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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Zwischen diesem 17. Juli und dem 16. November 1797
lagen noch zwei Sommer, während welcher der König seine
Besuche mehrfach erneuerte. Ob er eintraf, lediglich um sich
des schönen Landschaftsbildes und der loyalen Gastlichkeit des
Hauses zu freuen, oder ob er erschien, um "Geisterstimmen"
zu hören, wird wohl für alle Zeiten unaufgeklärt bleiben. Die
Dorftradition sagt, er kam in Begleitung weniger Eingeweihter
meist in der Dämmerstunde (der schon erwähnte General-Ad-
jutant v. Reder und der Geheimrath Dr. Eisfeld vom Militär-
Waisenhause in Potsdam werden eigens genannt), passirte nie
die Dorfstraße, sondern fuhr über den "Königsdamm" direct
in den Park, hielt vor dem Schlosse und nahm nun an den
Sitzungen Theil, die sich vorbereiteten. Man begab sich nach
der "Grotte," einem dunklen Steinbau, der im Park in einem
mit Akazien bepflanzten Hügel (dies entsprach dem rosen-
kreuzerischen Ritual) angelegt worden war. Der Eingang,
niedrig und kaum mannsbreit, barg sich hinter Gesträuch. Das
Innere der Grotte war mit blauem Lasurstein mosaikartig aus-
gelegt und von der Decke herab hing ein Kronleuchter. In
diese "blaue Grotte," deren Licht- und Farben-Effect ein
wunderbarer gewesen sein soll, trat man ein; der König nahm
Platz. Alsbald wurden Stimmen laut; leiser Gesang, wie von
Harfentönen begleitet. Dann stellte der König Fragen und die
Geister antworteten. Jedes Mal tief ergriffen, kehrte Friedrich
Wilhelm ins Schloß und bald darauf nach Potsdam zurück.

So die Tradition. Es wird hinzugesetzt, die Grotte sei
doppelwandig gewesen, und eine Vertrauensperson des Ordens
habe von diesem Versteck aus die "musikalische Aufführung"
geleitet und die Antworten ertheilt. Daß die Grotte eine
doppelte Wandung hatte, ist seitdem und zwar durch den
jetzigen Besitzer, der den Bau öffnete, um sich von seiner Con-
struction zu überzeugen, über jeden Zweifel hinaus erwiesen
worden. Die Lasursteine existiren noch, ebenso der Akazienhügel.
Dennoch giebt es Personen, die den ganzen Schatz Marquardter
Volkssage einfach für Fabel erklären. Ich kann diesen Personen

Zwiſchen dieſem 17. Juli und dem 16. November 1797
lagen noch zwei Sommer, während welcher der König ſeine
Beſuche mehrfach erneuerte. Ob er eintraf, lediglich um ſich
des ſchönen Landſchaftsbildes und der loyalen Gaſtlichkeit des
Hauſes zu freuen, oder ob er erſchien, um „Geiſterſtimmen“
zu hören, wird wohl für alle Zeiten unaufgeklärt bleiben. Die
Dorftradition ſagt, er kam in Begleitung weniger Eingeweihter
meiſt in der Dämmerſtunde (der ſchon erwähnte General-Ad-
jutant v. Reder und der Geheimrath Dr. Eisfeld vom Militär-
Waiſenhauſe in Potsdam werden eigens genannt), paſſirte nie
die Dorfſtraße, ſondern fuhr über den „Königsdamm“ direct
in den Park, hielt vor dem Schloſſe und nahm nun an den
Sitzungen Theil, die ſich vorbereiteten. Man begab ſich nach
der „Grotte,“ einem dunklen Steinbau, der im Park in einem
mit Akazien bepflanzten Hügel (dies entſprach dem roſen-
kreuzeriſchen Ritual) angelegt worden war. Der Eingang,
niedrig und kaum mannsbreit, barg ſich hinter Geſträuch. Das
Innere der Grotte war mit blauem Laſurſtein moſaikartig aus-
gelegt und von der Decke herab hing ein Kronleuchter. In
dieſe „blaue Grotte,“ deren Licht- und Farben-Effect ein
wunderbarer geweſen ſein ſoll, trat man ein; der König nahm
Platz. Alsbald wurden Stimmen laut; leiſer Geſang, wie von
Harfentönen begleitet. Dann ſtellte der König Fragen und die
Geiſter antworteten. Jedes Mal tief ergriffen, kehrte Friedrich
Wilhelm ins Schloß und bald darauf nach Potsdam zurück.

