in dem genannten Jahre eine Runkelrübenzucker-Fabrik, die selber wieder in Trümmer zerfallen war, und ein elender Schauspielsaal stand an der Stelle der Mönchs-Bibliothek, vielleicht an der Stelle der Kirche. Die Zelle des heiligen Bern- hard, die vor ohngefähr 20 Jahren noch existirte, hatte inzwischen einem Schmelzofen Platz gemacht; -- nur noch der Schutt der Zelle war vorhanden. Alle sonstigen Bauwerke waren längst zerstört, und aus ihren bloßen Trümmermassen waren drei Dörfer erbaut worden."
In dieser kurzen Schilderung des Verfalls des Mutterklosters ist zugleich die Geschichte von überhundert Töchter-Klöstern erzählt -- auch der unserigen.
Die Klöster selber sind hin; viele von denen, die hierlands in alten Klostermauern wohnen, wissen kaum, daß es Kloster- mauern sind, sicherlich nicht, daß es Cistercienser waren, die vor ihnen die Stätte inne hatten. Und hörten sie je das Wort, so wissen sie nicht, was es meint und bedeutet. Und doch waren es die Pionire, die hundert und tausend andern Colonisten, die nach ihnen kamen, die Wege bahnten. Das Gedächtniß an sie und an das Schöne, Gute, Dauerbare, das sie geschaffen, ist geschwunden; uns aber mag es geziemen, darauf hinzuweisen, daß noch an vielen hundert Orten ihre Thaten und Wohlthaten zu uns sprechen. Ueberall, wo in den Teltow- und Barnim-Dör- fern, in der Ukermark und im Ruppinschen, alte Feldsteinkirchen aufragen mit kurzem Thurm und kleinen niedrigen Fenstern, das Ganze fast mehr eine Burg als eine Kirche, überall, wo die Ostwand einen chorartigen Ausbau, ein sauber gearbeitetes Sakri- stei-Häuschen, oder das Dach in Folge späteren Anbaues eine rechtwinklige Biegung, einen Knick zeigt, überall da mögen wir sicher sein, -- hier waren Cistercienser, hier haben Cister- cienser gebaut und der Kultur und dem Christenthum die erste Stätte bereitet.
in dem genannten Jahre eine Runkelrübenzucker-Fabrik, die ſelber wieder in Trümmer zerfallen war, und ein elender Schauſpielſaal ſtand an der Stelle der Mönchs-Bibliothek, vielleicht an der Stelle der Kirche. Die Zelle des heiligen Bern- hard, die vor ohngefähr 20 Jahren noch exiſtirte, hatte inzwiſchen einem Schmelzofen Platz gemacht; — nur noch der Schutt der Zelle war vorhanden. Alle ſonſtigen Bauwerke waren längſt zerſtört, und aus ihren bloßen Trümmermaſſen waren drei Dörfer erbaut worden.“
In dieſer kurzen Schilderung des Verfalls des Mutterkloſters iſt zugleich die Geſchichte von überhundert Töchter-Klöſtern erzählt — auch der unſerigen.
Die Klöſter ſelber ſind hin; viele von denen, die hierlands in alten Kloſtermauern wohnen, wiſſen kaum, daß es Kloſter- mauern ſind, ſicherlich nicht, daß es Ciſtercienſer waren, die vor ihnen die Stätte inne hatten. Und hörten ſie je das Wort, ſo wiſſen ſie nicht, was es meint und bedeutet. Und doch waren es die Pionire, die hundert und tauſend andern Coloniſten, die nach ihnen kamen, die Wege bahnten. Das Gedächtniß an ſie und an das Schöne, Gute, Dauerbare, das ſie geſchaffen, iſt geſchwunden; uns aber mag es geziemen, darauf hinzuweiſen, daß noch an vielen hundert Orten ihre Thaten und Wohlthaten zu uns ſprechen. Ueberall, wo in den Teltow- und Barnim-Dör- fern, in der Ukermark und im Ruppinſchen, alte Feldſteinkirchen aufragen mit kurzem Thurm und kleinen niedrigen Fenſtern, das Ganze faſt mehr eine Burg als eine Kirche, überall, wo die Oſtwand einen chorartigen Ausbau, ein ſauber gearbeitetes Sakri- ſtei-Häuschen, oder das Dach in Folge ſpäteren Anbaues eine rechtwinklige Biegung, einen Knick zeigt, überall da mögen wir ſicher ſein, — hier waren Ciſtercienſer, hier haben Ciſter- cienſer gebaut und der Kultur und dem Chriſtenthum die erſte Stätte bereitet.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0090"n="72"/>
in dem genannten Jahre eine Runkelrübenzucker-Fabrik, die<lb/>ſelber wieder in Trümmer zerfallen war, und ein elender<lb/><hirendition="#g">Schauſpielſaal</hi>ſtand an der Stelle der Mönchs-Bibliothek,<lb/>
