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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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kamen auch nach Buch und drangen in die Kirche. Voll Ueber-
muth schleppten sie den Mumienkörper des Freiherrn aus der
Gruft nach oben und begannen allerlei frivole Spiele mit ihm.
Bei der Gelegenheit fiel er um und brach das Nasenbein. *) In
der That, es ist ein mehr denn fragliches Glück, in dieser Form
der Nachwelt erhalten zu werden, und wir begreifen völlig die-
jenigen Mitglieder der Voß'schen Familie, die sich ein Begraben-
werden in "ihrer Mumiengruft" eigens verbaten. Gerhard Bernhard
von Poellnitz ist übrigens nicht, wie gelegentlich geschieht, mit dem
Touristen, Kammerherrn und Memoirenschreiber Karl Ludwig von
Poellnitz zu verwechseln, den Friedrich der Große durch die Worte:
"ein infamer Kerl, dem man nicht trauen muß; divertissant beim
Essen, hernach einsperren," zu charakterisiren versucht hat und
dessen Memoiren gegenüber es doch wahr bleibt "daß sie leichter
zu tadeln als zu entbehren sind". Gerhard Bernhard von Poellnitz
war der Großvater des Memoirenschreibers und, wie es sich für
einen General und Oberstallmeister geziemt, mehr ausgezeichnet
mit dem Degen als mit der Feder.

Ein Zweifel, den nichts desto weniger der Freiherr Truchseß
von Waldburg gegen den Muth und die soldatische Ehre des
Oberstallmeisters erhob, führte zu einem der seltsamsten Duelle,
die je gefochten wurden. Die beiden Gegner trafen sich (1664)
auf dem sogenannten "Ochsengrieß," einer Wiese in der Nähe von
Wien. Diese weite Reise war nöthig, weil die vielen Duelle, die

*) In einem andern märkischen Dorfe (Campehl, in der Grafschaft Rup-
pin) kam eine ähnliche Geschichte vor. Uebermüthige Franzosen schafften die
Mumie des Herrn von Kalbutz aus der Gruft in die Kirche und begannen,
in höllischer Blasphemie, ihn als Gekreuzigten auf den Altar zu stellen. Einem
der Uebelthäter indeß mochte das Herz dabei schlagen. Als er beschäftigt war,
die linke Hand festzunageln, fiel der erhobene Mumienarm zurück und gab dem
unten stehenden Franzosen einen Backenstreich. Dieser fiel leblos um; Schreck
und Gewissen hatten ihn getödtet. (Ich bin seitdem in der Campehler Kirche
gewesen und kann diese Geschichte leider nicht bestätigen. Herr v. Kalbutz liegt
mit gefalteten Händen da, die Finger beider Hände wie in eins zusammenge-
wachsen. Im Uebrigen erzählte mir der Küster von der großen Popularität
dieser Mumie; Handwerksburschen aus aller Herren Länder, die durch Campehl
zögen, ermangelten nicht, sich den Herrn v. Kalbutz anzusehn, den sie alle als
ein Curiosum der Mark Brandenburg kennen.)

kamen auch nach Buch und drangen in die Kirche. Voll Ueber-
muth ſchleppten ſie den Mumienkörper des Freiherrn aus der
Gruft nach oben und begannen allerlei frivole Spiele mit ihm.
Bei der Gelegenheit fiel er um und brach das Naſenbein. *) In
der That, es iſt ein mehr denn fragliches Glück, in dieſer Form
der Nachwelt erhalten zu werden, und wir begreifen völlig die-
jenigen Mitglieder der Voß’ſchen Familie, die ſich ein Begraben-
werden in „ihrer Mumiengruft“ eigens verbaten. Gerhard Bernhard
von Poellnitz iſt übrigens nicht, wie gelegentlich geſchieht, mit dem
Touriſten, Kammerherrn und Memoirenſchreiber Karl Ludwig von
Poellnitz zu verwechſeln, den Friedrich der Große durch die Worte:
„ein infamer Kerl, dem man nicht trauen muß; divertiſſant beim
Eſſen, hernach einſperren,“ zu charakteriſiren verſucht hat und
deſſen Memoiren gegenüber es doch wahr bleibt „daß ſie leichter
zu tadeln als zu entbehren ſind“. Gerhard Bernhard von Poellnitz
war der Großvater des Memoirenſchreibers und, wie es ſich für
einen General und Oberſtallmeiſter geziemt, mehr ausgezeichnet
mit dem Degen als mit der Feder.

