beständig erinnerte; Kurfürstin Henriette Louise war eine fromme Frau, der alles Lasterleben ein Greuel war, und nachdem Unzucht und Völlerei so lang ihr wüstes Haupt auf den Tisch gelegt hatten, wurd' eben damals die Sitte wieder erstes Gebot. Konrad von Burgsdorf starb bald, nachdem er in Ungnade gefallen war. Es heißt, daß er sinn- und trostlos geendet habe; sein ehlich Ge- mahl aber, deren Bild jetzt eben von der Pfeilerwand auf uns niederblickt, überlebte den Sturz ihres Mannes um fast volle dreißig Jahre. Blumberg, der Ort ihrer Kindheit, wo vordem ihr Vater und dann ihr Gatte vor der schneidend kalten Hofluft Zu- flucht gesucht hatten, blieb ihr lieb, weil die Geschichte ihres Lebens mit ihm verwachsen und die Stille seiner Felder ihr mehr und mehr ein Bedürfniß geworden war. Aber freilich der Frieden des Gemüths, nach dem sie rang, blieb ihr versagt, wie er ihr schon in ihrer Jugend versagt gewesen war. Neue Kränkungen gesellten sich zu alter Bitterkeit, Kränkungen, die dadurch nicht geringer wurden, daß sie unbeabsichtigt waren. Den Kummer ihres Alters schuf ihr ihre eigene Tochter. Diese schien ganz ihres Vaters Kind zu sein, der, wie wir eben citirt haben "ein ge- waltiger Courmacher und Serenadenbringer" gewesen war. Drei- mal verheirathete sich diese Tochter. Ihr erster Mann, ein Frei- herr von Canitz, starb, -- das war ein Unglück; von ihrem zweiten Gemahl, einem General v. d. Goltz, ließ sie sich scheiden -- das war erträglich; daß sie sich aber zum dritten Male nicht blos ver- verheirathete, sondern diesen dritten Mann, den sie nie gesehen, von Paris her sich schicken ließ, das war mehr, als die Oberkammerherrin von Burgsdorf, die funfzig Jahre lang erst als die Tochter und dann als die Gattin des vornehmsten Mannes in Kurmark Brandenburg gelebt hatte, ruhig ertragen konnte. Diese Heirath zehrte an ihrem Herzen und vergällte ihr das letzte Jahrzehnt ihres Lebens.
Die Ehe selbst aber, die zu dieser Verbitterung Anlaß gab, bildet einen zu charakteristischen Zug für die Sittengeschichte jener Zeit, als daß ich es mir versagen könnte, den Hergang ausführlicher zu erzählen.
Frau von der Goltz (geborene von Burgsdorf, verwittwete von Canitz) war kaum von ihrem zweiten Manne, dem General von
beſtändig erinnerte; Kurfürſtin Henriette Louiſe war eine fromme Frau, der alles Laſterleben ein Greuel war, und nachdem Unzucht und Völlerei ſo lang ihr wüſtes Haupt auf den Tiſch gelegt hatten, wurd’ eben damals die Sitte wieder erſtes Gebot. Konrad von Burgsdorf ſtarb bald, nachdem er in Ungnade gefallen war. Es heißt, daß er ſinn- und troſtlos geendet habe; ſein ehlich Ge- mahl aber, deren Bild jetzt eben von der Pfeilerwand auf uns niederblickt, überlebte den Sturz ihres Mannes um faſt volle dreißig Jahre. Blumberg, der Ort ihrer Kindheit, wo vordem ihr Vater und dann ihr Gatte vor der ſchneidend kalten Hofluft Zu- flucht geſucht hatten, blieb ihr lieb, weil die Geſchichte ihres Lebens mit ihm verwachſen und die Stille ſeiner Felder ihr mehr und mehr ein Bedürfniß geworden war. Aber freilich der Frieden des Gemüths, nach dem ſie rang, blieb ihr verſagt, wie er ihr ſchon in ihrer Jugend verſagt geweſen war. Neue Kränkungen geſellten ſich zu alter Bitterkeit, Kränkungen, die dadurch nicht geringer wurden, daß ſie unbeabſichtigt waren. Den Kummer ihres Alters ſchuf ihr ihre eigene Tochter. Dieſe ſchien ganz ihres Vaters Kind zu ſein, der, wie wir eben citirt haben „ein ge- waltiger Courmacher und Serenadenbringer“ geweſen war. Drei- mal verheirathete ſich dieſe Tochter. Ihr erſter Mann, ein Frei- herr von Canitz, ſtarb, — das war ein Unglück; von ihrem zweiten Gemahl, einem General v. d. Goltz, ließ ſie ſich ſcheiden — das war erträglich; daß ſie ſich aber zum dritten Male nicht blos ver- verheirathete, ſondern dieſen dritten Mann, den ſie nie geſehen, von Paris her ſich ſchicken ließ, das war mehr, als die Oberkammerherrin von Burgsdorf, die funfzig Jahre lang erſt als die Tochter und dann als die Gattin des vornehmſten Mannes in Kurmark Brandenburg gelebt hatte, ruhig ertragen konnte. Dieſe Heirath zehrte an ihrem Herzen und vergällte ihr das letzte Jahrzehnt ihres Lebens.
