Es soll hier manches erlebt worden sein, namentlich unter den Winnings; die Kirche aber erzählt nur von den Rib- becks.
Beim Eintreten in dieselbe überrascht die verhältnißmäßig große Zahl von Bildwerken, namentlich in Stein.
An der Wand uns gegenüber bemerken wir, dicht neben- einander, die Epitaphien zweier Hans Georg v. Ribbeck, Vater und Sohn. Der Vater, noch der Schwedenzeit angehörig, der Sohn aus der höfischen, französirten Zeit Friedrichs I. Eben diesen Unterschied zeigen auch die hautrelief-artigen Steinbilder. Der ältere Hans Georg, in Brustharnisch und Beinschienen, wie ein Derfflingerscher Reiterführer; der jüngere in einem Roquelaur mit mächtigen Aufschlägen und Seitentaschen, auf dem Haupt eine Kappe von Scharlach-Sammt, fast in Form einer Bischofsmütze. Das Ganze in einem bestimmten, künstlich gegebenen Farbenton; die Kappe roth gemalt. Dieser jüngere Hans Georg war ein brandenburgischer Domherr, vielleicht auch -- wenn ich das Bild richtig interpretire -- ein Mann der Wissenschaft. Er tritt, einen Vorhang zurückschlagend, aus diesem hervor und legt seine Rechte auf einen Schädel. Das Ganze eine vortreffliche Arbeit, und in Auffassung wie technischer Durchführung an das berühmte Sparr-Denkmal in unsrer Ber- liner Marien-Kirche erinnernd.
Beide Hans Georg v. Ribbeck finden wir auch in der Gruft der Kirche wieder. Wie sie im Schiff, in bildlicher Dar- stellung, nebeneinander stehen, so liegen sie hier nebeneinander. Wohlerhalten, denn die Groß-Glinicker Gruft gehört zu den vielen in der Mark, in denen die beigesetzten Leichen zu Mumien werden. Wir steigen hinab. Der Sargdeckel des zuvorderst stehenden Hans Georg (des Domherrn) ließ sich ohne Mühe aufheben. Da lag er, in Roquelaur und rother Sammtkappe, in allem Aeußerlichen von beinahe gespenstischer Aehnlichkeit mit dem Hautreliefbilde, das ich eben im Schiff der Kirche gesehen hatte. Ganz ersichtlich hat man bei einer erst kürzlich statt- gehabten Uebermalung die Gruft zu Rathe gezogen und das
Fontane, Wanderungen. III. 11
Es ſoll hier manches erlebt worden ſein, namentlich unter den Winnings; die Kirche aber erzählt nur von den Rib- becks.
Beim Eintreten in dieſelbe überraſcht die verhältnißmäßig große Zahl von Bildwerken, namentlich in Stein.
An der Wand uns gegenüber bemerken wir, dicht neben- einander, die Epitaphien zweier Hans Georg v. Ribbeck, Vater und Sohn. Der Vater, noch der Schwedenzeit angehörig, der Sohn aus der höfiſchen, franzöſirten Zeit Friedrichs I. Eben dieſen Unterſchied zeigen auch die hautrelief-artigen Steinbilder. Der ältere Hans Georg, in Bruſtharniſch und Beinſchienen, wie ein Derfflingerſcher Reiterführer; der jüngere in einem Roquelaur mit mächtigen Aufſchlägen und Seitentaſchen, auf dem Haupt eine Kappe von Scharlach-Sammt, faſt in Form einer Biſchofsmütze. Das Ganze in einem beſtimmten, künſtlich gegebenen Farbenton; die Kappe roth gemalt. Dieſer jüngere Hans Georg war ein brandenburgiſcher Domherr, vielleicht auch — wenn ich das Bild richtig interpretire — ein Mann der Wiſſenſchaft. Er tritt, einen Vorhang zurückſchlagend, aus dieſem hervor und legt ſeine Rechte auf einen Schädel. Das Ganze eine vortreffliche Arbeit, und in Auffaſſung wie techniſcher Durchführung an das berühmte Sparr-Denkmal in unſrer Ber- liner Marien-Kirche erinnernd.
