erhebt. Der Aufgang ist steil wie eine Wand und man kann deutlich erkennen, daß die anfangs sich allmählig abflachenden Wände, von dem Bauer, dem jetzt das Feld gehört, ab- und nie- dergepflügt wurden, um dadurch ein paar Quadratruthen mehr Ackerland zu gewinnen. Bauern-Egoismus ist sicherlich das einzig leitende Motiv dabei gewesen, aber der Egoismus ist hier zum Segen ausgeschlagen und der Hügel mit seinen nun steil abfallen- den Wänden, hie und da von Liguster und Distelbüschen über- wachsen, nimmt sich ganz trefflich aus, als Postament für den auf seiner Höhe errichteten Denkstein. Dieser Denkstein ist einfachster Art. Er besteht aus drei Granitstufen, auf deren oberster sich ein Oblong, ebenfalls aus Granit, erhebt; das Ganze ein etwa manns- hoher, höchst schlichter Steinbau, der früher an seiner Nordseite eine Inschrift trug. Man liest noch jetzt: "Hier stand Friedrich .... M.D.C.C.L.VIII." Alles andere ist verlöscht.
Das Monument ist schlicht genug; aber der Blick über das Schlachtfeld, nach dem alten Comthurei-Dorfe Quartschen hin, das jetzt grau und schattenhaft vor der dahinter gelagerten Abendröthe liegt, ist entzückend. Der Abend schickt einen Luftzug durch die Halme; ein leises Rauschen und Knistern; die Lerchen sind eben still geworden; aber von rechts und links her rufen jetzt die Unken über das Feld hin. Die hausen noch im Zaber- und Galgengrund, freilich nicht mehr so im Vollen wie sonst. Die beiden Gründe oder Erdklinsen haben längst aufgehört eigentliche Wasserrinnen zu sein, Cultur hat sie trocken gelegt, aber hie und da, wo nach wie vor ein Restchen Sumpfwasser in der Vertiefung steht, halten sich noch die alten Bewohner.
Die Sonne ist unter; aber noch ist es hell genug, um das ganze Terrain von dieser Stelle aus klar zu überblicken, und als ob das Uebersichtliche des Feldes, das Plastische der Lokalität, dem Heraufsteigen des ganzen Schlachtenbildes von ehemals zu Hülfe käme, so fängt das in Dämmer daliegende Feld an, sich mit russischen Carres zu beleben. Aber sie stehen nicht lange: von links her, aus der schattigen Tiefe des Zabergrundes herauf, steigen
erhebt. Der Aufgang iſt ſteil wie eine Wand und man kann deutlich erkennen, daß die anfangs ſich allmählig abflachenden Wände, von dem Bauer, dem jetzt das Feld gehört, ab- und nie- dergepflügt wurden, um dadurch ein paar Quadratruthen mehr Ackerland zu gewinnen. Bauern-Egoismus iſt ſicherlich das einzig leitende Motiv dabei geweſen, aber der Egoismus iſt hier zum Segen ausgeſchlagen und der Hügel mit ſeinen nun ſteil abfallen- den Wänden, hie und da von Liguſter und Diſtelbüſchen über- wachſen, nimmt ſich ganz trefflich aus, als Poſtament für den auf ſeiner Höhe errichteten Denkſtein. Dieſer Denkſtein iſt einfachſter Art. Er beſteht aus drei Granitſtufen, auf deren oberſter ſich ein Oblong, ebenfalls aus Granit, erhebt; das Ganze ein etwa manns- hoher, höchſt ſchlichter Steinbau, der früher an ſeiner Nordſeite eine Inſchrift trug. Man liest noch jetzt: „Hier ſtand Friedrich .... M.D.C.C.L.VIII.“ Alles andere iſt verlöſcht.