Die Ehe ſelbſt aber, die zu dieſer Verbitterung Anlaß gab, bildet einen zu charakteriſtiſchen Zug für die Sittengeſchichte jener Zeit, als daß ich es mir verſagen könnte, den Hergang ausführlicher zu erzählen.
Frau von der Goltz (geborene von Burgsdorf, verwittwete von Canitz) war kaum von ihrem zweiten Manne, dem General von
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beſtändig erinnerte; Kurfürſtin Henriette Louiſe war eine fromme
Frau, der alles Laſterleben ein Greuel war, und nachdem Unzucht
und Völlerei ſo lang ihr wüſtes Haupt auf den Tiſch gelegt hatten,
wurd’ eben damals die Sitte wieder erſtes Gebot. Konrad von
Burgsdorf ſtarb bald, nachdem er in Ungnade gefallen war.
Es heißt, daß er ſinn- und troſtlos geendet habe; ſein ehlich Ge-
mahl aber, deren Bild jetzt eben von der Pfeilerwand auf uns
niederblickt, überlebte den Sturz ihres Mannes um faſt volle dreißig
Jahre. Blumberg, der Ort ihrer Kindheit, wo vordem ihr Vater
und dann ihr Gatte vor der ſchneidend kalten Hofluft Zu-
flucht geſucht hatten, blieb ihr lieb, weil die Geſchichte ihres Lebens
mit ihm verwachſen und die Stille ſeiner Felder ihr mehr und
mehr ein Bedürfniß geworden war. Aber freilich der Frieden des
Gemüths, nach dem ſie rang, blieb ihr verſagt, wie er ihr ſchon
in ihrer Jugend verſagt geweſen war. Neue Kränkungen geſellten
ſich zu alter Bitterkeit, Kränkungen, die dadurch nicht geringer
wurden, daß ſie unbeabſichtigt waren. Den Kummer ihres Alters
ſchuf ihr ihre eigene Tochter. Dieſe ſchien ganz ihres Vaters
Kind zu ſein, der, wie wir eben citirt haben „ein ge-
waltiger Courmacher und Serenadenbringer“ geweſen war. Drei-
mal verheirathete ſich dieſe Tochter. Ihr erſter Mann, ein Frei-
herr von Canitz, ſtarb, — das war ein Unglück; von ihrem zweiten
Gemahl, einem General v. d. Goltz, ließ ſie ſich ſcheiden — das
war erträglich; daß ſie ſich aber zum dritten Male nicht blos ver-
verheirathete, ſondern dieſen dritten Mann, den ſie nie geſehen,
von Paris her ſich ſchicken ließ, das war mehr, als die
Oberkammerherrin von Burgsdorf, die funfzig Jahre lang erſt als
die Tochter und dann als die Gattin des vornehmſten Mannes
in Kurmark Brandenburg gelebt hatte, ruhig ertragen konnte.
Dieſe Heirath zehrte an ihrem Herzen und vergällte ihr das letzte
Jahrzehnt ihres Lebens.
Die Ehe ſelbſt aber, die zu dieſer Verbitterung Anlaß gab, bildet
einen zu charakteriſtiſchen Zug für die Sittengeſchichte jener Zeit,
als daß ich es mir verſagen könnte, den Hergang ausführlicher
zu erzählen.
Frau von der Goltz (geborene von Burgsdorf, verwittwete von
Canitz) war kaum von ihrem zweiten Manne, dem General von
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/214>, abgerufen am 25.11.2024.
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