Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

ächtesten Grundsatz aller Schwärmer üben, -- sich untereinan-
der zu verfolgen."

So die Reichstagszeitung. Die Orden, die wir vorstehend
aufgeführt, wie sie nur einen ganz kleinen Theil der in Regens-
burg vertretenen, geschweige denn der in ganz Deutschland
damals verbreiteten Ordensgesellschaften bildeten, waren ande-
rerseits auch immer noch Grenznachbarn, oft wirkliche Abzwei-
gungen jener zwei großen Körperschaften, der "Aufklärer"
und der "Dunkelmänner," die ihren Kern in der Idee
hatten und auf die wir zurückkommen. Es gab aber andere,
die sich absolut von jedem ideellen Gehalt entfernt hatten, oder
das Ideelle doch bloß als ein nervenanregendes Komödienspiel
trieben.

Aus der Reihe dieser greifen wir einige Musterbeispiele
heraus.

Da war vorerst die "Dukaten-Societät." Sie war
schon um 1746 durch den Grafen Carl Ludwig von Wied-
Neuwied gestiftet worden. Die Gesellschaft ging aufs Prak-
tische
und war deshalb auch in der glücklichen Lage, in
Betreff aller kirchlichen Dinge, das Wort "Toleranz" auf ihre
Fahne schreiben zu können.

"Religionsvorurtheile können unmöglich bei einer Institu-
tion Einfluß haben, die sich auf Tugend und Gesellig-
keit
gründet und die wahre Menschenliebe zu ihrem Weg-
weiser hat."

Die "wahre Menschenliebe" lernen wir nun aus § 7
der Statuten kennen. Es heißt daselbst: "Da jeder monatlich
gerne einen Dukaten zur Societätskasse zahlen wird, wenn
er hoffen darf, nicht nur dieser Bezahlung bald entledigt zu
werden, sondern sogar viele Dukaten monatlich zu empfan-
gen
, so wird er für das erste anderweite Mitglied, das er
seinerseits zum Eintritt engagirt, von der Zahlung befreiet; der
Zweite, den er engagirt, zahlt gleichfalls zur Societätskasse;
für den Dritten aber empfängt er monatlich einen Dukaten
für sich; der Vierte zahlet ebenmäßig zur Societätskasse; für

ächteſten Grundſatz aller Schwärmer üben, — ſich untereinan-
der zu verfolgen.“

So die Reichstagszeitung. Die Orden, die wir vorſtehend
aufgeführt, wie ſie nur einen ganz kleinen Theil der in Regens-
burg vertretenen, geſchweige denn der in ganz Deutſchland
damals verbreiteten Ordensgeſellſchaften bildeten, waren ande-
rerſeits auch immer noch Grenznachbarn, oft wirkliche Abzwei-
gungen jener zwei großen Körperſchaften, der „Aufklärer
und der „Dunkelmänner,“ die ihren Kern in der Idee
hatten und auf die wir zurückkommen. Es gab aber andere,
die ſich abſolut von jedem ideellen Gehalt entfernt hatten, oder
das Ideelle doch bloß als ein nervenanregendes Komödienſpiel
trieben.

Aus der Reihe dieſer greifen wir einige Muſterbeiſpiele
heraus.

Da war vorerſt die „Dukaten-Societät.“ Sie war
ſchon um 1746 durch den Grafen Carl Ludwig von Wied-
Neuwied geſtiftet worden. Die Geſellſchaft ging aufs Prak-
tiſche
und war deshalb auch in der glücklichen Lage, in
Betreff aller kirchlichen Dinge, das Wort „Toleranz“ auf ihre
Fahne ſchreiben zu können.

„Religionsvorurtheile können unmöglich bei einer Inſtitu-
tion Einfluß haben, die ſich auf Tugend und Geſellig-
keit
gründet und die wahre Menſchenliebe zu ihrem Weg-
weiſer hat.“

Die „wahre Menſchenliebe“ lernen wir nun aus § 7
der Statuten kennen. Es heißt daſelbſt: „Da jeder monatlich
gerne einen Dukaten zur Societätskaſſe zahlen wird, wenn
er hoffen darf, nicht nur dieſer Bezahlung bald entledigt zu
werden, ſondern ſogar viele Dukaten monatlich zu empfan-
gen
, ſo wird er für das erſte anderweite Mitglied, das er
ſeinerſeits zum Eintritt engagirt, von der Zahlung befreiet; der
Zweite, den er engagirt, zahlt gleichfalls zur Societätskaſſe;
für den Dritten aber empfängt er monatlich einen Dukaten
für ſich; der Vierte zahlet ebenmäßig zur Societätskaſſe; für

