Berlin-Kölln, Brandenburg, Potsdam, Caput, Schönebeck hatten ihre Lehmberge, der Invalidenberg gehörte dem Invaliden- hause u. s. w. Diese Besitzverhältnisse existiren nicht mehr. Jene Ortschaften haben sich längst ihres Eigenthums entäußert, das inzwischen in die Hände einiger Ziegel-Lords übergegangen ist. Die meisten sind in Händen der Familie Fritze.
Der Lehm in diesen Bergen ist sehr mächtig. Nach Wegräu- mung einer Oberschicht, "Abraum" genannt, von etwa 30 Fuß Höhe, stößt man auf das Lehmlager, das oft eine Tiefe von 80 bis 100 Fuß hat. Der Lehm ist schön und liefert einen guten Stein, aber doch keinen Stein ersten Ranges. Die Hauptbedeutung dieser Lager ist ihre Mächtigkeit, annährend ihre Unerschöpflich- keit. Dabei mag als etwas Absonderliches hervorgehoben werden, daß sich in diesen Lehmlagern Bernstein findet und zwar in erheblicher Menge. Die meisten Stücke sind haselnußgroß und somit ohne besonderen Werth, es finden sich aber auch Stücke von der Größe einer Faust, dabei sehr schön, die bis zu 25 Thlr. verkauft werden. Wer solch Stück findet, hat einen Festtag.
Soviel über die Lehmberge des Innen-Reviers. Ganz anders ist das Auftreten der Lager im Außen-Revier jenseit der Havel. Der dort vorkommende Lehm ist sogenannter Wiesen- Lehm, der nur 6 Fuß unter der Rasen-Oberfläche liegt, aber auch selber nur in einer Schicht von 6 bis 8 Fuß auftritt. Er ist wegen des geringen "Abraums," der fortzuschaffen ist, leichter zugänglich; all diese Lager sind aber verhältnißmäßig leicht erschöpft, auch ist das Material nicht voll so gut.
Dieser Unterschied im Material -- wie mir alte Ziegelbrenner versicherten -- ist übrigens viel bedeutungsloser als gewöhnlich angenommen wird. Wie bei so vielem in Kunst und Leben kommt es darauf an, was Fleiß und Geschick aus dem Roh- material machen. Das Beste kann unvollkommen entwickelt, das Schwächste zu einer Art Vollkommenheit gehoben werden. So auch beim Ziegelbrennen. Die berühmtesten Steine, die hier zu Lande gebrannt werden, sind die "rothen Rathenower"
Berlin-Kölln, Brandenburg, Potsdam, Caput, Schönebeck hatten ihre Lehmberge, der Invalidenberg gehörte dem Invaliden- hauſe u. ſ. w. Dieſe Beſitzverhältniſſe exiſtiren nicht mehr. Jene Ortſchaften haben ſich längſt ihres Eigenthums entäußert, das inzwiſchen in die Hände einiger Ziegel-Lords übergegangen iſt. Die meiſten ſind in Händen der Familie Fritze.
Der Lehm in dieſen Bergen iſt ſehr mächtig. Nach Wegräu- mung einer Oberſchicht, „Abraum“ genannt, von etwa 30 Fuß Höhe, ſtößt man auf das Lehmlager, das oft eine Tiefe von 80 bis 100 Fuß hat. Der Lehm iſt ſchön und liefert einen guten Stein, aber doch keinen Stein erſten Ranges. Die Hauptbedeutung dieſer Lager iſt ihre Mächtigkeit, annährend ihre Unerſchöpflich- keit. Dabei mag als etwas Abſonderliches hervorgehoben werden, daß ſich in dieſen Lehmlagern Bernſtein findet und zwar in erheblicher Menge. Die meiſten Stücke ſind haſelnußgroß und ſomit ohne beſonderen Werth, es finden ſich aber auch Stücke von der Größe einer Fauſt, dabei ſehr ſchön, die bis zu 25 Thlr. verkauft werden. Wer ſolch Stück findet, hat einen Feſttag.
