen ſicherlich nicht. Ich
neige mich ſogar der Anſicht zu, daß die originelle Verwendung
von Schlacke und Raſeneiſenſtein, eines Materials, das hierlandes
nie als Baumaterial verwendet worden iſt, dort aber zufällig zur
Hand war, allein ſchon als Beweis dafür dienen darf, daß der
Bau von Schinkel herrühren muß. Gerade in dieſer genialen Be-
nutzung des zufällig Gebotenen war er ja ſo hervorragend.
Das Ganze (ein Molkenhaus) hat die Form einer Baſilika: ein
Hochſchiff und zwei niedrige Seitenſchiffe. Wenn aber eine Baſi-
lika die prachtvolle breite Giebelwand nach vorne ſtellt, und dieſelbe
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/436>, abgerufen am 22.11.2024.
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