Pfaueninsel! Wie ein Märchen steigt ein Bild aus meinen Kindertagen vor mir auf: ein Schloß, Palmen und Känguruhs; Papageien kreischen; Pfauen sitzen auf hoher Stange oder schla- gen ein Rad; Volieren, Springbrunnen, überschattete Wiesen; Schlängelpfade, die überall hin führen und nirgends; ein räthsel- volles Eiland, eine Oase, ein Blumenteppich inmitten der Mark.
Aber so war es nicht immer hier. All das zählt erst nach Jahrzehnten und noch zu Ende der 90er Jahre war diese Havel- insel (übrigens die größte, die die Havel besitzt) eine bloße roman- tische Wildniß, die sich aus Eichen, Unterholz und allerhand Schlinggewächs zusammensetzte. An manchen Stellen urwaldartig, undurchdringlich. Um das ganze 2000 Schritt lange und über 500 Schritt breite Eiland zog sich ein Gürtel von Uferschilf, darin wildes Geflügel zu Tausenden nistete. Dann und wann, wenn im Grunewald die Jagd tobte, schwamm ein geängsteter Hirsch über die Schmalung an der Südwestspitze und suchte Schutz bei der Einsamkeit der Insel.
So war es unter den Joachims, auch noch unter dem Gro- ßen Kurfürsten. Wer nicht ein Jäger war, oder das Schilf am Ufer schnitt, der wußte kaum von einer solchen Insel im Havelstrom, die durch alle Jahrhunderte hin namenlos geblie- ben war.
Erst 1683, also während der letzten Jahre des Großen Kurfürsten, trat die namenlose Insel, die inzwischen ein
Die Pfaueninſel.
1. Die Pfaueninſel bis 1685.
Pfaueninſel! Wie ein Märchen ſteigt ein Bild aus meinen Kindertagen vor mir auf: ein Schloß, Palmen und Känguruhs; Papageien kreiſchen; Pfauen ſitzen auf hoher Stange oder ſchla- gen ein Rad; Volièren, Springbrunnen, überſchattete Wieſen; Schlängelpfade, die überall hin führen und nirgends; ein räthſel- volles Eiland, eine Oaſe, ein Blumenteppich inmitten der Mark.
Aber ſo war es nicht immer hier. All das zählt erſt nach Jahrzehnten und noch zu Ende der 90er Jahre war dieſe Havel- inſel (übrigens die größte, die die Havel beſitzt) eine bloße roman- tiſche Wildniß, die ſich aus Eichen, Unterholz und allerhand Schlinggewächs zuſammenſetzte. An manchen Stellen urwaldartig, undurchdringlich. Um das ganze 2000 Schritt lange und über 500 Schritt breite Eiland zog ſich ein Gürtel von Uferſchilf, darin wildes Geflügel zu Tauſenden niſtete. Dann und wann, wenn im Grunewald die Jagd tobte, ſchwamm ein geängſteter Hirſch über die Schmalung an der Südweſtſpitze und ſuchte Schutz bei der Einſamkeit der Inſel.
So war es unter den Joachims, auch noch unter dem Gro- ßen Kurfürſten. Wer nicht ein Jäger war, oder das Schilf am Ufer ſchnitt, der wußte kaum von einer ſolchen Inſel im Havelſtrom, die durch alle Jahrhunderte hin namenlos geblie- ben war.
