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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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noch ziemlich reichlich einsammeln. Die Hungerzeit des Rationalis-
mus meldete sich eben erst durch ihre vordersten Posten." Be-
sonders war es Baumgarten (Kirchengeschichte), der das Herz
unseres jungen Theologen mit Liebe und Verehrung füllte; Unter-
richt, den er in den unteren Schulen des Franckeschen Waisen-
hauses ertheilte, sicherte ihm den Unterhalt. Sein Christenthum,
nach seinem eigenen Bekenntniß, blieb indessen damals ein rein äußer-
liches. "Ich hatte noch keinen Geschmack an der Erlösung durchs
Blut Christi; ... Gott kam mir aber zu Hilfe und warf mich
in ein sehr tiefes Gefühl meines unergründlichen Seelenverderbens.
Da saß ich an den Wassern zu Babel und weinete, wenn ich an
Zion gedachte."

1744 im Frühjahr, erst neunzehn Jahr alt, hatte er seine
Studien beendigt. Er trat -- durch viele Arbeit körperlich er-
schüttert -- eine Reise an, suchte christliche Prediger und Gottes-
männer auf und zeigte damals eine große Neigung, zu den Her-
renhutern überzutreten. Dies unterblieb jedoch. 1744 im Spät-
herbst wurd er Vikar in Zerrenthiu bei Prenzlau, wo er
empfinden lernte, "wie schwer sichs predigt, wenn niemand hören
will." Zwei Jahre später (1746) kam er als Hauslehrer des
jungen Grafen von Promnitz nach Drehna in der Niederlausitz,
wo er nunmehr mit großem Erfolge zu predigen begann. Sein
Prediger-Eifer und die ihm daraus entspringende Kraft waren so
groß, daß er in verhältnißmäßig kurzer Zeit die wendische
Sprache
lernte, um den Spreewaldwenden das Evangelium pre-
digen zu können.

1748 erhielt er einen Ruf nach Bunzlau. Es hieß anfänglich:
er sei zu jung. Am 20. Sonntage nach Trinitatis aber predigte
er über den Text: "Der Herr sprach zu mir, sage nicht, ich bin
zu jung
, sondern Du sollst gehen, wohin ich Dich sende, und pre-
digen, was ich Dir heiße" mit solcher Gewalt, daß er die ganze
Gemeinde mit sich fort riß. Bald hatte die Kirche nicht Raum
genug für die die kamen und unter freiem Himmel, im Bunz-
lauer Stadtwald, mußt er nunmehr predigen. "Es schien, als ob das
Feuer Christi die ganze Stadt anzünden wollte." Dabei blieb er
voll körperlicher und geistiger Frische. 1749 verlobte er sich mit
Johanna Sabina, Tochter des Pastors Zietelmann zu Flieth

noch ziemlich reichlich einſammeln. Die Hungerzeit des Rationalis-
mus meldete ſich eben erſt durch ihre vorderſten Poſten.“ Be-
ſonders war es Baumgarten (Kirchengeſchichte), der das Herz
unſeres jungen Theologen mit Liebe und Verehrung füllte; Unter-
richt, den er in den unteren Schulen des Franckeſchen Waiſen-
hauſes ertheilte, ſicherte ihm den Unterhalt. Sein Chriſtenthum,
nach ſeinem eigenen Bekenntniß, blieb indeſſen damals ein rein äußer-
liches. „Ich hatte noch keinen Geſchmack an der Erlöſung durchs
Blut Chriſti; … Gott kam mir aber zu Hilfe und warf mich
in ein ſehr tiefes Gefühl meines unergründlichen Seelenverderbens.
Da ſaß ich an den Waſſern zu Babel und weinete, wenn ich an
Zion gedachte.“

1744 im Frühjahr, erſt neunzehn Jahr alt, hatte er ſeine
Studien beendigt. Er trat — durch viele Arbeit körperlich er-
ſchüttert — eine Reiſe an, ſuchte chriſtliche Prediger und Gottes-
männer auf und zeigte damals eine große Neigung, zu den Her-
renhutern überzutreten. Dies unterblieb jedoch. 1744 im Spät-
herbſt wurd er Vikar in Zerrenthiu bei Prenzlau, wo er
empfinden lernte, „wie ſchwer ſichs predigt, wenn niemand hören
will.“ Zwei Jahre ſpäter (1746) kam er als Hauslehrer des
jungen Grafen von Promnitz nach Drehna in der Niederlauſitz,
wo er nunmehr mit großem Erfolge zu predigen begann. Sein
Prediger-Eifer und die ihm daraus entſpringende Kraft waren ſo
groß, daß er in verhältnißmäßig kurzer Zeit die wendiſche
Sprache
lernte, um den Spreewaldwenden das Evangelium pre-
digen zu können.

