hier, in die Tradition und Sage der Müggelsberge zurückgreifend, eine historische Landschaft. Die höchste Kuppe zeigt ein Sem- nonen-Lager. Schilde und Speere sind zusammengestellt, ein Feuer flackert auf, und unter den hohen Fichtenstämmen, angeglüht von dem Dunkelroth der Flamme, lagern die germanischen Urbewohner des Landes mit einem wunderbar gelungenen Mischausdruck von Wildheit und Behagen. Wer die Müggelsberge gesehen hat, wird hierin ein richtiges und geniales Empfinden unsres Malers be- wundern -- er gab dieser Landschaft die Staffage, die ihr einzig gebührt. Ein Reifrock und ein Abbe in die verschnittenen Gänge eines Roccoco-Schlosses, eine Procession in das Portal einer go- thischen Kirche, aber ein Semnonen-Lager in das Waldrevier der Müggelsberge!
Ihnen gilt jetzt unser Besuch.
Wir kommen von Schloß Cöpenick, haben Stadt und Vor- stadt glücklich passirt und schreiten nunmehr dem Gehölze zu, das bis über die Müggelsberge hinaus das ganze Terrain bedeckt. Es ist ein Forst und eine Haide wie andere mehr; Moos und Fichten- nadeln haben dem Weg eine elastische Weiche gegeben und nur die Baumwurzeln, die grotesk überall hervorlugen und uns wie bös- willige Gnomen ein Bein zu stellen suchen, mahnen zur Vorsicht. Eine rechte Herbstesfrische weht durch den Wald. Der herbe Duft des Eichenlaubs mischt sich mit dem Harzgeruch der Tannen, und anheimelnd klingt es, wenn die Eichkätzchen von einem Baum zum andern springen und die Zweige mit leisem Knick zerbrechen. Dann und wann hören wir, vom Fahrweg her, den eigenthüm- lichen Klinker- und Klankerton, an dem ein märkischer Bauern- wagen auf hundert Schritt schon erkennbar ist. Die Halskette der beiden magern Braunen rasselt am Deichselhaken, die Sprossen klappern in den Leiterbäumen, die Leiterbäume wieder an den vier Wagenrungen und gegen die Wagenrungen schrammt das Rad. Dazwischen das Hüh! und Hoh! des Kutschers, und Schwamm-anpinken und Tabacksqualm -- und das Begegnungs- bild ist fertig, das die Märkische Haide zu bieten pflegt.
Schon mehrere solcher Fuhrwerke sind an uns vorüber- gekommen und ihre Insassen haben jedesmal unsern Gruß erwiedert in trägen, unverständlichen Lauten, wie einer der
hier, in die Tradition und Sage der Müggelsberge zurückgreifend, eine hiſtoriſche Landſchaft. Die höchſte Kuppe zeigt ein Sem- nonen-Lager. Schilde und Speere ſind zuſammengeſtellt, ein Feuer flackert auf, und unter den hohen Fichtenſtämmen, angeglüht von dem Dunkelroth der Flamme, lagern die germaniſchen Urbewohner des Landes mit einem wunderbar gelungenen Miſchausdruck von Wildheit und Behagen. Wer die Müggelsberge geſehen hat, wird hierin ein richtiges und geniales Empfinden unſres Malers be- wundern — er gab dieſer Landſchaft die Staffage, die ihr einzig gebührt. Ein Reifrock und ein Abbé in die verſchnittenen Gänge eines Roccoco-Schloſſes, eine Proceſſion in das Portal einer go- thiſchen Kirche, aber ein Semnonen-Lager in das Waldrevier der Müggelsberge!
Ihnen gilt jetzt unſer Beſuch.