Erſt 1683, alſo während der letzten Jahre des Großen Kurfürſten, trat die namenloſe Inſel, die inzwiſchen ein
<TEI><text><body><pbfacs="#f0162"n="[144]"/><divn="1"><head><hirendition="#b">Die Pfaueninſel.</hi></head><lb/><divn="2"><head>1.<lb/><hirendition="#g">Die Pfaueninſel bis 1685</hi>.</head><lb/><p><hirendition="#in">P</hi>faueninſel! Wie ein Märchen ſteigt ein Bild aus meinen<lb/>
Kindertagen vor mir auf: ein Schloß, Palmen und Känguruhs;<lb/>
Papageien kreiſchen; Pfauen ſitzen auf hoher Stange oder ſchla-<lb/>
gen ein Rad; Voli<hirendition="#aq">è</hi>ren, Springbrunnen, überſchattete Wieſen;<lb/>
Schlängelpfade, die überall hin führen und nirgends; ein räthſel-<lb/>
volles Eiland, eine Oaſe, ein Blumenteppich inmitten der Mark.</p><lb/><p>Aber ſo war es nicht immer hier. All das zählt erſt nach<lb/>
Jahrzehnten und noch zu Ende der 90er Jahre war dieſe Havel-<lb/>
inſel (übrigens die größte, die die Havel beſitzt) eine bloße roman-<lb/>
tiſche Wildniß, die ſich aus Eichen, Unterholz und allerhand<lb/>
Schlinggewächs zuſammenſetzte. An manchen Stellen urwaldartig,<lb/>
undurchdringlich. Um das ganze 2000 Schritt lange und über<lb/>
500 Schritt breite Eiland zog ſich ein Gürtel von Uferſchilf,<lb/>
darin wildes Geflügel zu Tauſenden niſtete. Dann und wann,<lb/>
wenn im Grunewald die Jagd tobte, ſchwamm ein geängſteter<lb/>
Hirſch über die Schmalung an der Südweſtſpitze und ſuchte<lb/>
Schutz bei der Einſamkeit der Inſel.</p><lb/><p>So war es unter den Joachims, auch noch unter dem Gro-<lb/>
ßen Kurfürſten. Wer nicht ein Jäger war, oder das Schilf<lb/>
am Ufer ſchnitt, der wußte kaum von einer ſolchen Inſel im<lb/>
Havelſtrom, die durch alle Jahrhunderte hin namenlos geblie-<lb/>
ben war.</p><lb/><p>Erſt 1683, alſo während der letzten Jahre des Großen<lb/>
Kurfürſten, trat die namenloſe Inſel, die inzwiſchen ein<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[144]/0162]
Die Pfaueninſel.
1.
Die Pfaueninſel bis 1685.
Pfaueninſel! Wie ein Märchen ſteigt ein Bild aus meinen
Kindertagen vor mir auf: ein Schloß, Palmen und Känguruhs;
Papageien kreiſchen; Pfauen ſitzen auf hoher Stange oder ſchla-
gen ein Rad; Volièren, Springbrunnen, überſchattete Wieſen;
Schlängelpfade, die überall hin führen und nirgends; ein räthſel-
volles Eiland, eine Oaſe, ein Blumenteppich inmitten der Mark.
Aber ſo war es nicht immer hier. All das zählt erſt nach
Jahrzehnten und noch zu Ende der 90er Jahre war dieſe Havel-
inſel (übrigens die größte, die die Havel beſitzt) eine bloße roman-
tiſche Wildniß, die ſich aus Eichen, Unterholz und allerhand
Schlinggewächs zuſammenſetzte. An manchen Stellen urwaldartig,
undurchdringlich. Um das ganze 2000 Schritt lange und über
500 Schritt breite Eiland zog ſich ein Gürtel von Uferſchilf,
darin wildes Geflügel zu Tauſenden niſtete. Dann und wann,
wenn im Grunewald die Jagd tobte, ſchwamm ein geängſteter
Hirſch über die Schmalung an der Südweſtſpitze und ſuchte
Schutz bei der Einſamkeit der Inſel.
So war es unter den Joachims, auch noch unter dem Gro-
ßen Kurfürſten. Wer nicht ein Jäger war, oder das Schilf
am Ufer ſchnitt, der wußte kaum von einer ſolchen Inſel im
Havelſtrom, die durch alle Jahrhunderte hin namenlos geblie-
ben war.
Erſt 1683, alſo während der letzten Jahre des Großen
Kurfürſten, trat die namenloſe Inſel, die inzwiſchen ein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. [144]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/162>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.