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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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Unser Wagen hielt vor dem Krug. Mein Führer und Reise-
gefährte, der halb heimisch in Zorndorf war, rief nach dem Krü-
ger. Aus einem kleinen dürftigen Laden trat eine Hünengestalt
heraus, grüßte und stellte sich halb dienstlich neben den Wagentritt.
Seine riesige Gestalt und die kleine Ladenthür paßten wenig zu-
sammen; ein ähnlich komisches Verhältniß bestand zwischen seiner
Gestalt und seinem Namen.

"Guten Tag, Herr Nonnenprediger," begann die Unterhal-
tung. Der Angeredete erwiederte ruhig den Gruß, ohne eine Miene
zu verziehen.

"Herr Nonnenprediger", so fuhr mein Reisegefährte heiter
fort, "einer von den Bauern hier sammelt ja wohl alles, was auf
dem Schlachtfelde gefunden wird. Verlohnt es sich, bei ihm vor-
zufahren?"

Nonnenpredigers Mund verzog sich zu einem leisen Grinsen,
das deutlich errathen ließ, wie der Angeredete über "vaterländische
Alterthümer" dachte.

"Können Sie uns nicht ohngefähr sagen, was der Bauer
alles hat?

"Kanonenkugeln, Gewehrläufe, Schäfte, Flintensteine."

"Nicht den Lehnstuhl, drauf Friedrich der Große die Nacht
vorher geschlafen hat?"

"Nein, der steht in der Neu-Damm'schen Mühle."

"Sonst nichts?"

"Nicht daß ich wüßte."

"Dank schön. Guten Abend, Herr Nonnenprediger. -- Fahr zu!"

So ging es weiter, an der hübschen neuen Kirche vorbei
(die in einem runden Thurmfenster die Inschrift trägt: "Zur Er-
innerung an den 25. August 1758") über den Dorfdamm fort,
hinaus in's Freie.

Unmittelbar hinter Zorndorf, in der Richtung nach Norden
hin, beginnt das Schlachtfeld. Es ist ein Viereck, ziemlich genau
eine Quadratmeile groß, nach Westen hin von der Drewitzer Heide,
im Norden von der Mietzel, im Osten vom Ziecher Bach und im

Unſer Wagen hielt vor dem Krug. Mein Führer und Reiſe-
gefährte, der halb heimiſch in Zorndorf war, rief nach dem Krü-
ger. Aus einem kleinen dürftigen Laden trat eine Hünengeſtalt
heraus, grüßte und ſtellte ſich halb dienſtlich neben den Wagentritt.
Seine rieſige Geſtalt und die kleine Ladenthür paßten wenig zu-
ſammen; ein ähnlich komiſches Verhältniß beſtand zwiſchen ſeiner
Geſtalt und ſeinem Namen.

„Guten Tag, Herr Nonnenprediger,“ begann die Unterhal-
tung. Der Angeredete erwiederte ruhig den Gruß, ohne eine Miene
zu verziehen.

„Herr Nonnenprediger“, ſo fuhr mein Reiſegefährte heiter
fort, „einer von den Bauern hier ſammelt ja wohl alles, was auf
dem Schlachtfelde gefunden wird. Verlohnt es ſich, bei ihm vor-
zufahren?“

Nonnenpredigers Mund verzog ſich zu einem leiſen Grinſen,
das deutlich errathen ließ, wie der Angeredete über „vaterländiſche
Alterthümer“ dachte.

„Können Sie uns nicht ohngefähr ſagen, was der Bauer
alles hat?

„Kanonenkugeln, Gewehrläufe, Schäfte, Flintenſteine.“

„Nicht den Lehnſtuhl, drauf Friedrich der Große die Nacht
vorher geſchlafen hat?“

„Nein, der ſteht in der Neu-Damm’ſchen Mühle.“

„Sonſt nichts?“

„Nicht daß ich wüßte.“

„Dank ſchön. Guten Abend, Herr Nonnenprediger. — Fahr zu!“

So ging es weiter, an der hübſchen neuen Kirche vorbei
(die in einem runden Thurmfenſter die Inſchrift trägt: „Zur Er-
innerung an den 25. Auguſt 1758“) über den Dorfdamm fort,
hinaus in’s Freie.

Unmittelbar hinter Zorndorf, in der Richtung nach Norden
hin, beginnt das Schlachtfeld. Es iſt ein Viereck, ziemlich genau
eine Quadratmeile groß, nach Weſten hin von der Drewitzer Heide,
im Norden von der Mietzel, im Oſten vom Ziecher Bach und im

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[61/0073] Unſer Wagen hielt vor dem Krug. Mein Führer und Reiſe- gefährte, der halb heimiſch in Zorndorf war, rief nach dem Krü- ger. Aus einem kleinen dürftigen Laden trat eine Hünengeſtalt heraus, grüßte und ſtellte ſich halb dienſtlich neben den Wagentritt. Seine rieſige Geſtalt und die kleine Ladenthür paßten wenig zu- ſammen; ein ähnlich komiſches Verhältniß beſtand zwiſchen ſeiner Geſtalt und ſeinem Namen. „Guten Tag, Herr Nonnenprediger,“ begann die Unterhal- tung. Der Angeredete erwiederte ruhig den Gruß, ohne eine Miene zu verziehen. „Herr Nonnenprediger“, ſo fuhr mein Reiſegefährte heiter fort, „einer von den Bauern hier ſammelt ja wohl alles, was auf dem Schlachtfelde gefunden wird. Verlohnt es ſich, bei ihm vor- zufahren?“ Nonnenpredigers Mund verzog ſich zu einem leiſen Grinſen, das deutlich errathen ließ, wie der Angeredete über „vaterländiſche Alterthümer“ dachte. „Können Sie uns nicht ohngefähr ſagen, was der Bauer alles hat? „Kanonenkugeln, Gewehrläufe, Schäfte, Flintenſteine.“ „Nicht den Lehnſtuhl, drauf Friedrich der Große die Nacht vorher geſchlafen hat?“ „Nein, der ſteht in der Neu-Damm’ſchen Mühle.“ „Sonſt nichts?“ „Nicht daß ich wüßte.“ „Dank ſchön. Guten Abend, Herr Nonnenprediger. — Fahr zu!“ So ging es weiter, an der hübſchen neuen Kirche vorbei (die in einem runden Thurmfenſter die Inſchrift trägt: „Zur Er- innerung an den 25. Auguſt 1758“) über den Dorfdamm fort, hinaus in’s Freie. Unmittelbar hinter Zorndorf, in der Richtung nach Norden hin, beginnt das Schlachtfeld. Es iſt ein Viereck, ziemlich genau eine Quadratmeile groß, nach Weſten hin von der Drewitzer Heide, im Norden von der Mietzel, im Oſten vom Ziecher Bach und im

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/73>, abgerufen am 23.11.2024.