Ein Zweifel, den nichts deſto weniger der Freiherr Truchſeß
von Waldburg gegen den Muth und die ſoldatiſche Ehre des
Oberſtallmeiſters erhob, führte zu einem der ſeltſamſten Duelle,
die je gefochten wurden. Die beiden Gegner trafen ſich (1664)
auf dem ſogenannten „Ochſengrieß,“ einer Wieſe in der Nähe von
Wien. Dieſe weite Reiſe war nöthig, weil die vielen Duelle, die

*) In einem andern märkiſchen Dorfe (Campehl, in der Grafſchaft Rup-
pin) kam eine ähnliche Geſchichte vor. Uebermüthige Franzoſen ſchafften die
Mumie des Herrn von Kalbutz aus der Gruft in die Kirche und begannen,
in hölliſcher Blasphemie, ihn als Gekreuzigten auf den Altar zu ſtellen. Einem
der Uebelthäter indeß mochte das Herz dabei ſchlagen. Als er beſchäftigt war,
die linke Hand feſtzunageln, fiel der erhobene Mumienarm zurück und gab dem
unten ſtehenden Franzoſen einen Backenſtreich. Dieſer fiel leblos um; Schreck
und Gewiſſen hatten ihn getödtet. (Ich bin ſeitdem in der Campehler Kirche
geweſen und kann dieſe Geſchichte leider nicht beſtätigen. Herr v. Kalbutz liegt
mit gefalteten Händen da, die Finger beider Hände wie in eins zuſammenge-
wachſen. Im Uebrigen erzählte mir der Küſter von der großen Popularität
dieſer Mumie; Handwerksburſchen aus aller Herren Länder, die durch Campehl
zögen, ermangelten nicht, ſich den Herrn v. Kalbutz anzuſehn, den ſie alle als
ein Curioſum der Mark Brandenburg kennen.)
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[173/0189] kamen auch nach Buch und drangen in die Kirche. Voll Ueber- muth ſchleppten ſie den Mumienkörper des Freiherrn aus der Gruft nach oben und begannen allerlei frivole Spiele mit ihm. Bei der Gelegenheit fiel er um und brach das Naſenbein. *) In der That, es iſt ein mehr denn fragliches Glück, in dieſer Form der Nachwelt erhalten zu werden, und wir begreifen völlig die- jenigen Mitglieder der Voß’ſchen Familie, die ſich ein Begraben- werden in „ihrer Mumiengruft“ eigens verbaten. Gerhard Bernhard von Poellnitz iſt übrigens nicht, wie gelegentlich geſchieht, mit dem Touriſten, Kammerherrn und Memoirenſchreiber Karl Ludwig von Poellnitz zu verwechſeln, den Friedrich der Große durch die Worte: „ein infamer Kerl, dem man nicht trauen muß; divertiſſant beim Eſſen, hernach einſperren,“ zu charakteriſiren verſucht hat und deſſen Memoiren gegenüber es doch wahr bleibt „daß ſie leichter zu tadeln als zu entbehren ſind“. Gerhard Bernhard von Poellnitz war der Großvater des Memoirenſchreibers und, wie es ſich für einen General und Oberſtallmeiſter geziemt, mehr ausgezeichnet mit dem Degen als mit der Feder. Ein Zweifel, den nichts deſto weniger der Freiherr Truchſeß von Waldburg gegen den Muth und die ſoldatiſche Ehre des Oberſtallmeiſters erhob, führte zu einem der ſeltſamſten Duelle, die je gefochten wurden. Die beiden Gegner trafen ſich (1664) auf dem ſogenannten „Ochſengrieß,“ einer Wieſe in der Nähe von Wien. Dieſe weite Reiſe war nöthig, weil die vielen Duelle, die *) In einem andern märkiſchen Dorfe (Campehl, in der Grafſchaft Rup- pin) kam eine ähnliche Geſchichte vor. Uebermüthige Franzoſen ſchafften die Mumie des Herrn von Kalbutz aus der Gruft in die Kirche und begannen, in hölliſcher Blasphemie, ihn als Gekreuzigten auf den Altar zu ſtellen. Einem der Uebelthäter indeß mochte das Herz dabei ſchlagen. Als er beſchäftigt war, die linke Hand feſtzunageln, fiel der erhobene Mumienarm zurück und gab dem unten ſtehenden Franzoſen einen Backenſtreich. Dieſer fiel leblos um; Schreck und Gewiſſen hatten ihn getödtet. (Ich bin ſeitdem in der Campehler Kirche geweſen und kann dieſe Geſchichte leider nicht beſtätigen. Herr v. Kalbutz liegt mit gefalteten Händen da, die Finger beider Hände wie in eins zuſammenge- wachſen. Im Uebrigen erzählte mir der Küſter von der großen Popularität dieſer Mumie; Handwerksburſchen aus aller Herren Länder, die durch Campehl zögen, ermangelten nicht, ſich den Herrn v. Kalbutz anzuſehn, den ſie alle als ein Curioſum der Mark Brandenburg kennen.)

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/189>, abgerufen am 21.11.2024.