dünnen weißen Schriftlinien auf schwarze Täfelchen geschrieben sind. Die Namen sind: Andreas Lentz, August Wilhelm Geel- haar und Joachim Friedrich Seegebart. Andreas Lentz, ein würdevoller Kopf, mit dunklem, lang herabhängendem Haar, gehört augenscheinlich der Zeit der ersten beiden Könige, August Wilhelm Geelhaar aber der zweiten Hälfte des vorigen Jahr- hunderts an. Er trägt eine hohe Stehkrause, ist blond, roth- backig, martialisch, und blickt aus seinem Rahmen heraus wie die Bischöfe des ersten Mittelalters, die lieber zum Streitkolben wie zum Meßbuch griffen. Sein Blick ist kriegerisch genug, aber die Welt hat nie von seinen Kriegsthaten erfahren und den Ruhm in den Gang einer Schlacht eingegriffen, und die drohende Niederlage in Sieg gewandelt zu haben, muß er seinem Amtsbruder und unmittelbaren Vorgänger an der Etziner Pfarre überlassen, dessen Bildniß jetzt neben ihm am Wand- pfeiler hängt, und dessen milde, fast weiche Gesichtszüge auf alles andre eher schließen lassen sollten, als auf den "Geist Davids," der ihn zum Siege fortriß. Und doch war es so. Joachim Friedrich Seegebart ist es, der uns nach Etzin und in diese Kirche geführt hat, Joachim Friedrich Seegebart der Sieger von Chotusitz. Hören wir, wie es damit zusammen hängt.
Joachim Friedrich Seegebart, geboren den 14. April 1714 im Magdeburgischen (wahrscheinlich zu Wolmirstedt) war Feld- prediger beim Prinz Leopold'schen Regiment, das vor Ausbruch des ersten schlesischen Krieges (und auch später wohl) zu Sten- dal in Garnison stand. Er war ein Anhänger der Spenerschen Lehre, demüthig, voll Liebe, nur streng gegen sich selbst, ein Mann von dem man sich einer gewissenhaften Wartung seines Amtes, der Festigkeit in Wort und Glauben, aber keiner kriege- rischen That versehen konnte, er selbst vielleicht am wenigsten.
Die rasche Besitzergreifung Schlesiens war Ausgang 1740 beschlossene Sache. Die Regimenter erhielten Marschorder und den 8. December brach das Regiment Prinz Leopold von Sten- dal auf, mit ihm Seegebart. Ueber diesen Marsch durch die Kurmark und später durch Schlesien besitzen wir interessante
dünnen weißen Schriftlinien auf ſchwarze Täfelchen geſchrieben ſind. Die Namen ſind: Andreas Lentz, Auguſt Wilhelm Geel- haar und Joachim Friedrich Seegebart. Andreas Lentz, ein würdevoller Kopf, mit dunklem, lang herabhängendem Haar, gehört augenſcheinlich der Zeit der erſten beiden Könige, Auguſt Wilhelm Geelhaar aber der zweiten Hälfte des vorigen Jahr- hunderts an. Er trägt eine hohe Stehkrauſe, iſt blond, roth- backig, martialiſch, und blickt aus ſeinem Rahmen heraus wie die Biſchöfe des erſten Mittelalters, die lieber zum Streitkolben wie zum Meßbuch griffen. Sein Blick iſt kriegeriſch genug, aber die Welt hat nie von ſeinen Kriegsthaten erfahren und den Ruhm in den Gang einer Schlacht eingegriffen, und die drohende Niederlage in Sieg gewandelt zu haben, muß er ſeinem Amtsbruder und unmittelbaren Vorgänger an der Etziner Pfarre überlaſſen, deſſen Bildniß jetzt neben ihm am Wand- pfeiler hängt, und deſſen milde, faſt weiche Geſichtszüge auf alles andre eher ſchließen laſſen ſollten, als auf den „Geiſt Davids,“ der ihn zum Siege fortriß. Und doch war es ſo. Joachim Friedrich Seegebart iſt es, der uns nach Etzin und in dieſe Kirche geführt hat, Joachim Friedrich Seegebart der Sieger von Chotuſitz. Hören wir, wie es damit zuſammen hängt.
