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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Undanks oder doch der Gleichgültigkeit gegen die allgemeinen In-
teressen auf sich geladen hätte. Canitz drängte sich nicht zu Diensten,
aber so oft er sie übernahm, zeigte er sich ihnen gewachsen. Leicht
und gewissenhaft zugleich ging er an die Lösung empfangener
Aufgaben und die graziöse Hand, mit der er die Fragen be-
rührte, pflegte zugleich eine glückliche Hand zu sein. Fast an allen
deutschen Höfen war er eine wohlgekannte und wohlgelittene Per-
sönlichkeit und Kaiser Leopold bezeugte ihm vielfach seine Gnade
und sein besonderes Wohlwollen.

Canitzen's letztes und vielleicht bedeutendstes diplomatisches
Auftreten war im Haag, wo damals die Minen gelegt wurden,
um den Ryßwicker Friedensschluß, der so viele Interessen verletzte
und so viele Gefahren heraufbeschwor, wieder zu sprengen. Canitz
zeichnete sich auch hier durch jene Klugheit und feine Besonnenheit
aus, die, weil sie geflissentlich leise die Fäden zu schürzen oder
zu entwirren sucht, gemeinhin auf den Beifall zu verzichten hat,
der so leicht in all jenen Fällen sich einstellt, wo ein Diplomat
so undiplomatisch wie möglich den Knoten zerhaut. Das heraus-
fordernde Wort eines Rücksichtslosen, dessen Punktum bereits ein
erster Kanonenschuß ist, wird jubelnd aufbewahrt, während die
kluge Haltung Dessen, der eine heranziehende Gefahr beschwört,
gemeinhin unbeachtet bleibt. Alles, was sich vor aller Welt Augen
zu einem bestimmten Bilde abrundet, ist immer im Vortheil über
das Unplastische, das sich in vertraulichem Rath oder gar
in einer bloßen Aktenstückszeile vollzieht, und jener Erich Christoph
v. Plotho, der zu Regensburg mit jenem berühmt gewordenen:
"was! insinuiren??" den kaiserlichen Notar, Dr. April, die Treppe
hinunterwarf, hat ein ganzes Dutzend Diplomaten in Schatten
gestellt.*) Ueberall da, wo das Wort Friedrichs des Großen gilt:

*) Ich hätte hier statt des v. Plothoschen auch ein anderes Beispiel citiren
können, ein Beispiel aus der Canitz'schen Zeit und noch dazu ein Vor-
kommniß, in dem der Spezialfreund unseres Poeten, der schon an anderer
Stelle genannte Johann von Besser, die Hauptrolle spielt. Besser war
1686 kurbrandenburgischer Gesandter in London, und es handelte sich, nach
erfolgtem Tode Karl's II. für das ganze diplomatische Corps darum, dem nun-
mehrigen Könige Jacob II. die Glückwünsche ihrer resp. Höfe zu überreichen. Der
alte venetianische Gesandte Vignola verlangte den Vortritt vor Besser; Besser aber

Undanks oder doch der Gleichgültigkeit gegen die allgemeinen In-
tereſſen auf ſich geladen hätte. Canitz drängte ſich nicht zu Dienſten,
aber ſo oft er ſie übernahm, zeigte er ſich ihnen gewachſen. Leicht
und gewiſſenhaft zugleich ging er an die Löſung empfangener
Aufgaben und die graziöſe Hand, mit der er die Fragen be-
rührte, pflegte zugleich eine glückliche Hand zu ſein. Faſt an allen
deutſchen Höfen war er eine wohlgekannte und wohlgelittene Per-
ſönlichkeit und Kaiſer Leopold bezeugte ihm vielfach ſeine Gnade
und ſein beſonderes Wohlwollen.

Canitzen’s letztes und vielleicht bedeutendſtes diplomatiſches
Auftreten war im Haag, wo damals die Minen gelegt wurden,
um den Ryßwicker Friedensſchluß, der ſo viele Intereſſen verletzte
und ſo viele Gefahren heraufbeſchwor, wieder zu ſprengen. Canitz
zeichnete ſich auch hier durch jene Klugheit und feine Beſonnenheit
aus, die, weil ſie gefliſſentlich leiſe die Fäden zu ſchürzen oder
zu entwirren ſucht, gemeinhin auf den Beifall zu verzichten hat,
der ſo leicht in all jenen Fällen ſich einſtellt, wo ein Diplomat
ſo undiplomatiſch wie möglich den Knoten zerhaut. Das heraus-
fordernde Wort eines Rückſichtsloſen, deſſen Punktum bereits ein
erſter Kanonenſchuß iſt, wird jubelnd aufbewahrt, während die
kluge Haltung Deſſen, der eine heranziehende Gefahr beſchwört,
gemeinhin unbeachtet bleibt. Alles, was ſich vor aller Welt Augen
zu einem beſtimmten Bilde abrundet, iſt immer im Vortheil über
das Unplaſtiſche, das ſich in vertraulichem Rath oder gar
in einer bloßen Aktenſtückszeile vollzieht, und jener Erich Chriſtoph
v. Plotho, der zu Regensburg mit jenem berühmt gewordenen:
„was! inſinuiren??“ den kaiſerlichen Notar, Dr. April, die Treppe
hinunterwarf, hat ein ganzes Dutzend Diplomaten in Schatten
geſtellt.*) Ueberall da, wo das Wort Friedrichs des Großen gilt:

