alle möglichen Annehmlichkeiten und Seltenheiten. Dort findet sich der Vulkanstopf, den die Eingeborenen das "griechische Feuer" nennen; dort zeigt sich auch Neptun in dreifacher Art, denn von drei Meeren wird jene Insel bespült, deren eines von ganz grünem Aussehn sein soll, das zweite aber von weiß- lichem; das dritte ist durch ununterbrochene Stürme beständig in wuthvoll brausender Bewegung."
Diese Beschreibungen zeitgenössischer Schriftsteller, wie auch die Beschreibung von Vineta oder Julin (die beide dasselbe sind) beziehen sich auf wendische Handels- und Küstenstädte. Es ist indessen wahrscheinlich, daß die märkisch-wendischen Binnen- städte wenig davon verschieden waren, wenn auch vielleicht um etwas geringer. An Handel waren sie gewiß unbedeutender, aber dafür standen sie dem deutschen Leben und seinem Einfluß näher.
Wenden wir uns nunmehr der Frage zu, wie lebten die Wenden in ihren Dörfern und Städten, wie kleideten, wie beschäftigten sie sich, so wird das Wenige, was wir bis hierher über ihre Häuser u. s. w. gesagt haben, auch ein gewisses Licht auf diese Dinge werfen. Wie beschäftigten sie sich? Neben der Führung der Waffen, die Sache jedes Freien war, gab es ein mannigfach gegliedertes, gewerbliches Leben. Die Ausschmückung der Tempel, Ausschmückungen, wie man ihnen noch jetzt in alt- russischen Kirchen begegnet und wie sie in den alten Schrift- stellern der Wendenzeit vielfach beschrieben werden, lassen keinen Zweifel darüber, daß die Wenden eine Art von Kunst, wenig- stens von Kunsthandwerk kannten und übten. Sie schnitzten ihre Götzenbilder in Holz oder fertigten sie aus Erz und Gold, sie bemalten ihre Tempel und färbten das Schnitzwerk, das als groteskes Ornament die Tempel zierte. Den Schiffbau kannten sie (die kühnen Seeräuberzüge der Ranen beweisen es zur Genüge), und ihr Haus- und Kriegsgeräth war mannig- fach. Sie kannten den Haken zur Beackerung und die Sichel um das Korn zu schneiden. Die feineren Wollen-Zeuge (so berichten die Chronisten) kamen aus Sachsen; aber eben aus
alle möglichen Annehmlichkeiten und Seltenheiten. Dort findet ſich der Vulkanstopf, den die Eingeborenen das „griechiſche Feuer“ nennen; dort zeigt ſich auch Neptun in dreifacher Art, denn von drei Meeren wird jene Inſel beſpült, deren eines von ganz grünem Ausſehn ſein ſoll, das zweite aber von weiß- lichem; das dritte iſt durch ununterbrochene Stürme beſtändig in wuthvoll brauſender Bewegung.“
Dieſe Beſchreibungen zeitgenöſſiſcher Schriftſteller, wie auch die Beſchreibung von Vineta oder Julin (die beide daſſelbe ſind) beziehen ſich auf wendiſche Handels- und Küſtenſtädte. Es iſt indeſſen wahrſcheinlich, daß die märkiſch-wendiſchen Binnen- ſtädte wenig davon verſchieden waren, wenn auch vielleicht um etwas geringer. An Handel waren ſie gewiß unbedeutender, aber dafür ſtanden ſie dem deutſchen Leben und ſeinem Einfluß näher.
Wenden wir uns nunmehr der Frage zu, wie lebten die Wenden in ihren Dörfern und Städten, wie kleideten, wie beſchäftigten ſie ſich, ſo wird das Wenige, was wir bis hierher über ihre Häuſer u. ſ. w. geſagt haben, auch ein gewiſſes Licht auf dieſe Dinge werfen. Wie beſchäftigten ſie ſich? Neben der Führung der Waffen, die Sache jedes Freien war, gab es ein mannigfach gegliedertes, gewerbliches Leben. Die Ausſchmückung der Tempel, Ausſchmückungen, wie man ihnen noch jetzt in alt- ruſſiſchen Kirchen begegnet und wie ſie in den alten Schrift- ſtellern der Wendenzeit vielfach beſchrieben werden, laſſen keinen Zweifel darüber, daß die Wenden eine Art von Kunſt, wenig- ſtens von Kunſthandwerk kannten und übten. Sie ſchnitzten ihre Götzenbilder in Holz oder fertigten ſie aus Erz und Gold, ſie bemalten ihre Tempel und färbten das Schnitzwerk, das als groteskes Ornament die Tempel zierte. Den Schiffbau kannten ſie (die kühnen Seeräuberzüge der Ranen beweiſen es zur Genüge), und ihr Haus- und Kriegsgeräth war mannig- fach. Sie kannten den Haken zur Beackerung und die Sichel um das Korn zu ſchneiden. Die feineren Wollen-Zeuge (ſo berichten die Chroniſten) kamen aus Sachſen; aber eben aus
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0034"n="16"/>
alle möglichen Annehmlichkeiten und Seltenheiten. Dort findet<lb/>ſich der Vulkanstopf, den die Eingeborenen das „griechiſche<lb/>
Feuer“ nennen; dort zeigt ſich auch Neptun in dreifacher Art,<lb/>
