wenig über ein dörfliches Proletariat, das denn auch meistens in Familienhäusern untergebracht zu werden pflegt.
Dies führt mich auf die Gesundheitsverhältnisse dieser Ziegelbrenner-Distrikte. Die Berichte darüber gehen sehr aus- einander und während von einer Seite her -- beispielsweise von Potsdamer Hospitalärzten -- versichert wird, daß dieser stete Wechsel von Naßkälte und Glühofenhitze die Gesundheit früh zerstöre, versichern die Glindower Herren, daß nichts abhärtender und nichts gesunder sei, als der Ziegeldienst in Glindow. Personen zwischen 70 und 80 Jahren sollen sehr häufig sein. Die Streitfrage mag übrigens auf sich beruhen. Sie scheint uns so zu liegen, daß dieser Dienst eine angeborene gute Ge- sundheit und gute Verpflegung verlangt, -- sind diese Bedingungen erfüllt, so geht es; die kümmerliche Tagelöhner-Bevölkerung aber, die "nichts drin, nichts draußen" hat und zum Theil von einem elenden Elternpaar geboren und großgezogen wurde, geht allerdings früh zu Grunde.
Der Gesammt-Ziegel-Betrieb ist, soweit Glindow selbst in Betracht kommt, in Händen weniger Familien: Fritze, Hintze, Fiedler; etwa 9 große Oefen sind im Gange. Die Gesammt- masse producirter Steine geht bis 16 Millionen, früher ging es über diese Zahl noch hinaus. Die Summen, die dadurch in Umlauf kommen, sind enorm. 1000 Steine = 8 Thaler, also 16 Millionen (1000 mal 8 mal 16) = 128,000 Thaler. Dies auf wenige Familien vertheilt, muß natürlich einen Reichthum erwarten lassen und in der That ist er da. Aber wie in Werder, so ist doch auch hier in Glindow dafür gesorgt, daß Rückschläge nicht ausbleiben, und es giebt Zeitläufte, wo die Fabriken hier mit Schaden arbeiten. Ueberall im Lande wachsen die Ziegelöfen wie über Nacht aus der Erde und die Concurrenz drückt die Preise. Die Zeiten, wo 1000 Steine 15 Thaler einbrachten, sind vorläufig dahin, man muß sich, wie schon angedeutet, mit 8 und selbst mit 71/2 begnügen. Nun berechne man die Zinsen des Erwerbs- und Betriebs-Kapitals, das Brennmaterial, den Lohn an die Erdarbeiter, die Ziegelstreicher
wenig über ein dörfliches Proletariat, das denn auch meiſtens in Familienhäuſern untergebracht zu werden pflegt.
Dies führt mich auf die Geſundheitsverhältniſſe dieſer Ziegelbrenner-Diſtrikte. Die Berichte darüber gehen ſehr aus- einander und während von einer Seite her — beiſpielsweiſe von Potsdamer Hoſpitalärzten — verſichert wird, daß dieſer ſtete Wechſel von Naßkälte und Glühofenhitze die Geſundheit früh zerſtöre, verſichern die Glindower Herren, daß nichts abhärtender und nichts geſunder ſei, als der Ziegeldienſt in Glindow. Perſonen zwiſchen 70 und 80 Jahren ſollen ſehr häufig ſein. Die Streitfrage mag übrigens auf ſich beruhen. Sie ſcheint uns ſo zu liegen, daß dieſer Dienſt eine angeborene gute Ge- ſundheit und gute Verpflegung verlangt, — ſind dieſe Bedingungen erfüllt, ſo geht es; die kümmerliche Tagelöhner-Bevölkerung aber, die „nichts drin, nichts draußen“ hat und zum Theil von einem elenden Elternpaar geboren und großgezogen wurde, geht allerdings früh zu Grunde.
