er nun mit dem Ganzen beliehen. (1693 wird durch den Herrenmeister Carl Philipp zu Brandenburg das Recht zur Belehnung in weiblicher Descendenz ausgesprochen.) Von 1696--1714 besitzt es Hans Ludwig v. Schoening, der Sohn des Berühmten. 1714 geht es an Hans Ludwigs einzige Tochter, an Luise Eleonore v. Schoening, vermählte v. Wreech über. Sie wird 1724 belehnt, laut des durch den Herrenmeister Carl Philipp zu Brandenburg 1693 ausgesprochenen Rechts: "wenn keine männlichen Lehnserben mehr am Leben, dann fallen die Lehne an die Descendenten weiblichen Geschlechts." Frau v. Wreech stirbt 1766. Von 1766--1785 Hofmarschall Friedr. Wilh. Theodor v. Wreech. Von 1785--1796 Domherr Ludwig Alex. v. Wreech. (Der letzte Wreech.) Graf Ludwig v. Wreech hatte Tamsel und Warnik an den Grafen Bogislaus v. Dönhoff auf Dönhoff- städt, den einzigen Sohn seiner Schwester, einer vermählten Gräfin Dönhoff vermacht, der seinerseits eine Schwerin zur Frau hatte. Von den 5 Töch- tern des Grafen B. v. Dönhoff war wiederum eine an einen Schwerin (Graf Hermann Schwerin-Wolfshagen) verheirathet. Durch diese Verheira- thung kam Tamsel an die Schwerins. Der gegenwärtige Besitzer, Graf Bogislav, ist ein Sohn des Grafen Hermann Schwerin-Wolfshagen.
2. Der Tamsler Park.
Ueber die schöne Lage Tamsels habe ich schon S. 15 einige kurze An- deutungen gegeben. In früheren Zeiten hieß es die "Oase in der Wüste" und noch jetzt hat es Anspruch auf jede rühmende Bezeichnung, wenn auch freilich die dem Ackerbau und wenigstens dem üppigsten Wiesewachs ge- wonnenen Gegenden des Warthebruchs, für die Umgebung Tamsels die Be- zeichnung "Wüste" nicht länger zulässig erscheinen lassen.
Das Terrain, auf dem Tamsel liegt, hat viel Aehnlichkeit mit den schönen Oderbruch-Parthieen zwischen Falkenberg und Freienwalde. Im Rücken eine Bergwand, mehr oder weniger steil, hier und dort durch eine Schlucht durchbrochen und überall mit Laub- und Nadelholz bestanden; am Fuß dieser Bergwand ein Dorf und zu Füßen des Dorfs ein Wiesen- grund, oft überschwemmt und immer von Flußarmen durchzogen. So ist das Freienwalder Terrain; so ist auch die Landschaft um Tamsel her.