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0312" n="294"/>
ächte&#x017F;ten Grund&#x017F;atz aller Schwärmer üben, &#x2014; &#x017F;ich untereinan-<lb/>
der zu verfolgen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>So die Reichstagszeitung. Die Orden, die wir vor&#x017F;tehend<lb/>
aufgeführt, wie &#x017F;ie nur einen ganz kleinen Theil der in Regens-<lb/>
burg vertretenen, ge&#x017F;chweige denn der in ganz Deut&#x017F;chland<lb/>
damals verbreiteten Ordensge&#x017F;ell&#x017F;chaften bildeten, waren ande-<lb/>
rer&#x017F;eits auch immer noch Grenznachbarn, oft wirkliche Abzwei-<lb/>
gungen jener zwei großen Körper&#x017F;chaften, der &#x201E;<hi rendition="#g">Aufklärer</hi>&#x201C;<lb/>
und der &#x201E;<hi rendition="#g">Dunkelmänner</hi>,&#x201C; die ihren Kern in der <hi rendition="#g">Idee</hi><lb/>
hatten und auf die wir zurückkommen. Es gab aber andere,<lb/>
die &#x017F;ich ab&#x017F;olut von jedem ideellen Gehalt entfernt hatten, oder<lb/>
das Ideelle doch bloß als ein nervenanregendes Komödien&#x017F;piel<lb/>
trieben.</p><lb/>
          <p>Aus der Reihe die&#x017F;er greifen wir einige Mu&#x017F;terbei&#x017F;piele<lb/>
heraus.</p><lb/>
          <p>Da war vorer&#x017F;t die &#x201E;<hi rendition="#g">Dukaten-Societät</hi>.&#x201C; Sie war<lb/>
&#x017F;chon um 1746 durch den Grafen Carl Ludwig von Wied-<lb/>
Neuwied ge&#x017F;tiftet worden. Die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft ging aufs <hi rendition="#g">Prak-<lb/>
ti&#x017F;che</hi> und war deshalb auch in der glücklichen Lage, in<lb/>
Betreff aller kirchlichen Dinge, das Wort &#x201E;Toleranz&#x201C; auf ihre<lb/>
Fahne &#x017F;chreiben zu können.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Religionsvorurtheile können unmöglich bei einer In&#x017F;titu-<lb/>
tion Einfluß haben, die &#x017F;ich auf <hi rendition="#g">Tugend und Ge&#x017F;ellig-<lb/>
keit</hi> gründet und die <hi rendition="#g">wahre</hi> Men&#x017F;chenliebe zu ihrem Weg-<lb/>
wei&#x017F;er hat.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Die &#x201E;<hi rendition="#g">wahre</hi> Men&#x017F;chenliebe&#x201C; lernen wir nun aus § 7<lb/>
der Statuten kennen. Es heißt da&#x017F;elb&#x017F;t: &#x201E;Da jeder monatlich<lb/>
gerne einen <hi rendition="#g">Dukaten</hi> zur Societätska&#x017F;&#x017F;e zahlen wird, wenn<lb/>
er hoffen darf, nicht nur die&#x017F;er Bezahlung bald entledigt zu<lb/>
werden, &#x017F;ondern &#x017F;ogar viele Dukaten monatlich zu <hi rendition="#g">empfan-<lb/>
gen</hi>, &#x017F;o wird er für das er&#x017F;te anderweite Mitglied, das er<lb/>
&#x017F;einer&#x017F;eits zum Eintritt engagirt, von der Zahlung befreiet; der<lb/>
Zweite, den er engagirt, zahlt gleichfalls zur Societätska&#x017F;&#x017F;e;<lb/>
für den <hi rendition="#g">Dritten</hi> aber empfängt er monatlich einen Dukaten<lb/><hi rendition="#g">für &#x017F;ich</hi>; der Vierte zahlet ebenmäßig zur Societätska&#x017F;&#x017F;e; für<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[294/0312] ächteſten Grundſatz aller Schwärmer üben, — ſich untereinan- der zu verfolgen.“ So die Reichstagszeitung. Die Orden, die wir vorſtehend aufgeführt, wie ſie nur einen ganz kleinen Theil der in Regens- burg vertretenen, geſchweige denn der in ganz Deutſchland damals verbreiteten Ordensgeſellſchaften bildeten, waren ande- rerſeits auch immer noch Grenznachbarn, oft wirkliche Abzwei- gungen jener zwei großen Körperſchaften, der „Aufklärer“ und der „Dunkelmänner,“ die ihren Kern in der Idee hatten und auf die wir zurückkommen. Es gab aber andere, die ſich abſolut von jedem ideellen Gehalt entfernt hatten, oder das Ideelle doch bloß als ein nervenanregendes Komödienſpiel trieben. Aus der Reihe dieſer greifen wir einige Muſterbeiſpiele heraus. Da war vorerſt die „Dukaten-Societät.“ Sie war ſchon um 1746 durch den Grafen Carl Ludwig von Wied- Neuwied geſtiftet worden. Die Geſellſchaft ging aufs Prak- tiſche und war deshalb auch in der glücklichen Lage, in Betreff aller kirchlichen Dinge, das Wort „Toleranz“ auf ihre Fahne ſchreiben zu können. „Religionsvorurtheile können unmöglich bei einer Inſtitu- tion Einfluß haben, die ſich auf Tugend und Geſellig- keit gründet und die wahre Menſchenliebe zu ihrem Weg- weiſer hat.“ Die „wahre Menſchenliebe“ lernen wir nun aus § 7 der Statuten kennen. Es heißt daſelbſt: „Da jeder monatlich gerne einen Dukaten zur Societätskaſſe zahlen wird, wenn er hoffen darf, nicht nur dieſer Bezahlung bald entledigt zu werden, ſondern ſogar viele Dukaten monatlich zu empfan- gen, ſo wird er für das erſte anderweite Mitglied, das er ſeinerſeits zum Eintritt engagirt, von der Zahlung befreiet; der Zweite, den er engagirt, zahlt gleichfalls zur Societätskaſſe; für den Dritten aber empfängt er monatlich einen Dukaten für ſich; der Vierte zahlet ebenmäßig zur Societätskaſſe; für

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/312
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/312>, abgerufen am 24.11.2024.