Beide Hans Georg v. Ribbeck finden wir auch in der Gruft der Kirche wieder. Wie ſie im Schiff, in bildlicher Dar- ſtellung, nebeneinander ſtehen, ſo liegen ſie hier nebeneinander. Wohlerhalten, denn die Groß-Glinicker Gruft gehört zu den vielen in der Mark, in denen die beigeſetzten Leichen zu Mumien werden. Wir ſteigen hinab. Der Sargdeckel des zuvorderſt ſtehenden Hans Georg (des Domherrn) ließ ſich ohne Mühe aufheben. Da lag er, in Roquelaur und rother Sammtkappe, in allem Aeußerlichen von beinahe geſpenſtiſcher Aehnlichkeit mit dem Hautreliefbilde, das ich eben im Schiff der Kirche geſehen hatte. Ganz erſichtlich hat man bei einer erſt kürzlich ſtatt- gehabten Uebermalung die Gruft zu Rathe gezogen und das
Fontane, Wanderungen. III. 11
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0179"n="161"/><p>Es ſoll hier manches erlebt worden ſein, namentlich unter<lb/>
den Winnings; die Kirche aber erzählt nur von den <hirendition="#g">Rib-<lb/>
becks</hi>.</p><lb/><p>Beim Eintreten in dieſelbe überraſcht die verhältnißmäßig<lb/>
große Zahl von Bildwerken, namentlich in Stein.</p><lb/><p>An der Wand uns gegenüber bemerken wir, dicht neben-<lb/>
einander, die Epitaphien <hirendition="#g">zweier</hi> Hans Georg v. Ribbeck, Vater<lb/>
und Sohn. Der Vater, noch der Schwedenzeit angehörig, der<lb/>
Sohn aus der höfiſchen, franzöſirten Zeit Friedrichs <hirendition="#aq">I.</hi> Eben<lb/>
dieſen Unterſchied zeigen auch die hautrelief-artigen Steinbilder.<lb/>
Der ältere Hans Georg, in Bruſtharniſch und Beinſchienen,<lb/>
wie ein Derfflingerſcher Reiterführer; der jüngere in einem<lb/>
Roquelaur mit mächtigen Aufſchlägen und Seitentaſchen, auf<lb/>
dem Haupt eine Kappe von Scharlach-Sammt, faſt in Form<lb/>
einer Biſchofsmütze. Das Ganze in einem beſtimmten, künſtlich<lb/>
gegebenen Farbenton; die Kappe roth gemalt. Dieſer jüngere<lb/>
Hans Georg war ein brandenburgiſcher Domherr, vielleicht auch<lb/>— wenn ich das Bild richtig interpretire — ein Mann der<lb/>
Wiſſenſchaft. Er tritt, einen Vorhang zurückſchlagend, aus dieſem<lb/>
hervor und legt ſeine Rechte auf einen Schädel. Das Ganze<lb/>
eine vortreffliche Arbeit, und in Auffaſſung wie techniſcher<lb/>
Durchführung an das berühmte Sparr-Denkmal in unſrer Ber-<lb/>
liner Marien-Kirche erinnernd.</p><lb/><p><hirendition="#g">Beide</hi> Hans Georg v. Ribbeck finden wir auch in der<lb/>
Gruft der Kirche wieder. Wie ſie im Schiff, in bildlicher Dar-<lb/>ſtellung, nebeneinander ſtehen, ſo liegen ſie hier nebeneinander.<lb/>
Wohlerhalten, denn die Groß-Glinicker Gruft gehört zu den<lb/>
vielen in der Mark, in denen die beigeſetzten Leichen zu Mumien<lb/>
werden. Wir ſteigen hinab. Der Sargdeckel des zuvorderſt<lb/>ſtehenden Hans Georg (des Domherrn) ließ ſich ohne Mühe<lb/>
aufheben. Da lag er, in Roquelaur und rother Sammtkappe,<lb/>
in allem Aeußerlichen von beinahe geſpenſtiſcher Aehnlichkeit mit<lb/>
dem Hautreliefbilde, das ich eben im Schiff der Kirche geſehen<lb/>
hatte. Ganz erſichtlich hat man bei einer erſt kürzlich ſtatt-<lb/>
gehabten Uebermalung die Gruft zu Rathe gezogen und das<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Fontane</hi>, Wanderungen. <hirendition="#aq">III.</hi> 11</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[161/0179]
Es ſoll hier manches erlebt worden ſein, namentlich unter
den Winnings; die Kirche aber erzählt nur von den Rib-
becks.
Beim Eintreten in dieſelbe überraſcht die verhältnißmäßig
große Zahl von Bildwerken, namentlich in Stein.
An der Wand uns gegenüber bemerken wir, dicht neben-
einander, die Epitaphien zweier Hans Georg v. Ribbeck, Vater
und Sohn. Der Vater, noch der Schwedenzeit angehörig, der
Sohn aus der höfiſchen, franzöſirten Zeit Friedrichs I. Eben
dieſen Unterſchied zeigen auch die hautrelief-artigen Steinbilder.
Der ältere Hans Georg, in Bruſtharniſch und Beinſchienen,
wie ein Derfflingerſcher Reiterführer; der jüngere in einem
Roquelaur mit mächtigen Aufſchlägen und Seitentaſchen, auf
dem Haupt eine Kappe von Scharlach-Sammt, faſt in Form
einer Biſchofsmütze. Das Ganze in einem beſtimmten, künſtlich
gegebenen Farbenton; die Kappe roth gemalt. Dieſer jüngere
Hans Georg war ein brandenburgiſcher Domherr, vielleicht auch
— wenn ich das Bild richtig interpretire — ein Mann der
Wiſſenſchaft. Er tritt, einen Vorhang zurückſchlagend, aus dieſem
hervor und legt ſeine Rechte auf einen Schädel. Das Ganze
eine vortreffliche Arbeit, und in Auffaſſung wie techniſcher
Durchführung an das berühmte Sparr-Denkmal in unſrer Ber-
liner Marien-Kirche erinnernd.
Beide Hans Georg v. Ribbeck finden wir auch in der
Gruft der Kirche wieder. Wie ſie im Schiff, in bildlicher Dar-
ſtellung, nebeneinander ſtehen, ſo liegen ſie hier nebeneinander.
Wohlerhalten, denn die Groß-Glinicker Gruft gehört zu den
vielen in der Mark, in denen die beigeſetzten Leichen zu Mumien
werden. Wir ſteigen hinab. Der Sargdeckel des zuvorderſt
ſtehenden Hans Georg (des Domherrn) ließ ſich ohne Mühe
aufheben. Da lag er, in Roquelaur und rother Sammtkappe,
in allem Aeußerlichen von beinahe geſpenſtiſcher Aehnlichkeit mit
dem Hautreliefbilde, das ich eben im Schiff der Kirche geſehen
hatte. Ganz erſichtlich hat man bei einer erſt kürzlich ſtatt-
gehabten Uebermalung die Gruft zu Rathe gezogen und das
Fontane, Wanderungen. III. 11
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/179>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.