Es ist ein relativ neuer Bau. 1791 legte ein rasch um sich greifendes Feuer das halbe Dorf in Asche; auch das "Schloß" brannte aus; nur die Umfassungsmauern blieben stehen. Das Herrenhaus, wie es sich jetzt präsentirt, ist also nur 80 Jahre alt. Es macht indessen einen viel älteren Eindruck, zum Theil wohl weil ganze Wandflächen mit Epheu überwachsen sind. Aber das ist es nicht allein. Auch da, wo der moderne Mörtel unverkennbar sichtbar wird, ist es, als blickten die alten Mauern, die 1791 ihre Feuerprobe bestanden, durch das neue Kleid hindurch.
Die innere Einrichtung bietet nichts Besonderes; hier und dort begegnet man noch einem zurückgebliebenen Stück aus der "historischen Zeit": Möbel aus den Tagen des ersten Empire, Büsten, Bilder, englische und französische Stiche. Das bau- lich Interessanteste ist die doppelte Keller-Anlage, die dem fran- zösischen Chasseur so verderblich wurde; man blickt die Stufen hinunter wie in einen Schacht. In den oberen Geschossen schie- ben sich Treppen und Verschläge, Schrägbalken und Rauch- fänge bunt durcheinander und schaffen eine Localität, wie sie nicht besser gedacht werden kann für ein Herrenhaus "drin es umgeht."
Die Sonne geht nieder; zwischen den Platanen des Par- kes schimmert es wie Gold; das ist die beste Zeit zu einem Gange am "Schlänitz" hin. Unser Weg, in Schlängellinien, führt uns zunächst an der Gruft, dann an der Geister- grotte, an den beiden historischen Punkten des Parkes vor- bei. Die Gruft ist wie ein großes Gartenbeet, ein mit Epheu und Verbenen überwachsenes Rondel; nur das griechische Kreuz in der Mitte, das die ursprüngliche Urne ablöste, deutet auf die Bestimmung des Platzes.
Weiterhin liegt die Grotte. Der Aufgang zu ihr ist mit den blauen Schlacken eingefaßt, die einst mosaikartig das ganze Innere des Baues ausfüllten. Jetzt ist dieser, weil er den Einsturz drohte, offengelegt. Durch ein Versehen (der Besitzer war abwesend) wurde bei dieser Gelegenheit die Innen-
Es iſt ein relativ neuer Bau. 1791 legte ein raſch um ſich greifendes Feuer das halbe Dorf in Aſche; auch das „Schloß“ brannte aus; nur die Umfaſſungsmauern blieben ſtehen. Das Herrenhaus, wie es ſich jetzt präſentirt, iſt alſo nur 80 Jahre alt. Es macht indeſſen einen viel älteren Eindruck, zum Theil wohl weil ganze Wandflächen mit Epheu überwachſen ſind. Aber das iſt es nicht allein. Auch da, wo der moderne Mörtel unverkennbar ſichtbar wird, iſt es, als blickten die alten Mauern, die 1791 ihre Feuerprobe beſtanden, durch das neue Kleid hindurch.
Die innere Einrichtung bietet nichts Beſonderes; hier und dort begegnet man noch einem zurückgebliebenen Stück aus der „hiſtoriſchen Zeit“: Möbel aus den Tagen des erſten Empire, Büſten, Bilder, engliſche und franzöſiſche Stiche. Das bau- lich Intereſſanteſte iſt die doppelte Keller-Anlage, die dem fran- zöſiſchen Chaſſeur ſo verderblich wurde; man blickt die Stufen hinunter wie in einen Schacht. In den oberen Geſchoſſen ſchie- ben ſich Treppen und Verſchläge, Schrägbalken und Rauch- fänge bunt durcheinander und ſchaffen eine Localität, wie ſie nicht beſſer gedacht werden kann für ein Herrenhaus „drin es umgeht.“
Die Sonne geht nieder; zwiſchen den Platanen des Par- kes ſchimmert es wie Gold; das iſt die beſte Zeit zu einem Gange am „Schlänitz“ hin. Unſer Weg, in Schlängellinien, führt uns zunächſt an der Gruft, dann an der Geiſter- grotte, an den beiden hiſtoriſchen Punkten des Parkes vor- bei. Die Gruft iſt wie ein großes Gartenbeet, ein mit Epheu und Verbenen überwachſenes Rondel; nur das griechiſche Kreuz in der Mitte, das die urſprüngliche Urne ablöſte, deutet auf die Beſtimmung des Platzes.
Weiterhin liegt die Grotte. Der Aufgang zu ihr iſt mit den blauen Schlacken eingefaßt, die einſt moſaikartig das ganze Innere des Baues ausfüllten. Jetzt iſt dieſer, weil er den Einſturz drohte, offengelegt. Durch ein Verſehen (der Beſitzer war abweſend) wurde bei dieſer Gelegenheit die Innen-
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Es iſt ein relativ neuer Bau. 1791 legte ein raſch um
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brannte aus; nur die Umfaſſungsmauern blieben ſtehen. Das
Herrenhaus, wie es ſich jetzt präſentirt, iſt alſo nur 80 Jahre
alt. Es macht indeſſen einen viel älteren Eindruck, zum Theil
wohl weil ganze Wandflächen mit Epheu überwachſen ſind. Aber
das iſt es nicht allein. Auch da, wo der moderne Mörtel
unverkennbar ſichtbar wird, iſt es, als blickten die alten Mauern,
die 1791 ihre Feuerprobe beſtanden, durch das neue Kleid
hindurch.
Die innere Einrichtung bietet nichts Beſonderes; hier und
dort begegnet man noch einem zurückgebliebenen Stück aus der
„hiſtoriſchen Zeit“: Möbel aus den Tagen des erſten Empire,
Büſten, Bilder, engliſche und franzöſiſche Stiche. Das bau-
lich Intereſſanteſte iſt die doppelte Keller-Anlage, die dem fran-
zöſiſchen Chaſſeur ſo verderblich wurde; man blickt die Stufen
hinunter wie in einen Schacht. In den oberen Geſchoſſen ſchie-
ben ſich Treppen und Verſchläge, Schrägbalken und Rauch-
fänge bunt durcheinander und ſchaffen eine Localität, wie ſie
nicht beſſer gedacht werden kann für ein Herrenhaus „drin es
umgeht.“
Die Sonne geht nieder; zwiſchen den Platanen des Par-
kes ſchimmert es wie Gold; das iſt die beſte Zeit zu einem
Gange am „Schlänitz“ hin. Unſer Weg, in Schlängellinien,
führt uns zunächſt an der Gruft, dann an der Geiſter-
grotte, an den beiden hiſtoriſchen Punkten des Parkes vor-
bei. Die Gruft iſt wie ein großes Gartenbeet, ein mit Epheu
und Verbenen überwachſenes Rondel; nur das griechiſche Kreuz
in der Mitte, das die urſprüngliche Urne ablöſte, deutet auf
die Beſtimmung des Platzes.
Weiterhin liegt die Grotte. Der Aufgang zu ihr iſt
mit den blauen Schlacken eingefaßt, die einſt moſaikartig das
ganze Innere des Baues ausfüllten. Jetzt iſt dieſer, weil er
den Einſturz drohte, offengelegt. Durch ein Verſehen (der
Beſitzer war abweſend) wurde bei dieſer Gelegenheit die Innen-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/308>, abgerufen am 24.11.2024.
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