Soviel über die Lehmberge des Innen-Reviers. Ganz anders iſt das Auftreten der Lager im Außen-Revier jenſeit der Havel. Der dort vorkommende Lehm iſt ſogenannter Wieſen- Lehm, der nur 6 Fuß unter der Raſen-Oberfläche liegt, aber auch ſelber nur in einer Schicht von 6 bis 8 Fuß auftritt. Er iſt wegen des geringen „Abraums,“ der fortzuſchaffen iſt, leichter zugänglich; all dieſe Lager ſind aber verhältnißmäßig leicht erſchöpft, auch iſt das Material nicht voll ſo gut.
Dieſer Unterſchied im Material — wie mir alte Ziegelbrenner verſicherten — iſt übrigens viel bedeutungsloſer als gewöhnlich angenommen wird. Wie bei ſo vielem in Kunſt und Leben kommt es darauf an, was Fleiß und Geſchick aus dem Roh- material machen. Das Beſte kann unvollkommen entwickelt, das Schwächſte zu einer Art Vollkommenheit gehoben werden. So auch beim Ziegelbrennen. Die berühmteſten Steine, die hier zu Lande gebrannt werden, ſind die „rothen Rathenower“
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Berlin-Kölln, Brandenburg, Potsdam, Caput, Schönebeck
hatten ihre Lehmberge, der Invalidenberg gehörte dem Invaliden-
hauſe u. ſ. w. Dieſe Beſitzverhältniſſe exiſtiren nicht mehr.
Jene Ortſchaften haben ſich längſt ihres Eigenthums entäußert,
das inzwiſchen in die Hände einiger Ziegel-Lords übergegangen
iſt. Die meiſten ſind in Händen der Familie Fritze.
Der Lehm in dieſen Bergen iſt ſehr mächtig. Nach Wegräu-
mung einer Oberſchicht, „Abraum“ genannt, von etwa 30 Fuß
Höhe, ſtößt man auf das Lehmlager, das oft eine Tiefe von 80
bis 100 Fuß hat. Der Lehm iſt ſchön und liefert einen guten
Stein, aber doch keinen Stein erſten Ranges. Die Hauptbedeutung
dieſer Lager iſt ihre Mächtigkeit, annährend ihre Unerſchöpflich-
keit. Dabei mag als etwas Abſonderliches hervorgehoben werden,
daß ſich in dieſen Lehmlagern Bernſtein findet und zwar in
erheblicher Menge. Die meiſten Stücke ſind haſelnußgroß und
ſomit ohne beſonderen Werth, es finden ſich aber auch Stücke
von der Größe einer Fauſt, dabei ſehr ſchön, die bis zu
25 Thlr. verkauft werden. Wer ſolch Stück findet, hat einen
Feſttag.
Soviel über die Lehmberge des Innen-Reviers. Ganz
anders iſt das Auftreten der Lager im Außen-Revier jenſeit
der Havel. Der dort vorkommende Lehm iſt ſogenannter Wieſen-
Lehm, der nur 6 Fuß unter der Raſen-Oberfläche liegt, aber
auch ſelber nur in einer Schicht von 6 bis 8 Fuß auftritt.
Er iſt wegen des geringen „Abraums,“ der fortzuſchaffen iſt,
leichter zugänglich; all dieſe Lager ſind aber verhältnißmäßig
leicht erſchöpft, auch iſt das Material nicht voll ſo gut.
Dieſer Unterſchied im Material — wie mir alte Ziegelbrenner
verſicherten — iſt übrigens viel bedeutungsloſer als gewöhnlich
angenommen wird. Wie bei ſo vielem in Kunſt und Leben
kommt es darauf an, was Fleiß und Geſchick aus dem Roh-
material machen. Das Beſte kann unvollkommen entwickelt,
das Schwächſte zu einer Art Vollkommenheit gehoben werden.
So auch beim Ziegelbrennen. Die berühmteſten Steine, die
hier zu Lande gebrannt werden, ſind die „rothen Rathenower“
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/257>, abgerufen am 24.11.2024.
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