Das Monument iſt ſchlicht genug; aber der Blick über das Schlachtfeld, nach dem alten Comthurei-Dorfe Quartſchen hin, das jetzt grau und ſchattenhaft vor der dahinter gelagerten Abendröthe liegt, iſt entzückend. Der Abend ſchickt einen Luftzug durch die Halme; ein leiſes Rauſchen und Kniſtern; die Lerchen ſind eben ſtill geworden; aber von rechts und links her rufen jetzt die Unken über das Feld hin. Die hauſen noch im Zaber- und Galgengrund, freilich nicht mehr ſo im Vollen wie ſonſt. Die beiden Gründe oder Erdklinſen haben längſt aufgehört eigentliche Waſſerrinnen zu ſein, Cultur hat ſie trocken gelegt, aber hie und da, wo nach wie vor ein Reſtchen Sumpfwaſſer in der Vertiefung ſteht, halten ſich noch die alten Bewohner.
Die Sonne iſt unter; aber noch iſt es hell genug, um das ganze Terrain von dieſer Stelle aus klar zu überblicken, und als ob das Ueberſichtliche des Feldes, das Plaſtiſche der Lokalität, dem Heraufſteigen des ganzen Schlachtenbildes von ehemals zu Hülfe käme, ſo fängt das in Dämmer daliegende Feld an, ſich mit ruſſiſchen Carrés zu beleben. Aber ſie ſtehen nicht lange: von links her, aus der ſchattigen Tiefe des Zabergrundes herauf, ſteigen
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erhebt. Der Aufgang iſt ſteil wie eine Wand und man kann
deutlich erkennen, daß die anfangs ſich allmählig abflachenden
Wände, von dem Bauer, dem jetzt das Feld gehört, ab- und nie-
dergepflügt wurden, um dadurch ein paar Quadratruthen mehr
Ackerland zu gewinnen. Bauern-Egoismus iſt ſicherlich das einzig
leitende Motiv dabei geweſen, aber der Egoismus iſt hier zum
Segen ausgeſchlagen und der Hügel mit ſeinen nun ſteil abfallen-
den Wänden, hie und da von Liguſter und Diſtelbüſchen über-
wachſen, nimmt ſich ganz trefflich aus, als Poſtament für den auf
ſeiner Höhe errichteten Denkſtein. Dieſer Denkſtein iſt einfachſter
Art. Er beſteht aus drei Granitſtufen, auf deren oberſter ſich ein
Oblong, ebenfalls aus Granit, erhebt; das Ganze ein etwa manns-
hoher, höchſt ſchlichter Steinbau, der früher an ſeiner Nordſeite eine
Inſchrift trug. Man liest noch jetzt: „Hier ſtand Friedrich ....
M.D.C.C.L.VIII.“ Alles andere iſt verlöſcht.
Das Monument iſt ſchlicht genug; aber der Blick über das
Schlachtfeld, nach dem alten Comthurei-Dorfe Quartſchen hin, das
jetzt grau und ſchattenhaft vor der dahinter gelagerten Abendröthe
liegt, iſt entzückend. Der Abend ſchickt einen Luftzug durch die
Halme; ein leiſes Rauſchen und Kniſtern; die Lerchen ſind eben
ſtill geworden; aber von rechts und links her rufen jetzt die Unken
über das Feld hin. Die hauſen noch im Zaber- und Galgengrund,
freilich nicht mehr ſo im Vollen wie ſonſt. Die beiden Gründe
oder Erdklinſen haben längſt aufgehört eigentliche Waſſerrinnen zu
ſein, Cultur hat ſie trocken gelegt, aber hie und da, wo nach wie
vor ein Reſtchen Sumpfwaſſer in der Vertiefung ſteht, halten ſich
noch die alten Bewohner.
Die Sonne iſt unter; aber noch iſt es hell genug, um das
ganze Terrain von dieſer Stelle aus klar zu überblicken, und als
ob das Ueberſichtliche des Feldes, das Plaſtiſche der Lokalität, dem
Heraufſteigen des ganzen Schlachtenbildes von ehemals zu Hülfe
käme, ſo fängt das in Dämmer daliegende Feld an, ſich mit
ruſſiſchen Carrés zu beleben. Aber ſie ſtehen nicht lange: von links
her, aus der ſchattigen Tiefe des Zabergrundes herauf, ſteigen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/76>, abgerufen am 23.11.2024.
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