Das Dorf Tamsel zieht sich unmittelbar am Fuß des Hügels hin, zu Anfang und Ende wie ein Quersack sich ausbreitend, in seiner Mitte aber zu einer schmalen Straße sich verengend, weil eben hier der Park mit Schloß und Kirche sich einschiebt. Eigentlich theilt der Park, der in einen Außen- und Innenpark zerfällt, das Dorf in eine östliche und west- liche Hälfte, eine Theilung, die aber wenig bemerkt wird und noch weniger stört, da der Dorfverkehr unbehindert am Park entlang oder auch durch diesen hindurch geht. Ein solches Zusammengewachsensein von Dorf und Schloß thut immer wohl und jeder Theil, zunächst nur malerisch genom- men, hat den Vortheil davon. Der Park kommt der Dorfstraße und diese
er nun mit dem Ganzen beliehen. (1693 wird durch den Herrenmeiſter Carl Philipp zu Brandenburg das Recht zur Belehnung in weiblicher Deſcendenz ausgeſprochen.) Von 1696—1714 beſitzt es Hans Ludwig v. Schoening, der Sohn des Berühmten. 1714 geht es an Hans Ludwigs einzige Tochter, an Luiſe Eleonore v. Schoening, vermählte v. Wreech über. Sie wird 1724 belehnt, laut des durch den Herrenmeiſter Carl Philipp zu Brandenburg 1693 ausgeſprochenen Rechts: „wenn keine männlichen Lehnserben mehr am Leben, dann fallen die Lehne an die Deſcendenten weiblichen Geſchlechts.“ Frau v. Wreech ſtirbt 1766. Von 1766—1785 Hofmarſchall Friedr. Wilh. Theodor v. Wreech. Von 1785—1796 Domherr Ludwig Alex. v. Wreech. (Der letzte Wreech.) Graf Ludwig v. Wreech hatte Tamſel und Warnik an den Grafen Bogislaus v. Dönhoff auf Dönhoff- ſtädt, den einzigen Sohn ſeiner Schweſter, einer vermählten Gräfin Dönhoff vermacht, der ſeinerſeits eine Schwerin zur Frau hatte. Von den 5 Töch- tern des Grafen B. v. Dönhoff war wiederum eine an einen Schwerin (Graf Hermann Schwerin-Wolfshagen) verheirathet. Durch dieſe Verheira- thung kam Tamſel an die Schwerins. Der gegenwärtige Beſitzer, Graf Bogislav, iſt ein Sohn des Grafen Hermann Schwerin-Wolfshagen.
2. Der Tamſler Park.
Ueber die ſchöne Lage Tamſels habe ich ſchon S. 15 einige kurze An- deutungen gegeben. In früheren Zeiten hieß es die „Oaſe in der Wüſte“ und noch jetzt hat es Anſpruch auf jede rühmende Bezeichnung, wenn auch freilich die dem Ackerbau und wenigſtens dem üppigſten Wieſewachs ge- wonnenen Gegenden des Warthebruchs, für die Umgebung Tamſels die Be- zeichnung „Wüſte“ nicht länger zuläſſig erſcheinen laſſen.
Das Terrain, auf dem Tamſel liegt, hat viel Aehnlichkeit mit den ſchönen Oderbruch-Parthieen zwiſchen Falkenberg und Freienwalde. Im Rücken eine Bergwand, mehr oder weniger ſteil, hier und dort durch eine Schlucht durchbrochen und überall mit Laub- und Nadelholz beſtanden; am Fuß dieſer Bergwand ein Dorf und zu Füßen des Dorfs ein Wieſen- grund, oft überſchwemmt und immer von Flußarmen durchzogen. So iſt das Freienwalder Terrain; ſo iſt auch die Landſchaft um Tamſel her.
Das Dorf Tamſel zieht ſich unmittelbar am Fuß des Hügels hin, zu Anfang und Ende wie ein Querſack ſich ausbreitend, in ſeiner Mitte aber zu einer ſchmalen Straße ſich verengend, weil eben hier der Park mit Schloß und Kirche ſich einſchiebt. Eigentlich theilt der Park, der in einen Außen- und Innenpark zerfällt, das Dorf in eine öſtliche und weſt- liche Hälfte, eine Theilung, die aber wenig bemerkt wird und noch weniger ſtört, da der Dorfverkehr unbehindert am Park entlang oder auch durch dieſen hindurch geht. Ein ſolches Zuſammengewachſenſein von Dorf und Schloß thut immer wohl und jeder Theil, zunächſt nur maleriſch genom- men, hat den Vortheil davon. Der Park kommt der Dorfſtraße und dieſe