1748 erhielt er einen Ruf nach Bunzlau. Es hieß anfänglich:
er ſei zu jung. Am 20. Sonntage nach Trinitatis aber predigte
er über den Text: „Der Herr ſprach zu mir, ſage nicht, ich bin
zu jung
, ſondern Du ſollſt gehen, wohin ich Dich ſende, und pre-
digen, was ich Dir heiße“ mit ſolcher Gewalt, daß er die ganze
Gemeinde mit ſich fort riß. Bald hatte die Kirche nicht Raum
genug für die die kamen und unter freiem Himmel, im Bunz-
lauer Stadtwald, mußt er nunmehr predigen. „Es ſchien, als ob das
Feuer Chriſti die ganze Stadt anzünden wollte.“ Dabei blieb er
voll körperlicher und geiſtiger Friſche. 1749 verlobte er ſich mit
Johanna Sabina, Tochter des Paſtors Zietelmann zu Flieth

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[155/0171] noch ziemlich reichlich einſammeln. Die Hungerzeit des Rationalis- mus meldete ſich eben erſt durch ihre vorderſten Poſten.“ Be- ſonders war es Baumgarten (Kirchengeſchichte), der das Herz unſeres jungen Theologen mit Liebe und Verehrung füllte; Unter- richt, den er in den unteren Schulen des Franckeſchen Waiſen- hauſes ertheilte, ſicherte ihm den Unterhalt. Sein Chriſtenthum, nach ſeinem eigenen Bekenntniß, blieb indeſſen damals ein rein äußer- liches. „Ich hatte noch keinen Geſchmack an der Erlöſung durchs Blut Chriſti; … Gott kam mir aber zu Hilfe und warf mich in ein ſehr tiefes Gefühl meines unergründlichen Seelenverderbens. Da ſaß ich an den Waſſern zu Babel und weinete, wenn ich an Zion gedachte.“ 1744 im Frühjahr, erſt neunzehn Jahr alt, hatte er ſeine Studien beendigt. Er trat — durch viele Arbeit körperlich er- ſchüttert — eine Reiſe an, ſuchte chriſtliche Prediger und Gottes- männer auf und zeigte damals eine große Neigung, zu den Her- renhutern überzutreten. Dies unterblieb jedoch. 1744 im Spät- herbſt wurd er Vikar in Zerrenthiu bei Prenzlau, wo er empfinden lernte, „wie ſchwer ſichs predigt, wenn niemand hören will.“ Zwei Jahre ſpäter (1746) kam er als Hauslehrer des jungen Grafen von Promnitz nach Drehna in der Niederlauſitz, wo er nunmehr mit großem Erfolge zu predigen begann. Sein Prediger-Eifer und die ihm daraus entſpringende Kraft waren ſo groß, daß er in verhältnißmäßig kurzer Zeit die wendiſche Sprache lernte, um den Spreewaldwenden das Evangelium pre- digen zu können. 1748 erhielt er einen Ruf nach Bunzlau. Es hieß anfänglich: er ſei zu jung. Am 20. Sonntage nach Trinitatis aber predigte er über den Text: „Der Herr ſprach zu mir, ſage nicht, ich bin zu jung, ſondern Du ſollſt gehen, wohin ich Dich ſende, und pre- digen, was ich Dir heiße“ mit ſolcher Gewalt, daß er die ganze Gemeinde mit ſich fort riß. Bald hatte die Kirche nicht Raum genug für die die kamen und unter freiem Himmel, im Bunz- lauer Stadtwald, mußt er nunmehr predigen. „Es ſchien, als ob das Feuer Chriſti die ganze Stadt anzünden wollte.“ Dabei blieb er voll körperlicher und geiſtiger Friſche. 1749 verlobte er ſich mit Johanna Sabina, Tochter des Paſtors Zietelmann zu Flieth

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/171>, abgerufen am 21.11.2024.