Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.kamm, der an Sachsen Fehde erklärte und seinen Absagebrief Ein ganzes Alterthums-Museum ist bereits aus dem schma- Der zeitige Besitzer von Kohlhasenbrück, ein breiter West- *) Kohlhase, wie bereits im Text bemerkt, hat niemals dieses
Terrain besessen, ist niemals an diesem Orte wohnhaft gewesen. Er bewohnte in Berlin das Haus Fischerstraße 27, das noch im Jahre 1866 in seiner alten Gestalt existirte und Stallung für 40 Pferde auf- wies. Erst 1867, nachdem es noch im Jahre zuvor als Lazareth für die vielen Verwundeten benutzt worden war, erfuhr es einen totalen Umbau und ist ein Gasthaus modernen Styls geworden. Beim Umbau wurden einzelne Münzen aus der Mitte des sechszehnten Jahrhunderts gefunden. kamm, der an Sachſen Fehde erklärte und ſeinen Abſagebrief Ein ganzes Alterthums-Muſeum iſt bereits aus dem ſchma- Der zeitige Beſitzer von Kohlhaſenbrück, ein breiter Weſt- *) Kohlhaſe, wie bereits im Text bemerkt, hat niemals dieſes
Terrain beſeſſen, iſt niemals an dieſem Orte wohnhaft geweſen. Er bewohnte in Berlin das Haus Fiſcherſtraße 27, das noch im Jahre 1866 in ſeiner alten Geſtalt exiſtirte und Stallung für 40 Pferde auf- wies. Erſt 1867, nachdem es noch im Jahre zuvor als Lazareth für die vielen Verwundeten benutzt worden war, erfuhr es einen totalen Umbau und iſt ein Gaſthaus modernen Styls geworden. Beim Umbau wurden einzelne Münzen aus der Mitte des ſechszehnten Jahrhunderts gefunden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0372" n="354"/> kamm, der an Sachſen Fehde erklärte und ſeinen Abſagebrief<lb/> auf einer Pique-Zehn (die noch dieſen Augenblick im Weimarer<lb/> Muſeum zu ſehen iſt) ins Meißniſche Land hineinſchickte, nie<lb/> und nimmer dieſe Krugſtelle ſein eigen nannte, vielmehr ledig-<lb/> lich die Silberbarren hier vergrub, die er, übelberathen, dem<lb/> kurfürſtlichen Factor Conrad <hi rendition="#g">Drahtzieher</hi> abgenommen hatte;<lb/> aber lange <hi rendition="#g">vor</hi> Michael Kohlhaas,<note place="foot" n="*)">Kohlhaſe, wie bereits im Text bemerkt, hat niemals dieſes<lb/> Terrain beſeſſen, iſt niemals an dieſem Orte wohnhaft geweſen. Er<lb/> bewohnte in Berlin das Haus <hi rendition="#g">Fiſcherſtraße</hi> 27, das noch im Jahre<lb/> 1866 in ſeiner alten Geſtalt exiſtirte und Stallung für 40 Pferde auf-<lb/> wies. Erſt 1867, nachdem es noch im Jahre zuvor als Lazareth für<lb/> die vielen Verwundeten benutzt worden war, erfuhr es einen totalen<lb/> Umbau und iſt ein Gaſthaus modernen Styls geworden. Beim Umbau<lb/> wurden einzelne Münzen aus der Mitte des ſechszehnten Jahrhunderts<lb/> gefunden.</note> der hier alſo ein Gaſt<lb/> war wie andere mehr, ja, lange bevor es einen Kurfürſten von<lb/> Sachſen gab, den er befehden konnte, war hier an dem alten<lb/> Grenzlande wer will ſagen eine Opfer-, eine Grabes- oder<lb/> eine Kampfesſtätte. Jeder Fuß breit Acker giebt die Zeichen<lb/> heraus: hier war altes Leben, alte Cultur.