vielleicht an der Stelle der Kirche. Die Zelle des heiligen Bern-<lb/>
hard, die vor ohngefähr 20 Jahren noch exiſtirte, hatte inzwiſchen<lb/>
einem <hirendition="#g">Schmelzofen</hi> Platz gemacht; — nur noch der Schutt<lb/>
der Zelle war vorhanden. Alle ſonſtigen Bauwerke waren längſt<lb/>
zerſtört, und aus ihren bloßen Trümmermaſſen waren drei<lb/>
Dörfer erbaut worden.“</p><lb/><p>In dieſer kurzen Schilderung des Verfalls des Mutterkloſters<lb/>
iſt zugleich die Geſchichte von überhundert Töchter-Klöſtern<lb/>
erzählt — auch der unſerigen.</p><lb/><p>Die Klöſter ſelber ſind hin; viele von denen, die hierlands<lb/>
in alten Kloſtermauern wohnen, wiſſen kaum, daß es Kloſter-<lb/>
mauern ſind, ſicherlich nicht, daß es Ciſtercienſer waren, die vor<lb/>
ihnen die Stätte inne hatten. Und hörten ſie je das Wort, ſo<lb/>
wiſſen ſie nicht, was es meint und bedeutet. Und doch waren<lb/>
es die Pionire, die hundert und tauſend andern Coloniſten, die<lb/>
nach ihnen kamen, die Wege bahnten. Das Gedächtniß an ſie<lb/>
und an das Schöne, Gute, Dauerbare, das ſie geſchaffen, iſt<lb/>
geſchwunden; uns aber mag es geziemen, darauf hinzuweiſen, daß<lb/>
noch an vielen hundert Orten ihre Thaten und Wohlthaten zu<lb/>
uns ſprechen. Ueberall, wo in den Teltow- und Barnim-Dör-<lb/>
fern, in der Ukermark und im Ruppinſchen, alte Feldſteinkirchen<lb/>
aufragen mit kurzem Thurm und kleinen niedrigen Fenſtern, das<lb/>
Ganze faſt mehr eine Burg als eine Kirche, überall, wo die<lb/>
Oſtwand einen chorartigen Ausbau, ein ſauber gearbeitetes Sakri-<lb/>ſtei-Häuschen, oder das Dach in Folge ſpäteren Anbaues eine<lb/>
rechtwinklige Biegung, einen Knick zeigt, überall da mögen wir<lb/>ſicher ſein, —<hirendition="#g">hier waren Ciſtercienſer</hi>, hier haben Ciſter-<lb/>
cienſer gebaut und der Kultur und dem Chriſtenthum die erſte<lb/>
Stätte bereitet.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></body></text></TEI>
[72/0090]
in dem genannten Jahre eine Runkelrübenzucker-Fabrik, die
ſelber wieder in Trümmer zerfallen war, und ein elender
Schauſpielſaal ſtand an der Stelle der Mönchs-Bibliothek,
vielleicht an der Stelle der Kirche. Die Zelle des heiligen Bern-
hard, die vor ohngefähr 20 Jahren noch exiſtirte, hatte inzwiſchen
einem Schmelzofen Platz gemacht; — nur noch der Schutt
der Zelle war vorhanden. Alle ſonſtigen Bauwerke waren längſt
zerſtört, und aus ihren bloßen Trümmermaſſen waren drei
Dörfer erbaut worden.“
In dieſer kurzen Schilderung des Verfalls des Mutterkloſters
iſt zugleich die Geſchichte von überhundert Töchter-Klöſtern
erzählt — auch der unſerigen.
Die Klöſter ſelber ſind hin; viele von denen, die hierlands
in alten Kloſtermauern wohnen, wiſſen kaum, daß es Kloſter-
mauern ſind, ſicherlich nicht, daß es Ciſtercienſer waren, die vor
ihnen die Stätte inne hatten. Und hörten ſie je das Wort, ſo
wiſſen ſie nicht, was es meint und bedeutet. Und doch waren
es die Pionire, die hundert und tauſend andern Coloniſten, die
nach ihnen kamen, die Wege bahnten. Das Gedächtniß an ſie
und an das Schöne, Gute, Dauerbare, das ſie geſchaffen, iſt
geſchwunden; uns aber mag es geziemen, darauf hinzuweiſen, daß
noch an vielen hundert Orten ihre Thaten und Wohlthaten zu
uns ſprechen. Ueberall, wo in den Teltow- und Barnim-Dör-
fern, in der Ukermark und im Ruppinſchen, alte Feldſteinkirchen
aufragen mit kurzem Thurm und kleinen niedrigen Fenſtern, das
Ganze faſt mehr eine Burg als eine Kirche, überall, wo die
Oſtwand einen chorartigen Ausbau, ein ſauber gearbeitetes Sakri-
ſtei-Häuschen, oder das Dach in Folge ſpäteren Anbaues eine
rechtwinklige Biegung, einen Knick zeigt, überall da mögen wir
ſicher ſein, — hier waren Ciſtercienſer, hier haben Ciſter-
cienſer gebaut und der Kultur und dem Chriſtenthum die erſte
Stätte bereitet.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/90>, abgerufen am 29.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.