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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Stunde und Stimmung waren günstig zum Plaudern.
Unser Schwilow-Führer nahm das Wort und an den Rand
des Schattens tretend, der unsern Platz umzirkelte, hob er jetzt
geschäftig an: "Dort, wo Sie den grauen Streifen sehen, fast
in der Mitte, aber mehr nach Caput zu, dort liegen die Schiffe,
die der Schwilow hinabgerissen; was er hat, das hält er fest;
er giebt sie schwer wieder heraus. Und doch soll er's, und
doch wird er darum angegangen. Die Versicherungs-Gesell-
schaften setzen ihm scharf zu und fragen nicht lange, ob er will
oder nicht. Es ist noch nicht lange, da haben sie's wieder ver-
sucht. In Caput giebt das immer einen Freudentag; ob's
glückt oder nicht, es bringt uns Geld ins Dorf.

Wie werden denn diese Hebungs-Versuche gemacht?

Das ist einfach genug. Eines Tages erscheinen 20 Mann
oder mehr, und mit ihnen kommen zwei große, starke Havel-
kähne, mit hohen Wänden, zugleich mit allerhand Maschinen
und Hebevorrichtungen an Bord. Nun legen sich die beiden
Havelkähne zu Seiten des untergegangenen Schiffes, von einem
Kahn zum anderen werden drei starke Bohlenbrücken gelegt und
auf diese Brücken drei Drehbassen gestellt. Ein Assecuranz-
Taucher, der immer mit zur Stelle ist und zu den Haupt-
functionären zählt, tritt nun seine Niederfahrt an, und unter
dem Rumpf des gesunkenen Schiffes hinweg -- an den Stellen,
die oben den drei Brückenlagen entsprechen -- zieht er jetzt drei
eiserne Ketten, die nunmehr jede einzeln zusammengeknotet und
an dem Krahnhaken befestigt werden. Nun beginnen die Dreh-
bassen ihr Werk. Geht Alles gut und denkt der Schwilow bei
sich: "nun meinetwegen," so bringen sie das Schiff heraus und
halten es zwischen den beiden gesunden Kähnen fest, bis die
Ladung geborgen ist; ist aber der Schwilow schlechter Laune
und weiß er's dahin einzurichten, daß der eine Krahn schärfer
anzieht als der andere, so ist Alles verloren: das Schiff zer-
bricht, die Ladung geht in die Tiefe und die Trümmer treiben
umher. Wie es mit dem Strandrecht am Schwilow steht, kann
ich nicht sagen."

Stunde und Stimmung waren günſtig zum Plaudern.
Unſer Schwilow-Führer nahm das Wort und an den Rand
des Schattens tretend, der unſern Platz umzirkelte, hob er jetzt
geſchäftig an: „Dort, wo Sie den grauen Streifen ſehen, faſt
in der Mitte, aber mehr nach Caput zu, dort liegen die Schiffe,
die der Schwilow hinabgeriſſen; was er hat, das hält er feſt;
er giebt ſie ſchwer wieder heraus. Und doch ſoll er’s, und
doch wird er darum angegangen. Die Verſicherungs-Geſell-
ſchaften ſetzen ihm ſcharf zu und fragen nicht lange, ob er will
oder nicht. Es iſt noch nicht lange, da haben ſie’s wieder ver-
ſucht. In Caput giebt das immer einen Freudentag; ob’s
glückt oder nicht, es bringt uns Geld ins Dorf.

Wie werden denn dieſe Hebungs-Verſuche gemacht?

