Pflanzenstoffen bestehenden Untergrund, der so weich war, wie ein mit Hülfe von Reagentien eben gefällter Niederschlag. Unser Schiff durchschnitt diese reizlosen, aber für die Wissenschaft der Torf- und Moor-Bildungen vielleicht nicht unwichtigen Wassertümpel, die, vor uns, unaufgerüttelt, in smaragdner Klarheit, hinter uns in graugelber Trübe, wie ein Quirlbrei von Lehm und Humus lagen
Es wurde still und stiller an Bord. Jene Schweigelust über- kam uns, die nach einem schönen, an Bildern und Eindrücken reichen Reise-Tage, auch den Heitergesprächigsten anzuwandeln pflegt und weder in Ermüdung, noch in Verstimmung wurzelnd, ihren Grund in dem plötzlichen Berührtwerden von dem Ausgehen alles Glückes, von der Endlichkeit aller Dinge hat. Auch wir hatten diesen Tribut zu zahlen, stärker als bei mancher anderen Gelegen- heit, da Nichts da war, uns dieser Stimmung zu entreißen. Die Dörfer hörten auf; nur in einiger Entfernung lag Sputendorf. Es klang wie eine Mahnung und wir ließen sie uns gegeben sein. Ein neues Segel bei! Der Wind setzte sich hinein und plötzlich, wie aufathmend, fuhren wir aus einem Gewirr von Tümpeln und Schmalungen, die wir während der letzten zwei Stunden zu passiren gehabt hatten, in ein imposantes und beinah' haffartig wirkendes Wasserbecken ein. Nur in sehr unbestimmten Umrissen erkannten wir die Ufer. Nach links hin, in langer Linie, blitzten Lichter und spiegelten sich in dem dunkelen See. An Bord drängte Alles zu neuer Thätigkeit. Lieutenant Apitz, mit eigner Hand, feuerte den landeinwärts gerichteten Böller ab; Mudy, auf Befehl des Capi- tains, ließ eine Rakete in den Nachthimmel aufsteigen. In weni- gen Minuten sahen wir unseren Zweck erreicht: Gestalten, hin- und herlaufend, sammelten sich an einer Stelle, die ein Landungs- platz, eine Anlegebrücke sein mochte. Stimmen klangen herüber. Gleich darauf fiel der Anker.
Im Angesicht von Teupitz, dunkel und räthselvoll, lag die "Sphinx".
Pflanzenſtoffen beſtehenden Untergrund, der ſo weich war, wie ein mit Hülfe von Reagentien eben gefällter Niederſchlag. Unſer Schiff durchſchnitt dieſe reizloſen, aber für die Wiſſenſchaft der Torf- und Moor-Bildungen vielleicht nicht unwichtigen Waſſertümpel, die, vor uns, unaufgerüttelt, in ſmaragdner Klarheit, hinter uns in graugelber Trübe, wie ein Quirlbrei von Lehm und Humus lagen
Es wurde ſtill und ſtiller an Bord. Jene Schweigeluſt über- kam uns, die nach einem ſchönen, an Bildern und Eindrücken reichen Reiſe-Tage, auch den Heitergeſprächigſten anzuwandeln pflegt und weder in Ermüdung, noch in Verſtimmung wurzelnd, ihren Grund in dem plötzlichen Berührtwerden von dem Ausgehen alles Glückes, von der Endlichkeit aller Dinge hat. Auch wir hatten dieſen Tribut zu zahlen, ſtärker als bei mancher anderen Gelegen- heit, da Nichts da war, uns dieſer Stimmung zu entreißen. Die Dörfer hörten auf; nur in einiger Entfernung lag Sputendorf. Es klang wie eine Mahnung und wir ließen ſie uns gegeben ſein. Ein neues Segel bei! Der Wind ſetzte ſich hinein und plötzlich, wie aufathmend, fuhren wir aus einem Gewirr von Tümpeln und Schmalungen, die wir während der letzten zwei Stunden zu paſſiren gehabt hatten, in ein impoſantes und beinah’ haffartig wirkendes Waſſerbecken ein. Nur in ſehr unbeſtimmten Umriſſen erkannten wir die Ufer. Nach links hin, in langer Linie, blitzten Lichter und ſpiegelten ſich in dem dunkelen See. An Bord drängte Alles zu neuer Thätigkeit. Lieutenant Apitz, mit eigner Hand, feuerte den landeinwärts gerichteten Böller ab; Mudy, auf Befehl des Capi- tains, ließ eine Rakete in den Nachthimmel aufſteigen. In weni- gen Minuten ſahen wir unſeren Zweck erreicht: Geſtalten, hin- und herlaufend, ſammelten ſich an einer Stelle, die ein Landungs- platz, eine Anlegebrücke ſein mochte. Stimmen klangen herüber. Gleich darauf fiel der Anker.
Im Angeſicht von Teupitz, dunkel und räthſelvoll, lag die „Sphinx“.
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Pflanzenſtoffen beſtehenden Untergrund, der ſo weich war, wie ein
mit Hülfe von Reagentien eben gefällter Niederſchlag. Unſer Schiff
durchſchnitt dieſe reizloſen, aber für die Wiſſenſchaft der Torf- und
Moor-Bildungen vielleicht nicht unwichtigen Waſſertümpel, die,
vor uns, unaufgerüttelt, in ſmaragdner Klarheit, hinter uns in
graugelber Trübe, wie ein Quirlbrei von Lehm und Humus lagen
Es wurde ſtill und ſtiller an Bord. Jene Schweigeluſt über-
kam uns, die nach einem ſchönen, an Bildern und Eindrücken
reichen Reiſe-Tage, auch den Heitergeſprächigſten anzuwandeln pflegt
und weder in Ermüdung, noch in Verſtimmung wurzelnd, ihren
Grund in dem plötzlichen Berührtwerden von dem Ausgehen alles
Glückes, von der Endlichkeit aller Dinge hat. Auch wir hatten
dieſen Tribut zu zahlen, ſtärker als bei mancher anderen Gelegen-
heit, da Nichts da war, uns dieſer Stimmung zu entreißen. Die
Dörfer hörten auf; nur in einiger Entfernung lag Sputendorf.
Es klang wie eine Mahnung und wir ließen ſie uns gegeben ſein.
Ein neues Segel bei! Der Wind ſetzte ſich hinein und plötzlich,
wie aufathmend, fuhren wir aus einem Gewirr von Tümpeln und
Schmalungen, die wir während der letzten zwei Stunden zu paſſiren
gehabt hatten, in ein impoſantes und beinah’ haffartig wirkendes
Waſſerbecken ein. Nur in ſehr unbeſtimmten Umriſſen erkannten
wir die Ufer. Nach links hin, in langer Linie, blitzten Lichter und
ſpiegelten ſich in dem dunkelen See. An Bord drängte Alles zu
neuer Thätigkeit. Lieutenant Apitz, mit eigner Hand, feuerte den
landeinwärts gerichteten Böller ab; Mudy, auf Befehl des Capi-
tains, ließ eine Rakete in den Nachthimmel aufſteigen. In weni-
gen Minuten ſahen wir unſeren Zweck erreicht: Geſtalten, hin-
und herlaufend, ſammelten ſich an einer Stelle, die ein Landungs-
platz, eine Anlegebrücke ſein mochte. Stimmen klangen herüber.
Gleich darauf fiel der Anker.
Im Angeſicht von Teupitz, dunkel und räthſelvoll, lag die
„Sphinx“.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/101>, abgerufen am 24.11.2024.
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