hatten von kaiserlichen Deserteurs, wie mir denn auch kurz nachher noch ein dergleichen Commando begegnete, das 25 Mann dergleichen Recru- ten dorthin begleitete.
Ich sprach zu Alten Landsberg den Oberprediger Herrn Martini, und fand den Diaconum Herrn Kampen bey ihm, der erste schien ein conduisirter feiner Mann zu seyn.
Aus Berlin fuhr ich mit einem in Gottes Willen gelaßenem Gemüthe. Der Herr gebe mir eine gläubige in ihm getroste und freudige Seele!
Den 15. um 7 Uhr marschirte das Regiment aus Landsberg, das zu den Zeiter, da es noch den Herrn von Schwerin zugehört, ein Sitz der Socinianer gewesen, und wurde in 5 Dörffern unterm Amte Rüder- storf einquartiert. Ich bekam mit den Obrist Wachtmeistern von Götz und Osten mein Quartier im Dorfe Werder, vor dem Ende bey einem Manne namens Fleischhauer, so ein klein Freiguth besaß, wo man mir alle Willfährigkeit erwieß. Der Prediger dieses Orts von Einem, ein Edelmann der Geburth nach, stund bei den Leuten in geringem Credit, weil er Narrentheidinge auf der Cantzel und andere Possen auf der Cantzel vorbringe, darüber nicht nur Zuhörer, sondern auch er selbst lachen müße. Des Abends ging ich zu ihm, und blieb bey ihm zum essen, wozu er mich auch den folgenden Tag bitten ließ. Er ist ein freier Mann, der doch vieles vom Glauben und Buße saget. Weil er ein hannöverisch-Göttingischer patricius, so nennet er die Bauer, denen er durchaus gram ist, nur den Pöbel und die Canaille. Mein hospes mag wol ein privat-Haß wider ihn haben, weil er seine Frau, die von einem Grenadier geschwächt 10 Wochen nach ihrer Hochzeit entbun- den worden, zwar als Jungfer aufgeboten, aber es auch hernach öffent- lich gerüget hat.
Herr Jesu sey Du meine Weisheit auch in der Führung meines Amts!
Den 16. ward vom Major v. d. Osten zum essen gebeten, weil es aber schon dem Prediger zugesaget, so refusirte es bey diesem, und zu jenem nahm Mr. Warnicke mit. Nachmittags ritte auf eine Viertheil- Meile von meinem Quartier nach Zindorff zum Prediger Hrn. Scheibler, einem Sohn des ehemaligen Inspectoris zu Lindo bey Ruppin. Die Frau ist ein kluges conduisirtes Weib, Er selbst nicht ohne wahre Gottesfurcht und gründliche Erkenntniß vieler Wahrheiten. Sein ante- cessor Kohlhart ist vor 14 Jahren ausgetreten mit etlichen 100 Thlrn. Kirchen-Geldern, weil er sammt seinem Vater mit seiner gehabten Magd in Unreinigkeit gelebt, und auch sonst nicht nur unanständige Handthierung getrieben, sondern auf alle mögliche Weise ein höchst ärgerliches Leben geführt. Der Hr Scheibler hat vielen Verdruß aus- stehen müssen, weil er die Unordnung abgestellt wissen und unter das unbändig rohe Volk Erkenntniß des Heils bringen wollen.
hatten von kaiſerlichen Deſerteurs, wie mir denn auch kurz nachher noch ein dergleichen Commando begegnete, das 25 Mann dergleichen Recru- ten dorthin begleitete.
Ich ſprach zu Alten Landsberg den Oberprediger Herrn Martini, und fand den Diaconum Herrn Kampen bey ihm, der erſte ſchien ein conduiſirter feiner Mann zu ſeyn.
Aus Berlin fuhr ich mit einem in Gottes Willen gelaßenem Gemüthe. Der Herr gebe mir eine gläubige in ihm getroſte und freudige Seele!
Den 15. um 7 Uhr marſchirte das Regiment aus Landsberg, das zu den Zeiter, da es noch den Herrn von Schwerin zugehört, ein Sitz der Socinianer geweſen, und wurde in 5 Dörffern unterm Amte Rüder- ſtorf einquartiert. Ich bekam mit den Obriſt Wachtmeiſtern von Götz und Oſten mein Quartier im Dorfe Werder, vor dem Ende bey einem Manne namens Fleiſchhauer, ſo ein klein Freiguth beſaß, wo man mir alle Willfährigkeit erwieß. Der Prediger dieſes Orts von Einem, ein Edelmann der Geburth nach, ſtund bei den Leuten in geringem Credit, weil er Narrentheidinge auf der Cantzel und andere Poſſen auf der Cantzel vorbringe, darüber nicht nur Zuhörer, ſondern auch er ſelbſt lachen müße. Des Abends ging ich zu ihm, und blieb bey ihm zum eſſen, wozu er mich auch den folgenden Tag bitten ließ. Er iſt ein freier Mann, der doch vieles vom Glauben und Buße ſaget. Weil er ein hannöveriſch-Göttingiſcher patricius, ſo nennet er die Bauer, denen er durchaus gram iſt, nur den Pöbel und die Canaille. Mein hospes mag wol ein privat-Haß wider ihn haben, weil er ſeine Frau, die von einem Grenadier geſchwächt 10 Wochen nach ihrer Hochzeit entbun- den worden, zwar als Jungfer aufgeboten, aber es auch hernach öffent- lich gerüget hat.