Der Geſammt-Ziegel-Betrieb iſt, ſoweit Glindow ſelbſt in Betracht kommt, in Händen weniger Familien: Fritze, Hintze, Fiedler; etwa 9 große Oefen ſind im Gange. Die Geſammt- maſſe producirter Steine geht bis 16 Millionen, früher ging es über dieſe Zahl noch hinaus. Die Summen, die dadurch in Umlauf kommen, ſind enorm. 1000 Steine = 8 Thaler, alſo 16 Millionen (1000 mal 8 mal 16) = 128,000 Thaler. Dies auf wenige Familien vertheilt, muß natürlich einen Reichthum erwarten laſſen und in der That iſt er da. Aber wie in Werder, ſo iſt doch auch hier in Glindow dafür geſorgt, daß Rückſchläge nicht ausbleiben, und es giebt Zeitläufte, wo die Fabriken hier mit Schaden arbeiten. Ueberall im Lande wachſen die Ziegelöfen wie über Nacht aus der Erde und die Concurrenz drückt die Preiſe. Die Zeiten, wo 1000 Steine 15 Thaler einbrachten, ſind vorläufig dahin, man muß ſich, wie ſchon angedeutet, mit 8 und ſelbſt mit 7½ begnügen. Nun berechne man die Zinſen des Erwerbs- und Betriebs-Kapitals, das Brennmaterial, den Lohn an die Erdarbeiter, die Ziegelſtreicher
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wenig über ein dörfliches Proletariat, das denn auch meiſtens
in Familienhäuſern untergebracht zu werden pflegt.
Dies führt mich auf die Geſundheitsverhältniſſe dieſer
Ziegelbrenner-Diſtrikte. Die Berichte darüber gehen ſehr aus-
einander und während von einer Seite her — beiſpielsweiſe von
Potsdamer Hoſpitalärzten — verſichert wird, daß dieſer ſtete
Wechſel von Naßkälte und Glühofenhitze die Geſundheit früh
zerſtöre, verſichern die Glindower Herren, daß nichts abhärtender
und nichts geſunder ſei, als der Ziegeldienſt in Glindow.
Perſonen zwiſchen 70 und 80 Jahren ſollen ſehr häufig ſein.
Die Streitfrage mag übrigens auf ſich beruhen. Sie ſcheint
uns ſo zu liegen, daß dieſer Dienſt eine angeborene gute Ge-
ſundheit und gute Verpflegung verlangt, — ſind dieſe Bedingungen
erfüllt, ſo geht es; die kümmerliche Tagelöhner-Bevölkerung
aber, die „nichts drin, nichts draußen“ hat und zum Theil
von einem elenden Elternpaar geboren und großgezogen wurde,
geht allerdings früh zu Grunde.
Der Geſammt-Ziegel-Betrieb iſt, ſoweit Glindow ſelbſt in
Betracht kommt, in Händen weniger Familien: Fritze, Hintze,
Fiedler; etwa 9 große Oefen ſind im Gange. Die Geſammt-
maſſe producirter Steine geht bis 16 Millionen, früher ging es
über dieſe Zahl noch hinaus. Die Summen, die dadurch in
Umlauf kommen, ſind enorm. 1000 Steine = 8 Thaler, alſo
16 Millionen (1000 mal 8 mal 16) = 128,000 Thaler. Dies
auf wenige Familien vertheilt, muß natürlich einen Reichthum
erwarten laſſen und in der That iſt er da. Aber wie in
Werder, ſo iſt doch auch hier in Glindow dafür geſorgt, daß
Rückſchläge nicht ausbleiben, und es giebt Zeitläufte, wo die
Fabriken hier mit Schaden arbeiten. Ueberall im Lande wachſen
die Ziegelöfen wie über Nacht aus der Erde und die Concurrenz
drückt die Preiſe. Die Zeiten, wo 1000 Steine 15 Thaler
einbrachten, ſind vorläufig dahin, man muß ſich, wie ſchon
angedeutet, mit 8 und ſelbſt mit 7½ begnügen. Nun berechne
man die Zinſen des Erwerbs- und Betriebs-Kapitals, das
Brennmaterial, den Lohn an die Erdarbeiter, die Ziegelſtreicher
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/260>, abgerufen am 24.11.2024.
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