gewonnen, eine vielversprechende Schale, aber, in den meisten Fällen, eine Schale ohne Kern.
Zu diesen in historischer Beziehung "tauben Nüssen" gehört auch die Petzower Kirche. Aber so leer und kahl sie ist, und so verstimmend diese Kahlheit wirkt, so gewiß ist es doch auch, daß man im Hinaustreten auf das Flachdach des Thurmes diese Verstimmung plötzlich und wie auf Zauberschlag von sich ab- fallen fühlt. Sie geht unter in dem Panorama, das sich hier bietet. Die "Grelle," eine tiefe Flußbucht, liegt uns zu Füßen; unmittelbar neben ihr der Glindower See. Die Havel und der Schwilow, durch Landzungen und Verschiebungen in zahl- reiche blaue Flächen zerschnitten, tauchen in Nähe und Ferne auf, und dehnen sich bis an den Horizont, wo sie mit dem Blau des Himmels zusammenfließen. Dazwischen Kirchen, Dör- fer, Brücken, -- Alles, nach zwei Seiten hin, umrahmt von den Höhenzügen des Havellandes und der Zauche. Das Ganze ein Landschaftsbild im großen Stil; nicht von relativer Schön- heit, sondern absolut. Man darf hier getrost hinaustreten, ohne sich des Vergleichs-Sinnes zu entschlagen. --
Eine Viertelstunde später, und wir schritten dorfanwärts, um der "Grelle" und ihren Anwohnern (wir kommen darauf zurück) einen Besuch zu machen. Der Weg dahin führt durch eine Akazien-Allee und demnächst an einer ganzen Plantage von Akazien vorbei. Schon vorher war mir der besondere Reichthum des Dorfes an dieser Baumart aufgefallen. Man begegnet der Akazie überhaupt häufig in den Havelgegenden, aber vielleicht nirgends häufiger als hier. Es ist ein dankbarer Baum, mit jedem Boden zufrieden, und in seiner arabischen Heimath nicht verwöhnt, scheint er sich auf märkischem Sande mit einer Art Vorliebe eingelebt zu haben. Alle Akazien in Spree- und Havelland rühren mittelbar von Sanssouci her, wo der Ur- Akazienbaum, der Stammvater vieler tausend Enkel und Urenkel an der Bornstädter Straße, gegenüber dem Triumphbogen steht. Die Akazie, ursprünglich als Zier- und Parkbaum gehegt, hat übrigens längst aufgehört eine exceptionelle Stelle einzunehmen;
gewonnen, eine vielverſprechende Schale, aber, in den meiſten Fällen, eine Schale ohne Kern.
Zu dieſen in hiſtoriſcher Beziehung „tauben Nüſſen“ gehört auch die Petzower Kirche. Aber ſo leer und kahl ſie iſt, und ſo verſtimmend dieſe Kahlheit wirkt, ſo gewiß iſt es doch auch, daß man im Hinaustreten auf das Flachdach des Thurmes dieſe Verſtimmung plötzlich und wie auf Zauberſchlag von ſich ab- fallen fühlt. Sie geht unter in dem Panorama, das ſich hier bietet. Die „Grelle,“ eine tiefe Flußbucht, liegt uns zu Füßen; unmittelbar neben ihr der Glindower See. Die Havel und der Schwilow, durch Landzungen und Verſchiebungen in zahl- reiche blaue Flächen zerſchnitten, tauchen in Nähe und Ferne auf, und dehnen ſich bis an den Horizont, wo ſie mit dem Blau des Himmels zuſammenfließen. Dazwiſchen Kirchen, Dör- fer, Brücken, — Alles, nach zwei Seiten hin, umrahmt von den Höhenzügen des Havellandes und der Zauche. Das Ganze ein Landſchaftsbild im großen Stil; nicht von relativer Schön- heit, ſondern abſolut. Man darf hier getroſt hinaustreten, ohne ſich des Vergleichs-Sinnes zu entſchlagen. —