</p><lb/> <p>Ein ganzes Alterthums-Muſeum iſt bereits aus dem ſchma-<lb/> len Ackerſtreifen, der an Fluß und See ſich hinzieht, heraus-<lb/> gepflügt, herausgegraben worden und wie eine unerſchöpfliche<lb/> Erzader im Geſtein läuft hier eine unerſchöpfliche Schicht von<lb/> Reliquien und Funden unter der Erde fort. Alle Zeitalter<lb/> werden dabei durcheinander gewürfelt und neben dem Stein-<lb/> hammer, dem wir ſchlecht gerechnet ſeine tauſend Jahre geben,<lb/> liegen zahlloſe Geräthſchaften in Erz und Eiſen, die ſich mit<lb/> dem halben Altersmaß begnügen müſſen.</p><lb/> <p>Der zeitige Beſitzer von Kohlhaſenbrück, ein breiter Weſt-<lb/> phale, den die Fügungen des Lebens von der rothen Erde auf<lb/> den gelben Sand verſchlagen haben, treibt hier Alterthums-<lb/> kunde auf eigene Hand. Er beſtellt ſeinen Acker doppelt und<lb/> neben dem Pfluge, der die Erde nur ritzt, geht der Forſcher-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [354/0372]
kamm, der an Sachſen Fehde erklärte und ſeinen Abſagebrief
auf einer Pique-Zehn (die noch dieſen Augenblick im Weimarer
Muſeum zu ſehen iſt) ins Meißniſche Land hineinſchickte, nie
und nimmer dieſe Krugſtelle ſein eigen nannte, vielmehr ledig-
lich die Silberbarren hier vergrub, die er, übelberathen, dem
kurfürſtlichen Factor Conrad Drahtzieher abgenommen hatte;
aber lange vor Michael Kohlhaas, *) der hier alſo ein Gaſt
war wie andere mehr, ja, lange bevor es einen Kurfürſten von
Sachſen gab, den er befehden konnte, war hier an dem alten
Grenzlande wer will ſagen eine Opfer-, eine Grabes- oder
eine Kampfesſtätte. Jeder Fuß breit Acker giebt die Zeichen
heraus: hier war altes Leben, alte Cultur.
Ein ganzes Alterthums-Muſeum iſt bereits aus dem ſchma-
len Ackerſtreifen, der an Fluß und See ſich hinzieht, heraus-
gepflügt, herausgegraben worden und wie eine unerſchöpfliche
Erzader im Geſtein läuft hier eine unerſchöpfliche Schicht von
Reliquien und Funden unter der Erde fort. Alle Zeitalter
werden dabei durcheinander gewürfelt und neben dem Stein-
hammer, dem wir ſchlecht gerechnet ſeine tauſend Jahre geben,
liegen zahlloſe Geräthſchaften in Erz und Eiſen, die ſich mit
dem halben Altersmaß begnügen müſſen.
Der zeitige Beſitzer von Kohlhaſenbrück, ein breiter Weſt-
phale, den die Fügungen des Lebens von der rothen Erde auf
den gelben Sand verſchlagen haben, treibt hier Alterthums-
kunde auf eigene Hand. Er beſtellt ſeinen Acker doppelt und
neben dem Pfluge, der die Erde nur ritzt, geht der Forſcher-
*) Kohlhaſe, wie bereits im Text bemerkt, hat niemals dieſes
Terrain beſeſſen, iſt niemals an dieſem Orte wohnhaft geweſen. Er
bewohnte in Berlin das Haus Fiſcherſtraße 27, das noch im Jahre
1866 in ſeiner alten Geſtalt exiſtirte und Stallung für 40 Pferde auf-
wies. Erſt 1867, nachdem es noch im Jahre zuvor als Lazareth für
die vielen Verwundeten benutzt worden war, erfuhr es einen totalen
Umbau und iſt ein Gaſthaus modernen Styls geworden. Beim Umbau
wurden einzelne Münzen aus der Mitte des ſechszehnten Jahrhunderts
gefunden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeFontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |