Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.und Gartenland umspannt. Was jetzt Wiese und Garten ist, Die Sage von der Erbauung Kloster Lehnin's nimmt jedoch *) Der Orden, ohne geradezu in Ascese zu verfallen, war doch in
den ersten 50 Jahren seines Bestehens überall rigorös, und unterschied sich auch dadurch von den Benediktinern, die, gestützt auf die Unterwei- sungen des heiligen Benedikt selber, diesen Rigorismus vermieden. Schon im 10. Jahrhundert hieß es deshalb spöttisch: "die Regel des heiligen Benedikt scheine für schwächliche Leute geschrieben." Die Gründer des Cistercienser-Ordens gingen von einer verwandten An- schauung aus, und aus der ersten Zeit des Ordens her finden sich fol- gende Vorschriften: 1) Die Unterlage des Bettes ist Stroh. Polster sind untersagt. 2) Als Speise dienen gekochte Gemüse, darunter Buchenblätter. Kein Fleisch. 3) In der Kirche soll sich ein offenes Grab befinden, um an die Hin- fälligkeit des Daseins zu mahnen. und Gartenland umſpannt. Was jetzt Wieſe und Garten iſt, Die Sage von der Erbauung Kloſter Lehnin’s nimmt jedoch *) Der Orden, ohne geradezu in Asceſe zu verfallen, war doch in
den erſten 50 Jahren ſeines Beſtehens überall rigorös, und unterſchied ſich auch dadurch von den Benediktinern, die, geſtützt auf die Unterwei- ſungen des heiligen Benedikt ſelber, dieſen Rigorismus vermieden. Schon im 10. Jahrhundert hieß es deshalb ſpöttiſch: „die Regel des heiligen Benedikt ſcheine für ſchwächliche Leute geſchrieben.“ Die Gründer des Ciſtercienſer-Ordens gingen von einer verwandten An- ſchauung aus, und aus der erſten Zeit des Ordens her finden ſich fol- gende Vorſchriften: 1) Die Unterlage des Bettes iſt Stroh. Polſter ſind unterſagt. 2) Als Speiſe dienen gekochte Gemüſe, darunter Buchenblätter. Kein Fleiſch. 3) In der Kirche ſoll ſich ein offenes Grab befinden, um an die Hin- fälligkeit des Daſeins zu mahnen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0092" n="74"/> und Gartenland umſpannt. Was jetzt Wieſe und Garten iſt,<lb/> das war vor 700 Jahren ein eichenbeſtandener Sumpf, und<lb/> inmitten dieſes Sumpfes wuchs Kloſter Lehnin auf, vielleicht im<lb/> Einklang mit jenem Ordensgeſetz aus der erſten ſtrengen Zeit:<lb/> daß die Klöſter von Ciſterz immer in Sümpfen und Niederungen,<lb/> d. h. in <hi rendition="#g">ungeſunden</hi> Gegenden gebaut werden ſollten, damit<lb/> die Brüder dieſes Ordens jederzeit den Tod vor Augen hätten.<note place="foot" n="*)">Der Orden, ohne geradezu in Asceſe zu verfallen, war doch in<lb/> den erſten 50 Jahren ſeines Beſtehens überall rigorös, und unterſchied<lb/> ſich auch dadurch von den Benediktinern, die, geſtützt auf die Unterwei-<lb/> ſungen des heiligen Benedikt ſelber, dieſen Rigorismus vermieden.<lb/> Schon im 10. Jahrhundert hieß es deshalb ſpöttiſch: „die Regel des<lb/> heiligen Benedikt ſcheine für <hi rendition="#g">ſchwächliche</hi> Leute geſchrieben.“ Die<lb/> Gründer des Ciſtercienſer-Ordens gingen von einer verwandten An-<lb/> ſchauung aus, und aus der erſten Zeit des Ordens her finden ſich fol-<lb/> gende Vorſchriften:<lb/><list><item>1) Die Unterlage des Bettes iſt Stroh. Polſter ſind unterſagt.</item><lb/><item>2) Als Speiſe dienen gekochte Gemüſe, darunter <hi rendition="#g">Buchenblätter</hi>.<lb/> Kein Fleiſch.</item><lb/><item>3) In der Kirche ſoll ſich ein offenes Grab befinden, um an die Hin-<lb/> fälligkeit des Daſeins zu mahnen.