Eine Viertelſtunde ſpäter, und wir ſchritten dorfanwärts, um der „Grelle“ und ihren Anwohnern (wir kommen darauf zurück) einen Beſuch zu machen. Der Weg dahin führt durch eine Akazien-Allee und demnächſt an einer ganzen Plantage von Akazien vorbei. Schon vorher war mir der beſondere Reichthum des Dorfes an dieſer Baumart aufgefallen. Man begegnet der Akazie überhaupt häufig in den Havelgegenden, aber vielleicht nirgends häufiger als hier. Es iſt ein dankbarer Baum, mit jedem Boden zufrieden, und in ſeiner arabiſchen Heimath nicht verwöhnt, ſcheint er ſich auf märkiſchem Sande mit einer Art Vorliebe eingelebt zu haben. Alle Akazien in Spree- und Havelland rühren mittelbar von Sansſouci her, wo der Ur- Akazienbaum, der Stammvater vieler tauſend Enkel und Urenkel an der Bornſtädter Straße, gegenüber dem Triumphbogen ſteht. Die Akazie, urſprünglich als Zier- und Parkbaum gehegt, hat übrigens längſt aufgehört eine exceptionelle Stelle einzunehmen;
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gewonnen, eine vielverſprechende Schale, aber, in den meiſten
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Zu dieſen in hiſtoriſcher Beziehung „tauben Nüſſen“ gehört
auch die Petzower Kirche. Aber ſo leer und kahl ſie iſt, und
ſo verſtimmend dieſe Kahlheit wirkt, ſo gewiß iſt es doch auch,
daß man im Hinaustreten auf das Flachdach des Thurmes dieſe
Verſtimmung plötzlich und wie auf Zauberſchlag von ſich ab-
fallen fühlt. Sie geht unter in dem Panorama, das ſich hier
bietet. Die „Grelle,“ eine tiefe Flußbucht, liegt uns zu Füßen;
unmittelbar neben ihr der Glindower See. Die Havel und
der Schwilow, durch Landzungen und Verſchiebungen in zahl-
reiche blaue Flächen zerſchnitten, tauchen in Nähe und Ferne
auf, und dehnen ſich bis an den Horizont, wo ſie mit dem
Blau des Himmels zuſammenfließen. Dazwiſchen Kirchen, Dör-
fer, Brücken, — Alles, nach zwei Seiten hin, umrahmt von
den Höhenzügen des Havellandes und der Zauche. Das Ganze
ein Landſchaftsbild im großen Stil; nicht von relativer Schön-
heit, ſondern abſolut. Man darf hier getroſt hinaustreten,
ohne ſich des Vergleichs-Sinnes zu entſchlagen. —
Eine Viertelſtunde ſpäter, und wir ſchritten dorfanwärts,
um der „Grelle“ und ihren Anwohnern (wir kommen darauf
zurück) einen Beſuch zu machen. Der Weg dahin führt durch
eine Akazien-Allee und demnächſt an einer ganzen Plantage von
Akazien vorbei. Schon vorher war mir der beſondere Reichthum
des Dorfes an dieſer Baumart aufgefallen. Man begegnet der
Akazie überhaupt häufig in den Havelgegenden, aber vielleicht
nirgends häufiger als hier. Es iſt ein dankbarer Baum, mit
jedem Boden zufrieden, und in ſeiner arabiſchen Heimath nicht
verwöhnt, ſcheint er ſich auf märkiſchem Sande mit einer Art
Vorliebe eingelebt zu haben. Alle Akazien in Spree- und
Havelland rühren mittelbar von Sansſouci her, wo der Ur-
Akazienbaum, der Stammvater vieler tauſend Enkel und Urenkel
an der Bornſtädter Straße, gegenüber dem Triumphbogen ſteht.
Die Akazie, urſprünglich als Zier- und Parkbaum gehegt, hat
übrigens längſt aufgehört eine exceptionelle Stelle einzunehmen;
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/207>, abgerufen am 24.11.2024.
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