Joachim Friedrich Seegebart, geboren den 14. April 1714 im Magdeburgiſchen (wahrſcheinlich zu Wolmirſtedt) war Feld- prediger beim Prinz Leopold’ſchen Regiment, das vor Ausbruch des erſten ſchleſiſchen Krieges (und auch ſpäter wohl) zu Sten- dal in Garniſon ſtand. Er war ein Anhänger der Spenerſchen Lehre, demüthig, voll Liebe, nur ſtreng gegen ſich ſelbſt, ein Mann von dem man ſich einer gewiſſenhaften Wartung ſeines Amtes, der Feſtigkeit in Wort und Glauben, aber keiner kriege- riſchen That verſehen konnte, er ſelbſt vielleicht am wenigſten.
Die raſche Beſitzergreifung Schleſiens war Ausgang 1740 beſchloſſene Sache. Die Regimenter erhielten Marſchorder und den 8. December brach das Regiment Prinz Leopold von Sten- dal auf, mit ihm Seegebart. Ueber dieſen Marſch durch die Kurmark und ſpäter durch Schleſien beſitzen wir intereſſante
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dünnen weißen Schriftlinien auf ſchwarze Täfelchen geſchrieben
ſind. Die Namen ſind: Andreas Lentz, Auguſt Wilhelm Geel-
haar und Joachim Friedrich Seegebart. Andreas Lentz, ein
würdevoller Kopf, mit dunklem, lang herabhängendem Haar,
gehört augenſcheinlich der Zeit der erſten beiden Könige, Auguſt
Wilhelm Geelhaar aber der zweiten Hälfte des vorigen Jahr-
hunderts an. Er trägt eine hohe Stehkrauſe, iſt blond, roth-
backig, martialiſch, und blickt aus ſeinem Rahmen heraus wie
die Biſchöfe des erſten Mittelalters, die lieber zum Streitkolben
wie zum Meßbuch griffen. Sein Blick iſt kriegeriſch genug,
aber die Welt hat nie von ſeinen Kriegsthaten erfahren und
den Ruhm in den Gang einer Schlacht eingegriffen, und die
drohende Niederlage in Sieg gewandelt zu haben, muß er
ſeinem Amtsbruder und unmittelbaren Vorgänger an der Etziner
Pfarre überlaſſen, deſſen Bildniß jetzt neben ihm am Wand-
pfeiler hängt, und deſſen milde, faſt weiche Geſichtszüge auf
alles andre eher ſchließen laſſen ſollten, als auf den „Geiſt
Davids,“ der ihn zum Siege fortriß. Und doch war es ſo.
Joachim Friedrich Seegebart iſt es, der uns nach Etzin und in
dieſe Kirche geführt hat, Joachim Friedrich Seegebart der Sieger
von Chotuſitz. Hören wir, wie es damit zuſammen hängt.
Joachim Friedrich Seegebart, geboren den 14. April 1714
im Magdeburgiſchen (wahrſcheinlich zu Wolmirſtedt) war Feld-
prediger beim Prinz Leopold’ſchen Regiment, das vor Ausbruch
des erſten ſchleſiſchen Krieges (und auch ſpäter wohl) zu Sten-
dal in Garniſon ſtand. Er war ein Anhänger der Spenerſchen
Lehre, demüthig, voll Liebe, nur ſtreng gegen ſich ſelbſt, ein
Mann von dem man ſich einer gewiſſenhaften Wartung ſeines
Amtes, der Feſtigkeit in Wort und Glauben, aber keiner kriege-
riſchen That verſehen konnte, er ſelbſt vielleicht am wenigſten.
Die raſche Beſitzergreifung Schleſiens war Ausgang 1740
beſchloſſene Sache. Die Regimenter erhielten Marſchorder und
den 8. December brach das Regiment Prinz Leopold von Sten-
dal auf, mit ihm Seegebart. Ueber dieſen Marſch durch die
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/364>, abgerufen am 24.11.2024.
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