Herr Jeſu ſey Du meine Weisheit auch in der Führung meines Amts!
Den 16. ward vom Major v. d. Oſten zum eſſen gebeten, weil es aber ſchon dem Prediger zugeſaget, ſo refusirte es bey dieſem, und zu jenem nahm Mr. Warnicke mit. Nachmittags ritte auf eine Viertheil- Meile von meinem Quartier nach Zindorff zum Prediger Hrn. Scheibler, einem Sohn des ehemaligen Inspectoris zu Lindo bey Ruppin. Die Frau iſt ein kluges conduisirtes Weib, Er ſelbſt nicht ohne wahre Gottesfurcht und gründliche Erkenntniß vieler Wahrheiten. Sein ante- cessor Kohlhart iſt vor 14 Jahren ausgetreten mit etlichen 100 Thlrn. Kirchen-Geldern, weil er ſammt ſeinem Vater mit ſeiner gehabten Magd in Unreinigkeit gelebt, und auch ſonſt nicht nur unanſtändige Handthierung getrieben, ſondern auf alle mögliche Weiſe ein höchſt ärgerliches Leben geführt. Der Hr Scheibler hat vielen Verdruß aus- ſtehen müſſen, weil er die Unordnung abgeſtellt wiſſen und unter das unbändig rohe Volk Erkenntniß des Heils bringen wollen.
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ten dorthin begleitete.
Ich ſprach zu Alten Landsberg den Oberprediger Herrn Martini,
und fand den Diaconum Herrn Kampen bey ihm, der erſte ſchien ein
conduiſirter feiner Mann zu ſeyn.
Aus Berlin fuhr ich mit einem in Gottes Willen gelaßenem Gemüthe.
Der Herr gebe mir eine gläubige in ihm getroſte und freudige Seele!
Den 15. um 7 Uhr marſchirte das Regiment aus Landsberg, das
zu den Zeiter, da es noch den Herrn von Schwerin zugehört, ein Sitz
der Socinianer geweſen, und wurde in 5 Dörffern unterm Amte Rüder-
ſtorf einquartiert. Ich bekam mit den Obriſt Wachtmeiſtern von Götz
und Oſten mein Quartier im Dorfe Werder, vor dem Ende bey einem
Manne namens Fleiſchhauer, ſo ein klein Freiguth beſaß, wo man mir
alle Willfährigkeit erwieß. Der Prediger dieſes Orts von Einem, ein
Edelmann der Geburth nach, ſtund bei den Leuten in geringem Credit,
weil er Narrentheidinge auf der Cantzel und andere Poſſen auf der
Cantzel vorbringe, darüber nicht nur Zuhörer, ſondern auch er ſelbſt
lachen müße. Des Abends ging ich zu ihm, und blieb bey ihm zum
eſſen, wozu er mich auch den folgenden Tag bitten ließ. Er iſt ein
freier Mann, der doch vieles vom Glauben und Buße ſaget. Weil er
ein hannöveriſch-Göttingiſcher patricius, ſo nennet er die Bauer, denen
er durchaus gram iſt, nur den Pöbel und die Canaille. Mein hospes
mag wol ein privat-Haß wider ihn haben, weil er ſeine Frau, die
von einem Grenadier geſchwächt 10 Wochen nach ihrer Hochzeit entbun-
den worden, zwar als Jungfer aufgeboten, aber es auch hernach öffent-
lich gerüget hat.
Herr Jeſu ſey Du meine Weisheit auch in der Führung meines Amts!
Den 16. ward vom Major v. d. Oſten zum eſſen gebeten, weil es
aber ſchon dem Prediger zugeſaget, ſo refusirte es bey dieſem, und zu
jenem nahm Mr. Warnicke mit. Nachmittags ritte auf eine Viertheil-
Meile von meinem Quartier nach Zindorff zum Prediger Hrn. Scheibler,
einem Sohn des ehemaligen Inspectoris zu Lindo bey Ruppin. Die
Frau iſt ein kluges conduisirtes Weib, Er ſelbſt nicht ohne wahre
Gottesfurcht und gründliche Erkenntniß vieler Wahrheiten. Sein ante-
cessor Kohlhart iſt vor 14 Jahren ausgetreten mit etlichen 100 Thlrn.
Kirchen-Geldern, weil er ſammt ſeinem Vater mit ſeiner gehabten
Magd in Unreinigkeit gelebt, und auch ſonſt nicht nur unanſtändige
Handthierung getrieben, ſondern auf alle mögliche Weiſe ein höchſt
ärgerliches Leben geführt. Der Hr Scheibler hat vielen Verdruß aus-
ſtehen müſſen, weil er die Unordnung abgeſtellt wiſſen und unter das
unbändig rohe Volk Erkenntniß des Heils bringen wollen.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/464>, abgerufen am 25.11.2024.
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