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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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Kurfürst George Wilhelms aber wendete sich das Blatt; er erhielt
seine Güter zurück und wurde ausersehn, den Adam Schwarzen-
berg gefangen zu nehmen. Später kaufte er sich in Sachsen an
und wurde, durch weitre Verzweigung, der Stammvater der noch
blühenden Würtemberg'schen Linie. Das Bild Curt Bertrams be-
findet sich in Jahnsfelde. Er ist ein schöner Mann, blühend, noch
jung, voll klugen und energischen Ausdrucks. Seine Tracht, in
Koller und Klapphut, ist im Wesentlichen die eines schwedischen
Kriegsobersten.

Die andern Bilder -- und auch unter ihnen nur eine Aus-
wahl -- geb' ich in den Anmerkungen. Was der Jahnsfelder
Porträt-Gallerie einen Reiz verleiht und ihr unterscheidendes Merk-
mal bildet, ist, daß sie das Frostige eines sogenannten "Ahnen-
saals" durchaus vermeidet. Man steigt nicht erst treppauf, man
zieht nicht erst die verschoßnen Gardinen zurück, man sorgt nicht
erst, abstäubend und Fenster-öffnend, für Luft und Licht, -- in
Jahnsfelde lebt man mitten unter ihnen. Diese alten Herren
in Rüstung oder Perrücke, hier sind sie nicht zu steifer Repräsen-
tation da, sie sind nicht Fremde am eignen Heerde, man hat sich
häuslich-familiär mit ihnen eingerichtet; man kennt sie, man
liebt sie. Ein täglicher Verkehr hat Platz gegriffen zwischen denen
die waren und zwischen denen die sind; Aeltestes und Neustes
reichen sich die Hand; wie ein ununterbrochener Strom wandert
das Leben weiter von Geschlecht zu Geschlecht. Wohl mahnen auch
hier die Bilder berühmter Ahnen an das Vergängliche alles Irdi-
schen, aber sie predigen zugleich auch den Sieg des Geistes über
den Leib und entfalten still die Fahne, auf der als Zuruf und
Richtschnur das Dichterwort geschrieben steht:

"Und ein berühmter Name nach dem Tode!"



Kurfürſt George Wilhelms aber wendete ſich das Blatt; er erhielt
ſeine Güter zurück und wurde auserſehn, den Adam Schwarzen-
berg gefangen zu nehmen. Später kaufte er ſich in Sachſen an
und wurde, durch weitre Verzweigung, der Stammvater der noch
blühenden Würtemberg’ſchen Linie. Das Bild Curt Bertrams be-
findet ſich in Jahnsfelde. Er iſt ein ſchöner Mann, blühend, noch
jung, voll klugen und energiſchen Ausdrucks. Seine Tracht, in
Koller und Klapphut, iſt im Weſentlichen die eines ſchwediſchen
Kriegsoberſten.

Die andern Bilder — und auch unter ihnen nur eine Aus-
wahl — geb’ ich in den Anmerkungen. Was der Jahnsfelder
Porträt-Gallerie einen Reiz verleiht und ihr unterſcheidendes Merk-
mal bildet, iſt, daß ſie das Froſtige eines ſogenannten „Ahnen-
ſaals“ durchaus vermeidet. Man ſteigt nicht erſt treppauf, man
zieht nicht erſt die verſchoßnen Gardinen zurück, man ſorgt nicht
erſt, abſtäubend und Fenſter-öffnend, für Luft und Licht, — in
Jahnsfelde lebt man mitten unter ihnen. Dieſe alten Herren
in Rüſtung oder Perrücke, hier ſind ſie nicht zu ſteifer Repräſen-
tation da, ſie ſind nicht Fremde am eignen Heerde, man hat ſich
häuslich-familiär mit ihnen eingerichtet; man kennt ſie, man
liebt ſie. Ein täglicher Verkehr hat Platz gegriffen zwiſchen denen
die waren und zwiſchen denen die ſind; Aelteſtes und Neuſtes
reichen ſich die Hand; wie ein ununterbrochener Strom wandert
das Leben weiter von Geſchlecht zu Geſchlecht. Wohl mahnen auch
hier die Bilder berühmter Ahnen an das Vergängliche alles Irdi-
ſchen, aber ſie predigen zugleich auch den Sieg des Geiſtes über
den Leib und entfalten ſtill die Fahne, auf der als Zuruf und
Richtſchnur das Dichterwort geſchrieben ſteht:

„Und ein berühmter Name nach dem Tode!“



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[492/0504] Kurfürſt George Wilhelms aber wendete ſich das Blatt; er erhielt ſeine Güter zurück und wurde auserſehn, den Adam Schwarzen- berg gefangen zu nehmen. Später kaufte er ſich in Sachſen an und wurde, durch weitre Verzweigung, der Stammvater der noch blühenden Würtemberg’ſchen Linie. Das Bild Curt Bertrams be- findet ſich in Jahnsfelde. Er iſt ein ſchöner Mann, blühend, noch jung, voll klugen und energiſchen Ausdrucks. Seine Tracht, in Koller und Klapphut, iſt im Weſentlichen die eines ſchwediſchen Kriegsoberſten. Die andern Bilder — und auch unter ihnen nur eine Aus- wahl — geb’ ich in den Anmerkungen. Was der Jahnsfelder Porträt-Gallerie einen Reiz verleiht und ihr unterſcheidendes Merk- mal bildet, iſt, daß ſie das Froſtige eines ſogenannten „Ahnen- ſaals“ durchaus vermeidet. Man ſteigt nicht erſt treppauf, man zieht nicht erſt die verſchoßnen Gardinen zurück, man ſorgt nicht erſt, abſtäubend und Fenſter-öffnend, für Luft und Licht, — in Jahnsfelde lebt man mitten unter ihnen. Dieſe alten Herren in Rüſtung oder Perrücke, hier ſind ſie nicht zu ſteifer Repräſen- tation da, ſie ſind nicht Fremde am eignen Heerde, man hat ſich häuslich-familiär mit ihnen eingerichtet; man kennt ſie, man liebt ſie. Ein täglicher Verkehr hat Platz gegriffen zwiſchen denen die waren und zwiſchen denen die ſind; Aelteſtes und Neuſtes reichen ſich die Hand; wie ein ununterbrochener Strom wandert das Leben weiter von Geſchlecht zu Geſchlecht. Wohl mahnen auch hier die Bilder berühmter Ahnen an das Vergängliche alles Irdi- ſchen, aber ſie predigen zugleich auch den Sieg des Geiſtes über den Leib und entfalten ſtill die Fahne, auf der als Zuruf und Richtſchnur das Dichterwort geſchrieben ſteht: „Und ein berühmter Name nach dem Tode!“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/504>, abgerufen am 22.11.2024.