Das iſt einfach genug. Eines Tages erſcheinen 20 Mann
oder mehr, und mit ihnen kommen zwei große, ſtarke Havel-
kähne, mit hohen Wänden, zugleich mit allerhand Maſchinen
und Hebevorrichtungen an Bord. Nun legen ſich die beiden
Havelkähne zu Seiten des untergegangenen Schiffes, von einem
Kahn zum anderen werden drei ſtarke Bohlenbrücken gelegt und
auf dieſe Brücken drei Drehbaſſen geſtellt. Ein Aſſecuranz-
Taucher, der immer mit zur Stelle iſt und zu den Haupt-
functionären zählt, tritt nun ſeine Niederfahrt an, und unter
dem Rumpf des geſunkenen Schiffes hinweg — an den Stellen,
die oben den drei Brückenlagen entſprechen — zieht er jetzt drei
eiſerne Ketten, die nunmehr jede einzeln zuſammengeknotet und
an dem Krahnhaken befeſtigt werden. Nun beginnen die Dreh-
baſſen ihr Werk. Geht Alles gut und denkt der Schwilow bei
ſich: „nun meinetwegen,“ ſo bringen ſie das Schiff heraus und
halten es zwiſchen den beiden geſunden Kähnen feſt, bis die
Ladung geborgen iſt; iſt aber der Schwilow ſchlechter Laune
und weiß er’s dahin einzurichten, daß der eine Krahn ſchärfer
anzieht als der andere, ſo iſt Alles verloren: das Schiff zer-
bricht, die Ladung geht in die Tiefe und die Trümmer treiben
umher. Wie es mit dem Strandrecht am Schwilow ſteht, kann
ich nicht ſagen.“

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[166/0184] Stunde und Stimmung waren günſtig zum Plaudern. Unſer Schwilow-Führer nahm das Wort und an den Rand des Schattens tretend, der unſern Platz umzirkelte, hob er jetzt geſchäftig an: „Dort, wo Sie den grauen Streifen ſehen, faſt in der Mitte, aber mehr nach Caput zu, dort liegen die Schiffe, die der Schwilow hinabgeriſſen; was er hat, das hält er feſt; er giebt ſie ſchwer wieder heraus. Und doch ſoll er’s, und doch wird er darum angegangen. Die Verſicherungs-Geſell- ſchaften ſetzen ihm ſcharf zu und fragen nicht lange, ob er will oder nicht. Es iſt noch nicht lange, da haben ſie’s wieder ver- ſucht. In Caput giebt das immer einen Freudentag; ob’s glückt oder nicht, es bringt uns Geld ins Dorf. Wie werden denn dieſe Hebungs-Verſuche gemacht? Das iſt einfach genug. Eines Tages erſcheinen 20 Mann oder mehr, und mit ihnen kommen zwei große, ſtarke Havel- kähne, mit hohen Wänden, zugleich mit allerhand Maſchinen und Hebevorrichtungen an Bord. Nun legen ſich die beiden Havelkähne zu Seiten des untergegangenen Schiffes, von einem Kahn zum anderen werden drei ſtarke Bohlenbrücken gelegt und auf dieſe Brücken drei Drehbaſſen geſtellt. Ein Aſſecuranz- Taucher, der immer mit zur Stelle iſt und zu den Haupt- functionären zählt, tritt nun ſeine Niederfahrt an, und unter dem Rumpf des geſunkenen Schiffes hinweg — an den Stellen, die oben den drei Brückenlagen entſprechen — zieht er jetzt drei eiſerne Ketten, die nunmehr jede einzeln zuſammengeknotet und an dem Krahnhaken befeſtigt werden. Nun beginnen die Dreh- baſſen ihr Werk. Geht Alles gut und denkt der Schwilow bei ſich: „nun meinetwegen,“ ſo bringen ſie das Schiff heraus und halten es zwiſchen den beiden geſunden Kähnen feſt, bis die Ladung geborgen iſt; iſt aber der Schwilow ſchlechter Laune und weiß er’s dahin einzurichten, daß der eine Krahn ſchärfer anzieht als der andere, ſo iſt Alles verloren: das Schiff zer- bricht, die Ladung geht in die Tiefe und die Trümmer treiben umher. Wie es mit dem Strandrecht am Schwilow ſteht, kann ich nicht ſagen.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/184>, abgerufen am 23.11.2024.