</item></list></note></p><lb/> <p>Die Sage von der Erbauung Kloſter Lehnin’s nimmt jedoch<lb/> keine ſolche allgemeine Ordensregel in Ausſicht, ſondern führt<lb/> die Gründung deſſelben auf einen beſtimmten Vorgang zurück.<lb/> Dieſen Vorgang erzählt der böhmiſche Schriftſteller <hi rendition="#g">Pulcava</hi><lb/> (wie er ausdrücklich beifügt, „nach einer brandenburgiſchen<lb/> Chronik“) wie folgt: <hi rendition="#g">Otto</hi> <hi rendition="#aq">I.</hi>, der Sohn <hi rendition="#g">Albrecht</hi> des<lb/> Bären, jagte einen Tag lang in den dichten Waldrevieren der<lb/> Zauche, und warf ſich endlich müd und matt an eben der Stelle<lb/> nieder, wo ſpäter Kloſter Lehnin erbaut wurde. Er ſchlief ein<lb/> und hatte eine Viſion. Er ſah im Traum eine Hirſchkuh, die<lb/> ihn ohne Unterlaß beläſtigte; endlich ergriff er Bogen und Pfeil<lb/> und ſchoß ſie nieder. Als er erwachte, und ſeinen Traum<lb/> erzählte, drangen die Seinen in ihn, daß er an dieſer Stelle<lb/> eine <hi rendition="#g">Burg</hi> gegen die heidniſchen Slaven errichten ſolle; — die<lb/> andrängende, immer läſtiger werdende Hirſchkuh erſchien ihnen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [74/0092]
und Gartenland umſpannt. Was jetzt Wieſe und Garten iſt,
das war vor 700 Jahren ein eichenbeſtandener Sumpf, und
inmitten dieſes Sumpfes wuchs Kloſter Lehnin auf, vielleicht im
Einklang mit jenem Ordensgeſetz aus der erſten ſtrengen Zeit:
daß die Klöſter von Ciſterz immer in Sümpfen und Niederungen,
d. h. in ungeſunden Gegenden gebaut werden ſollten, damit
die Brüder dieſes Ordens jederzeit den Tod vor Augen hätten. *)
Die Sage von der Erbauung Kloſter Lehnin’s nimmt jedoch
keine ſolche allgemeine Ordensregel in Ausſicht, ſondern führt
die Gründung deſſelben auf einen beſtimmten Vorgang zurück.
Dieſen Vorgang erzählt der böhmiſche Schriftſteller Pulcava
(wie er ausdrücklich beifügt, „nach einer brandenburgiſchen
Chronik“) wie folgt: Otto I., der Sohn Albrecht des
Bären, jagte einen Tag lang in den dichten Waldrevieren der
Zauche, und warf ſich endlich müd und matt an eben der Stelle
nieder, wo ſpäter Kloſter Lehnin erbaut wurde. Er ſchlief ein
und hatte eine Viſion. Er ſah im Traum eine Hirſchkuh, die
ihn ohne Unterlaß beläſtigte; endlich ergriff er Bogen und Pfeil
und ſchoß ſie nieder. Als er erwachte, und ſeinen Traum
erzählte, drangen die Seinen in ihn, daß er an dieſer Stelle
eine Burg gegen die heidniſchen Slaven errichten ſolle; — die
andrängende, immer läſtiger werdende Hirſchkuh erſchien ihnen
*) Der Orden, ohne geradezu in Asceſe zu verfallen, war doch in
den erſten 50 Jahren ſeines Beſtehens überall rigorös, und unterſchied
ſich auch dadurch von den Benediktinern, die, geſtützt auf die Unterwei-
ſungen des heiligen Benedikt ſelber, dieſen Rigorismus vermieden.
Schon im 10. Jahrhundert hieß es deshalb ſpöttiſch: „die Regel des
heiligen Benedikt ſcheine für ſchwächliche Leute geſchrieben.“ Die
Gründer des Ciſtercienſer-Ordens gingen von einer verwandten An-
ſchauung aus, und aus der erſten Zeit des Ordens her finden ſich fol-
gende Vorſchriften:
1) Die Unterlage des Bettes iſt Stroh. Polſter ſind unterſagt.
2) Als Speiſe dienen gekochte Gemüſe, darunter Buchenblätter.
Kein Fleiſch.
3) In der Kirche ſoll ſich ein offenes Grab befinden, um an die Hin-
fälligkeit des Daſeins zu mahnen.
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