So die Tradition. Es wird hinzugeſetzt, die Grotte ſei
doppelwandig geweſen, und eine Vertrauensperſon des Ordens
habe von dieſem Verſteck aus die „muſikaliſche Aufführung“
geleitet und die Antworten ertheilt. Daß die Grotte eine
doppelte Wandung hatte, iſt ſeitdem und zwar durch den
jetzigen Beſitzer, der den Bau öffnete, um ſich von ſeiner Con-
ſtruction zu überzeugen, über jeden Zweifel hinaus erwieſen
worden. Die Laſurſteine exiſtiren noch, ebenſo der Akazienhügel.
Dennoch giebt es Perſonen, die den ganzen Schatz Marquardter
Volksſage einfach für Fabel erklären. Ich kann dieſen Perſonen

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[265/0283] Zwiſchen dieſem 17. Juli und dem 16. November 1797 lagen noch zwei Sommer, während welcher der König ſeine Beſuche mehrfach erneuerte. Ob er eintraf, lediglich um ſich des ſchönen Landſchaftsbildes und der loyalen Gaſtlichkeit des Hauſes zu freuen, oder ob er erſchien, um „Geiſterſtimmen“ zu hören, wird wohl für alle Zeiten unaufgeklärt bleiben. Die Dorftradition ſagt, er kam in Begleitung weniger Eingeweihter meiſt in der Dämmerſtunde (der ſchon erwähnte General-Ad- jutant v. Reder und der Geheimrath Dr. Eisfeld vom Militär- Waiſenhauſe in Potsdam werden eigens genannt), paſſirte nie die Dorfſtraße, ſondern fuhr über den „Königsdamm“ direct in den Park, hielt vor dem Schloſſe und nahm nun an den Sitzungen Theil, die ſich vorbereiteten. Man begab ſich nach der „Grotte,“ einem dunklen Steinbau, der im Park in einem mit Akazien bepflanzten Hügel (dies entſprach dem roſen- kreuzeriſchen Ritual) angelegt worden war. Der Eingang, niedrig und kaum mannsbreit, barg ſich hinter Geſträuch. Das Innere der Grotte war mit blauem Laſurſtein moſaikartig aus- gelegt und von der Decke herab hing ein Kronleuchter. In dieſe „blaue Grotte,“ deren Licht- und Farben-Effect ein wunderbarer geweſen ſein ſoll, trat man ein; der König nahm Platz. Alsbald wurden Stimmen laut; leiſer Geſang, wie von Harfentönen begleitet. Dann ſtellte der König Fragen und die Geiſter antworteten. Jedes Mal tief ergriffen, kehrte Friedrich Wilhelm ins Schloß und bald darauf nach Potsdam zurück. So die Tradition. Es wird hinzugeſetzt, die Grotte ſei doppelwandig geweſen, und eine Vertrauensperſon des Ordens habe von dieſem Verſteck aus die „muſikaliſche Aufführung“ geleitet und die Antworten ertheilt. Daß die Grotte eine doppelte Wandung hatte, iſt ſeitdem und zwar durch den jetzigen Beſitzer, der den Bau öffnete, um ſich von ſeiner Con- ſtruction zu überzeugen, über jeden Zweifel hinaus erwieſen worden. Die Laſurſteine exiſtiren noch, ebenſo der Akazienhügel. Dennoch giebt es Perſonen, die den ganzen Schatz Marquardter Volksſage einfach für Fabel erklären. Ich kann dieſen Perſonen

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/283>, abgerufen am 24.11.2024.