Wir kommen von Schloß Cöpenick, haben Stadt und Vor- ſtadt glücklich paſſirt und ſchreiten nunmehr dem Gehölze zu, das bis über die Müggelsberge hinaus das ganze Terrain bedeckt. Es iſt ein Forſt und eine Haide wie andere mehr; Moos und Fichten- nadeln haben dem Weg eine elaſtiſche Weiche gegeben und nur die Baumwurzeln, die grotesk überall hervorlugen und uns wie bös- willige Gnomen ein Bein zu ſtellen ſuchen, mahnen zur Vorſicht. Eine rechte Herbſtesfriſche weht durch den Wald. Der herbe Duft des Eichenlaubs miſcht ſich mit dem Harzgeruch der Tannen, und anheimelnd klingt es, wenn die Eichkätzchen von einem Baum zum andern ſpringen und die Zweige mit leiſem Knick zerbrechen. Dann und wann hören wir, vom Fahrweg her, den eigenthüm- lichen Klinker- und Klankerton, an dem ein märkiſcher Bauern- wagen auf hundert Schritt ſchon erkennbar iſt. Die Halskette der beiden magern Braunen raſſelt am Deichſelhaken, die Sproſſen klappern in den Leiterbäumen, die Leiterbäume wieder an den vier Wagenrungen und gegen die Wagenrungen ſchrammt das Rad. Dazwiſchen das Hüh! und Hoh! des Kutſchers, und Schwamm-anpinken und Tabacksqualm — und das Begegnungs- bild iſt fertig, das die Märkiſche Haide zu bieten pflegt.
Schon mehrere ſolcher Fuhrwerke ſind an uns vorüber- gekommen und ihre Inſaſſen haben jedesmal unſern Gruß erwiedert in trägen, unverſtändlichen Lauten, wie einer der
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hier, in die Tradition und Sage der Müggelsberge zurückgreifend,
eine hiſtoriſche Landſchaft. Die höchſte Kuppe zeigt ein Sem-
nonen-Lager. Schilde und Speere ſind zuſammengeſtellt, ein Feuer
flackert auf, und unter den hohen Fichtenſtämmen, angeglüht von
dem Dunkelroth der Flamme, lagern die germaniſchen Urbewohner
des Landes mit einem wunderbar gelungenen Miſchausdruck von
Wildheit und Behagen. Wer die Müggelsberge geſehen hat, wird
hierin ein richtiges und geniales Empfinden unſres Malers be-
wundern — er gab dieſer Landſchaft die Staffage, die ihr einzig
gebührt. Ein Reifrock und ein Abbé in die verſchnittenen Gänge
eines Roccoco-Schloſſes, eine Proceſſion in das Portal einer go-
thiſchen Kirche, aber ein Semnonen-Lager in das Waldrevier der
Müggelsberge!
Ihnen gilt jetzt unſer Beſuch.
Wir kommen von Schloß Cöpenick, haben Stadt und Vor-
ſtadt glücklich paſſirt und ſchreiten nunmehr dem Gehölze zu, das
bis über die Müggelsberge hinaus das ganze Terrain bedeckt. Es iſt
ein Forſt und eine Haide wie andere mehr; Moos und Fichten-
nadeln haben dem Weg eine elaſtiſche Weiche gegeben und nur die
Baumwurzeln, die grotesk überall hervorlugen und uns wie bös-
willige Gnomen ein Bein zu ſtellen ſuchen, mahnen zur Vorſicht.
Eine rechte Herbſtesfriſche weht durch den Wald. Der herbe Duft
des Eichenlaubs miſcht ſich mit dem Harzgeruch der Tannen, und
anheimelnd klingt es, wenn die Eichkätzchen von einem Baum
zum andern ſpringen und die Zweige mit leiſem Knick zerbrechen.
Dann und wann hören wir, vom Fahrweg her, den eigenthüm-
lichen Klinker- und Klankerton, an dem ein märkiſcher Bauern-
wagen auf hundert Schritt ſchon erkennbar iſt. Die Halskette
der beiden magern Braunen raſſelt am Deichſelhaken, die Sproſſen
klappern in den Leiterbäumen, die Leiterbäume wieder an den
vier Wagenrungen und gegen die Wagenrungen ſchrammt das
Rad. Dazwiſchen das Hüh! und Hoh! des Kutſchers, und
Schwamm-anpinken und Tabacksqualm — und das Begegnungs-
bild iſt fertig, das die Märkiſche Haide zu bieten pflegt.
Schon mehrere ſolcher Fuhrwerke ſind an uns vorüber-
gekommen und ihre Inſaſſen haben jedesmal unſern Gruß
erwiedert in trägen, unverſtändlichen Lauten, wie einer der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/124>, abgerufen am 24.11.2024.
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