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0514"n="502"/>
er nun mit dem Ganzen beliehen. (<hirendition="#g">1693</hi> wird durch den Herrenmeiſter<lb/>
Carl Philipp zu Brandenburg das Recht zur Belehnung in weiblicher<lb/>
Deſcendenz ausgeſprochen.) Von 1696—1714 beſitzt es Hans Ludwig v.<lb/>
Schoening, der Sohn des Berühmten. 1714 geht es an Hans Ludwigs<lb/>
einzige Tochter, an Luiſe Eleonore v. Schoening, vermählte v. Wreech über.<lb/>
Sie wird 1724 belehnt, laut des durch den Herrenmeiſter Carl Philipp<lb/>
zu Brandenburg 1693 ausgeſprochenen Rechts: „wenn keine männlichen<lb/>
Lehnserben mehr am Leben, dann fallen die Lehne an die Deſcendenten<lb/><hirendition="#g">weiblichen</hi> Geſchlechts.“ Frau v. Wreech ſtirbt 1766. Von 1766—1785<lb/>
Hofmarſchall Friedr. Wilh. Theodor v. Wreech. Von 1785—1796 Domherr<lb/>
Ludwig Alex. v. Wreech. (Der letzte Wreech.) Graf Ludwig v. Wreech hatte<lb/>
Tamſel und Warnik an den Grafen Bogislaus v. Dönhoff auf Dönhoff-<lb/>ſtädt, den einzigen Sohn ſeiner Schweſter, einer vermählten Gräfin Dönhoff<lb/>
vermacht, der ſeinerſeits eine Schwerin zur Frau hatte. Von den 5 Töch-<lb/>
tern des Grafen B. v. Dönhoff war wiederum eine an einen Schwerin<lb/>
(Graf Hermann Schwerin-Wolfshagen) verheirathet. Durch dieſe Verheira-<lb/>
thung kam Tamſel an die Schwerins. Der gegenwärtige Beſitzer, Graf<lb/>
Bogislav, iſt ein Sohn des Grafen Hermann Schwerin-Wolfshagen.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">2. Der Tamſler Park.</hi></head><lb/><p>Ueber die ſchöne Lage Tamſels habe ich ſchon S. 15 einige kurze An-<lb/>
deutungen gegeben. In früheren Zeiten hieß es die „Oaſe in der Wüſte“<lb/>
und noch jetzt hat es Anſpruch auf jede rühmende Bezeichnung, wenn auch<lb/>
freilich die dem Ackerbau und wenigſtens dem üppigſten Wieſewachs ge-<lb/>
wonnenen Gegenden des Warthebruchs, für die Umgebung Tamſels die Be-<lb/>
zeichnung „Wüſte“ nicht länger zuläſſig erſcheinen laſſen.</p><lb/><p>Das Terrain, auf dem Tamſel liegt, hat viel Aehnlichkeit mit den<lb/>ſchönen Oderbruch-Parthieen zwiſchen Falkenberg und Freienwalde. Im<lb/>
Rücken eine Bergwand, mehr oder weniger ſteil, hier und dort durch eine<lb/>
Schlucht durchbrochen und überall mit Laub- und Nadelholz beſtanden;<lb/>
am Fuß dieſer Bergwand ein Dorf und zu Füßen des Dorfs ein Wieſen-<lb/>
grund, oft überſchwemmt und immer von Flußarmen durchzogen. So iſt<lb/>
das Freienwalder Terrain; ſo iſt auch die Landſchaft um Tamſel her.</p><lb/><p>Das Dorf Tamſel zieht ſich unmittelbar am Fuß des Hügels hin, zu<lb/>
Anfang und Ende wie ein Querſack ſich ausbreitend, in ſeiner Mitte aber<lb/>
zu einer ſchmalen Straße ſich verengend, weil eben hier der <hirendition="#g">Park mit<lb/>
Schloß und Kirche</hi>ſich einſchiebt. Eigentlich theilt der Park, der in<lb/>
einen Außen- und Innenpark zerfällt, das Dorf in eine öſtliche und weſt-<lb/>
liche Hälfte, eine Theilung, die aber wenig bemerkt wird und noch weniger<lb/>ſtört, da der Dorfverkehr unbehindert am Park entlang oder auch durch<lb/>
dieſen hindurch geht. Ein ſolches Zuſammengewachſenſein von Dorf und<lb/>
Schloß thut immer wohl und jeder Theil, zunächſt nur maleriſch genom-<lb/>
men, hat den Vortheil davon. Der Park kommt der Dorfſtraße und dieſe<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[502/0514]
er nun mit dem Ganzen beliehen. (1693 wird durch den Herrenmeiſter
Carl Philipp zu Brandenburg das Recht zur Belehnung in weiblicher
Deſcendenz ausgeſprochen.) Von 1696—1714 beſitzt es Hans Ludwig v.