*) Ich hätte hier ſtatt des v. Plothoſchen auch ein anderes Beiſpiel citiren
können, ein Beiſpiel aus der Canitz’ſchen Zeit und noch dazu ein Vor-
kommniß, in dem der Spezialfreund unſeres Poeten, der ſchon an anderer
Stelle genannte Johann von Beſſer, die Hauptrolle ſpielt. Beſſer war
1686 kurbrandenburgiſcher Geſandter in London, und es handelte ſich, nach
erfolgtem Tode Karl’s II. für das ganze diplomatiſche Corps darum, dem nun-
mehrigen Könige Jacob II. die Glückwünſche ihrer reſp. Höfe zu überreichen. Der
alte venetianiſche Geſandte Vignola verlangte den Vortritt vor Beſſer; Beſſer aber
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[206/0222] Undanks oder doch der Gleichgültigkeit gegen die allgemeinen In- tereſſen auf ſich geladen hätte. Canitz drängte ſich nicht zu Dienſten, aber ſo oft er ſie übernahm, zeigte er ſich ihnen gewachſen. Leicht und gewiſſenhaft zugleich ging er an die Löſung empfangener Aufgaben und die graziöſe Hand, mit der er die Fragen be- rührte, pflegte zugleich eine glückliche Hand zu ſein. Faſt an allen deutſchen Höfen war er eine wohlgekannte und wohlgelittene Per- ſönlichkeit und Kaiſer Leopold bezeugte ihm vielfach ſeine Gnade und ſein beſonderes Wohlwollen. Canitzen’s letztes und vielleicht bedeutendſtes diplomatiſches Auftreten war im Haag, wo damals die Minen gelegt wurden, um den Ryßwicker Friedensſchluß, der ſo viele Intereſſen verletzte und ſo viele Gefahren heraufbeſchwor, wieder zu ſprengen. Canitz zeichnete ſich auch hier durch jene Klugheit und feine Beſonnenheit aus, die, weil ſie gefliſſentlich leiſe die Fäden zu ſchürzen oder zu entwirren ſucht, gemeinhin auf den Beifall zu verzichten hat, der ſo leicht in all jenen Fällen ſich einſtellt, wo ein Diplomat ſo undiplomatiſch wie möglich den Knoten zerhaut. Das heraus- fordernde Wort eines Rückſichtsloſen, deſſen Punktum bereits ein erſter Kanonenſchuß iſt, wird jubelnd aufbewahrt, während die kluge Haltung Deſſen, der eine heranziehende Gefahr beſchwört, gemeinhin unbeachtet bleibt. Alles, was ſich vor aller Welt Augen zu einem beſtimmten Bilde abrundet, iſt immer im Vortheil über das Unplaſtiſche, das ſich in vertraulichem Rath oder gar in einer bloßen Aktenſtückszeile vollzieht, und jener Erich Chriſtoph v. Plotho, der zu Regensburg mit jenem berühmt gewordenen: „was! inſinuiren??“ den kaiſerlichen Notar, Dr. April, die Treppe hinunterwarf, hat ein ganzes Dutzend Diplomaten in Schatten geſtellt. *) Ueberall da, wo das Wort Friedrichs des Großen gilt: *) Ich hätte hier ſtatt des v. Plothoſchen auch ein anderes Beiſpiel citiren können, ein Beiſpiel aus der Canitz’ſchen Zeit und noch dazu ein Vor- kommniß, in dem der Spezialfreund unſeres Poeten, der ſchon an anderer Stelle genannte Johann von Beſſer, die Hauptrolle ſpielt. Beſſer war 1686 kurbrandenburgiſcher Geſandter in London, und es handelte ſich, nach erfolgtem Tode Karl’s II. für das ganze diplomatiſche Corps darum, dem nun- mehrigen Könige Jacob II. die Glückwünſche ihrer reſp. Höfe zu überreichen. Der alte venetianiſche Geſandte Vignola verlangte den Vortritt vor Beſſer; Beſſer aber

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/222>, abgerufen am 26.11.2024.