denn von drei Meeren wird jene Inſel beſpült, deren eines<lb/>
von ganz grünem Ausſehn ſein ſoll, das zweite aber von weiß-<lb/>
lichem; das dritte iſt durch ununterbrochene Stürme beſtändig<lb/>
in wuthvoll brauſender Bewegung.“</p><lb/><p>Dieſe Beſchreibungen zeitgenöſſiſcher Schriftſteller, wie auch<lb/>
die Beſchreibung von Vineta oder Julin (die beide daſſelbe ſind)<lb/>
beziehen ſich auf wendiſche <hirendition="#g">Handels-</hi> und Küſtenſtädte. Es<lb/>
iſt indeſſen wahrſcheinlich, daß die märkiſch-wendiſchen Binnen-<lb/>ſtädte wenig davon verſchieden waren, wenn auch vielleicht um<lb/>
etwas geringer. An Handel waren ſie gewiß unbedeutender,<lb/><hirendition="#g">aber dafür ſtanden ſie dem deutſchen Leben und<lb/>ſeinem Einfluß näher</hi>.</p><lb/><p>Wenden wir uns nunmehr der Frage zu, wie <hirendition="#g">lebten</hi> die<lb/>
Wenden in ihren Dörfern und Städten, wie kleideten, wie<lb/>
beſchäftigten ſie ſich, ſo wird das Wenige, was wir bis hierher<lb/>
über ihre Häuſer u. ſ. w. geſagt haben, auch ein gewiſſes Licht<lb/>
auf dieſe Dinge werfen. Wie beſchäftigten ſie ſich? Neben der<lb/>
Führung der Waffen, die Sache jedes Freien war, gab es ein<lb/>
mannigfach gegliedertes, gewerbliches Leben. Die Ausſchmückung<lb/>
der Tempel, Ausſchmückungen, wie man ihnen noch jetzt in alt-<lb/>
ruſſiſchen Kirchen begegnet und wie ſie in den alten Schrift-<lb/>ſtellern der Wendenzeit vielfach beſchrieben werden, laſſen keinen<lb/>
Zweifel darüber, daß die Wenden eine Art von Kunſt, wenig-<lb/>ſtens von Kunſthandwerk kannten und übten. Sie ſchnitzten<lb/>
ihre Götzenbilder in Holz oder fertigten ſie aus Erz und Gold,<lb/>ſie bemalten ihre Tempel und färbten das Schnitzwerk, das<lb/>
als groteskes Ornament die Tempel zierte. Den Schiffbau<lb/>
kannten ſie (die kühnen Seeräuberzüge der Ranen beweiſen es<lb/>
zur Genüge), und ihr Haus- und Kriegsgeräth war mannig-<lb/>
fach. Sie kannten den Haken zur Beackerung und die Sichel<lb/>
um das Korn zu ſchneiden. Die feineren Wollen-Zeuge (ſo<lb/>
berichten die Chroniſten) kamen aus Sachſen; aber eben aus<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[16/0034]
alle möglichen Annehmlichkeiten und Seltenheiten. Dort findet
ſich der Vulkanstopf, den die Eingeborenen das „griechiſche
Feuer“ nennen; dort zeigt ſich auch Neptun in dreifacher Art,
denn von drei Meeren wird jene Inſel beſpült, deren eines
von ganz grünem Ausſehn ſein ſoll, das zweite aber von weiß-
lichem; das dritte iſt durch ununterbrochene Stürme beſtändig
in wuthvoll brauſender Bewegung.“
Dieſe Beſchreibungen zeitgenöſſiſcher Schriftſteller, wie auch
die Beſchreibung von Vineta oder Julin (die beide daſſelbe ſind)
beziehen ſich auf wendiſche Handels- und Küſtenſtädte. Es
iſt indeſſen wahrſcheinlich, daß die märkiſch-wendiſchen Binnen-
ſtädte wenig davon verſchieden waren, wenn auch vielleicht um
etwas geringer. An Handel waren ſie gewiß unbedeutender,
aber dafür ſtanden ſie dem deutſchen Leben und
ſeinem Einfluß näher.
Wenden wir uns nunmehr der Frage zu, wie lebten die
Wenden in ihren Dörfern und Städten, wie kleideten, wie
beſchäftigten ſie ſich, ſo wird das Wenige, was wir bis hierher
über ihre Häuſer u. ſ. w. geſagt haben, auch ein gewiſſes Licht
auf dieſe Dinge werfen. Wie beſchäftigten ſie ſich? Neben der
Führung der Waffen, die Sache jedes Freien war, gab es ein
mannigfach gegliedertes, gewerbliches Leben. Die Ausſchmückung
der Tempel, Ausſchmückungen, wie man ihnen noch jetzt in alt-
ruſſiſchen Kirchen begegnet und wie ſie in den alten Schrift-
ſtellern der Wendenzeit vielfach beſchrieben werden, laſſen keinen
Zweifel darüber, daß die Wenden eine Art von Kunſt, wenig-
ſtens von Kunſthandwerk kannten und übten. Sie ſchnitzten
ihre Götzenbilder in Holz oder fertigten ſie aus Erz und Gold,
ſie bemalten ihre Tempel und färbten das Schnitzwerk, das
als groteskes Ornament die Tempel zierte. Den Schiffbau
kannten ſie (die kühnen Seeräuberzüge der Ranen beweiſen es
zur Genüge), und ihr Haus- und Kriegsgeräth war mannig-
fach. Sie kannten den Haken zur Beackerung und die Sichel
um das Korn zu ſchneiden. Die feineren Wollen-Zeuge (ſo
berichten die Chroniſten) kamen aus Sachſen; aber eben aus
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/34>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.