Schoening, der Sohn des Berühmten. 1714 geht es an Hans Ludwigs
einzige Tochter, an Luiſe Eleonore v. Schoening, vermählte v. Wreech über.
Sie wird 1724 belehnt, laut des durch den Herrenmeiſter Carl Philipp
zu Brandenburg 1693 ausgeſprochenen Rechts: „wenn keine männlichen
Lehnserben mehr am Leben, dann fallen die Lehne an die Deſcendenten
weiblichen Geſchlechts.“ Frau v. Wreech ſtirbt 1766. Von 1766—1785
Hofmarſchall Friedr. Wilh. Theodor v. Wreech. Von 1785—1796 Domherr
Ludwig Alex. v. Wreech. (Der letzte Wreech.) Graf Ludwig v. Wreech hatte
Tamſel und Warnik an den Grafen Bogislaus v. Dönhoff auf Dönhoff-
ſtädt, den einzigen Sohn ſeiner Schweſter, einer vermählten Gräfin Dönhoff
vermacht, der ſeinerſeits eine Schwerin zur Frau hatte. Von den 5 Töch-
tern des Grafen B. v. Dönhoff war wiederum eine an einen Schwerin
(Graf Hermann Schwerin-Wolfshagen) verheirathet. Durch dieſe Verheira-
thung kam Tamſel an die Schwerins. Der gegenwärtige Beſitzer, Graf
Bogislav, iſt ein Sohn des Grafen Hermann Schwerin-Wolfshagen.
2. Der Tamſler Park.
Ueber die ſchöne Lage Tamſels habe ich ſchon S. 15 einige kurze An-
deutungen gegeben. In früheren Zeiten hieß es die „Oaſe in der Wüſte“
und noch jetzt hat es Anſpruch auf jede rühmende Bezeichnung, wenn auch
freilich die dem Ackerbau und wenigſtens dem üppigſten Wieſewachs ge-
wonnenen Gegenden des Warthebruchs, für die Umgebung Tamſels die Be-
zeichnung „Wüſte“ nicht länger zuläſſig erſcheinen laſſen.
Das Terrain, auf dem Tamſel liegt, hat viel Aehnlichkeit mit den
ſchönen Oderbruch-Parthieen zwiſchen Falkenberg und Freienwalde. Im
Rücken eine Bergwand, mehr oder weniger ſteil, hier und dort durch eine
Schlucht durchbrochen und überall mit Laub- und Nadelholz beſtanden;
am Fuß dieſer Bergwand ein Dorf und zu Füßen des Dorfs ein Wieſen-
grund, oft überſchwemmt und immer von Flußarmen durchzogen. So iſt
das Freienwalder Terrain; ſo iſt auch die Landſchaft um Tamſel her.
Das Dorf Tamſel zieht ſich unmittelbar am Fuß des Hügels hin, zu
Anfang und Ende wie ein Querſack ſich ausbreitend, in ſeiner Mitte aber
zu einer ſchmalen Straße ſich verengend, weil eben hier der Park mit
Schloß und Kirche ſich einſchiebt. Eigentlich theilt der Park, der in
einen Außen- und Innenpark zerfällt, das Dorf in eine öſtliche und weſt-
liche Hälfte, eine Theilung, die aber wenig bemerkt wird und noch weniger
ſtört, da der Dorfverkehr unbehindert am Park entlang oder auch durch
dieſen hindurch geht. Ein ſolches Zuſammengewachſenſein von Dorf und
Schloß thut immer wohl und jeder Theil, zunächſt nur maleriſch genom-
men, hat den Vortheil davon. Der Park kommt der Dorfſtraße und dieſe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/514>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.