Was sagt sie uns für Unsinn vor? Es wird mir gleich den Kopf zerbrechen. Mich dünkt, ich hör' ein ganzes Chor Von hunderttausend Narren sprechen. "Faust."
Das vorige Jahrhundert war ein Jahrhundert der Geheimen Gesellschaften. Der Absolutismus behinderte jede Kraftentwicke- lung, die Miene machte, selbstständige Wege einschlagen zu wollen; die Kirche war starr; was Wunder, wenn der indivi- duelle Ehrgeiz, der kein legitimes Feld fand, sich geltend zu machen, auf Abwege gerieth und im Dunkeln und Geheimen nach Macht suchte.
Wie im 12. Jahrhundert Alles nach dem heiligen Grabe, im 16. nach Wittenberg oder nach der neuen Welt drängte, so im 18. Jahrhundert nach Geheimbündelei. Alchymie und Geistererscheinungen, Dinge, die sich ihnen vielfach gesell- ten, oft in den Vordergrund traten, waren nur Zugaben, Hilfsmittel, starke Dosen, zu denen man griff; das Wesen der Sache lag darin: Macht zu äußern in einer Zeit, wo das Individuum machtlos war.
Zwei Strömungen wurden alsbald erkennbar, die, neben einem starken Beisatz von Egoismus und Menschlichkeit, einen principiellen Gehalt und einen principiellen Gegensatz repräsentirten. Alle diese Gesellschaften indeß, die einen derartig ideellen Kern andauernd in Wahrheit und nicht nur dem Namen nach hat- ten, bildeten weitaus die Minorität, -- das meiste lief auf Herrschsucht und Eitelkeit, auf Täuschung und unmittelbaren Be-
Geheime Geſellſchaften im 18. Jahrhundert.
1.
Was ſagt ſie uns für Unſinn vor? Es wird mir gleich den Kopf zerbrechen. Mich dünkt, ich hör’ ein ganzes Chor Von hunderttauſend Narren ſprechen. „Fauſt.“
Das vorige Jahrhundert war ein Jahrhundert der Geheimen Geſellſchaften. Der Abſolutismus behinderte jede Kraftentwicke- lung, die Miene machte, ſelbſtſtändige Wege einſchlagen zu wollen; die Kirche war ſtarr; was Wunder, wenn der indivi- duelle Ehrgeiz, der kein legitimes Feld fand, ſich geltend zu machen, auf Abwege gerieth und im Dunkeln und Geheimen nach Macht ſuchte.
Wie im 12. Jahrhundert Alles nach dem heiligen Grabe, im 16. nach Wittenberg oder nach der neuen Welt drängte, ſo im 18. Jahrhundert nach Geheimbündelei. Alchymie und Geiſtererſcheinungen, Dinge, die ſich ihnen vielfach geſell- ten, oft in den Vordergrund traten, waren nur Zugaben, Hilfsmittel, ſtarke Doſen, zu denen man griff; das Weſen der Sache lag darin: Macht zu äußern in einer Zeit, wo das Individuum machtlos war.
Zwei Strömungen wurden alsbald erkennbar, die, neben einem ſtarken Beiſatz von Egoismus und Menſchlichkeit, einen principiellen Gehalt und einen principiellen Gegenſatz repräſentirten. Alle dieſe Geſellſchaften indeß, die einen derartig ideellen Kern andauernd in Wahrheit und nicht nur dem Namen nach hat- ten, bildeten weitaus die Minorität, — das meiſte lief auf Herrſchſucht und Eitelkeit, auf Täuſchung und unmittelbaren Be-
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[[292]/0310]
Geheime Geſellſchaften im 18. Jahrhundert.
1.
Was ſagt ſie uns für Unſinn vor?
Es wird mir gleich den Kopf zerbrechen.
Mich dünkt, ich hör’ ein ganzes Chor
Von hunderttauſend Narren ſprechen.
„Fauſt.“
Das vorige Jahrhundert war ein Jahrhundert der Geheimen
Geſellſchaften. Der Abſolutismus behinderte jede Kraftentwicke-
lung, die Miene machte, ſelbſtſtändige Wege einſchlagen zu
wollen; die Kirche war ſtarr; was Wunder, wenn der indivi-
duelle Ehrgeiz, der kein legitimes Feld fand, ſich geltend zu
machen, auf Abwege gerieth und im Dunkeln und Geheimen
nach Macht ſuchte.
Wie im 12. Jahrhundert Alles nach dem heiligen Grabe,
im 16. nach Wittenberg oder nach der neuen Welt drängte,
ſo im 18. Jahrhundert nach Geheimbündelei. Alchymie
und Geiſtererſcheinungen, Dinge, die ſich ihnen vielfach geſell-
ten, oft in den Vordergrund traten, waren nur Zugaben,
Hilfsmittel, ſtarke Doſen, zu denen man griff; das Weſen
der Sache lag darin: Macht zu äußern in einer Zeit, wo das
Individuum machtlos war.
Zwei Strömungen wurden alsbald erkennbar, die, neben
einem ſtarken Beiſatz von Egoismus und Menſchlichkeit, einen
principiellen Gehalt und einen principiellen Gegenſatz repräſentirten.
Alle dieſe Geſellſchaften indeß, die einen derartig ideellen Kern
andauernd in Wahrheit und nicht nur dem Namen nach hat-
ten, bildeten weitaus die Minorität, — das meiſte lief auf
Herrſchſucht und Eitelkeit, auf Täuſchung und unmittelbaren Be-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. [292]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/310>, abgerufen am 24.11.2024.
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