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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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jener Tage. Beide Zimmer sind durch eine Thür von Eichenholz mit
einander verbunden, wie denn auch niedrige Eichenholz-Paneele die
Wände bekleiden, während in den vier Ecken oben vier Lyras
angebracht sind, die so genirt dreinsehen, als befänden sie sich lieber
wo anders. Und doch haben sie wenigstens Gesellschaft: zwei Bas-
reliefs (in jedem Zimmer eins) die sich als Wandschmuck zwischen
Kamin und Decke schieben. Das eine stellt eine "Toilette der
Venus," das andere eine "Venusfeier" dar. Auf jenem erblicken
wir nichts als die herkömmlichen Amoretten, schnäbelnde Tauben,
Rosen-Guirlanden etc., das zweite dagegen thut ein Uebriges und
nackte Gestalten von ganz unglaublichen Formen umtanzen eine
Venusstatue, während ein Satyr von hinten her eine Bacchantin
umklammert und die Widerstrebende zum Tanze zwingt. An
anderem Orte würde dieser lustige Heidenspuk wenig bedeuten, hier
im Schlosse zu Wusterhausen aber nimmt er sich wunderlich genug
aus und paßt seltsam zu dem Waschbecken drüben mit dem dicken
steinernen Stöpsel.

Das erste dieser Zimmer, das sich mit der "Toilette der
Venus" begnügt, führt durch eine Seitenthür auf eine Art Rampe,
die ziemlich steil nach dem Park hin abfällt. Diesen Weg machte
wahrscheinlich der König, wenn er in seinem Gichtstuhl in den
Garten hinein und wieder zurückgerollt wurde. Bekanntlich war
Treppensteigen nicht seine Sache.

Wir aber treten jetzt ebenfalls in's Freie hinaus und athmen
auf im Sonnenlicht und in dem Wiesendufte, den eine Luftwelle
herüber trägt. Eine mächtige alte Linde, hart zu Füßen der Rampe,
ladet uns ein unter ihrem Zweigwerk Platz zu nehmen und wir
sitzen nun muthmaßlich unter demselben Blätterdach "unter dem
die Damen, wenns regnete, bis an die Waden im Wasser saßen".
Die Parkwiese liegt vor uns, Hummel und Käfer summen darüber
hin und das Mühlenfließ uns zur Rechten fällt leis über das
Wehr. Träume nehmen den Geist gefangen und führen ihn weit
weit fort in südliche Lande, zu Tempeltrümmern und Götterbil-
dern. Aber ein Satyr lauscht plötzlich daraus hervor. Es ist
derselbe, der der tanzenden Bacchantin da drinnen im Nacken sitzt
und siehe, die Prosa-Bilder von Schloß Wusterhausen schieben sich
plötzlich wieder vor die Bilder klassischer Schönheit.

jener Tage. Beide Zimmer ſind durch eine Thür von Eichenholz mit
einander verbunden, wie denn auch niedrige Eichenholz-Paneele die
Wände bekleiden, während in den vier Ecken oben vier Lyras
angebracht ſind, die ſo genirt dreinſehen, als befänden ſie ſich lieber
wo anders. Und doch haben ſie wenigſtens Geſellſchaft: zwei Bas-
reliefs (in jedem Zimmer eins) die ſich als Wandſchmuck zwiſchen
Kamin und Decke ſchieben. Das eine ſtellt eine „Toilette der
Venus,“ das andere eine „Venusfeier“ dar. Auf jenem erblicken
wir nichts als die herkömmlichen Amoretten, ſchnäbelnde Tauben,
Roſen-Guirlanden ꝛc., das zweite dagegen thut ein Uebriges und
nackte Geſtalten von ganz unglaublichen Formen umtanzen eine
Venusſtatue, während ein Satyr von hinten her eine Bacchantin
umklammert und die Widerſtrebende zum Tanze zwingt. An
anderem Orte würde dieſer luſtige Heidenſpuk wenig bedeuten, hier
im Schloſſe zu Wuſterhauſen aber nimmt er ſich wunderlich genug
aus und paßt ſeltſam zu dem Waſchbecken drüben mit dem dicken
ſteinernen Stöpſel.

Das erſte dieſer Zimmer, das ſich mit der „Toilette der
Venus“ begnügt, führt durch eine Seitenthür auf eine Art Rampe,
die ziemlich ſteil nach dem Park hin abfällt. Dieſen Weg machte
wahrſcheinlich der König, wenn er in ſeinem Gichtſtuhl in den
Garten hinein und wieder zurückgerollt wurde. Bekanntlich war
Treppenſteigen nicht ſeine Sache.

Wir aber treten jetzt ebenfalls in’s Freie hinaus und athmen
auf im Sonnenlicht und in dem Wieſendufte, den eine Luftwelle
herüber trägt. Eine mächtige alte Linde, hart zu Füßen der Rampe,
ladet uns ein unter ihrem Zweigwerk Platz zu nehmen und wir
ſitzen nun muthmaßlich unter demſelben Blätterdach „unter dem
die Damen, wenns regnete, bis an die Waden im Waſſer ſaßen“.
Die Parkwieſe liegt vor uns, Hummel und Käfer ſummen darüber
hin und das Mühlenfließ uns zur Rechten fällt leis über das
Wehr. Träume nehmen den Geiſt gefangen und führen ihn weit
weit fort in ſüdliche Lande, zu Tempeltrümmern und Götterbil-
dern. Aber ein Satyr lauſcht plötzlich daraus hervor. Es iſt
derſelbe, der der tanzenden Bacchantin da drinnen im Nacken ſitzt
und ſiehe, die Proſa-Bilder von Schloß Wuſterhauſen ſchieben ſich
plötzlich wieder vor die Bilder klaſſiſcher Schönheit.

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[260/0276] jener Tage. Beide Zimmer ſind durch eine Thür von Eichenholz mit einander verbunden, wie denn auch niedrige Eichenholz-Paneele die Wände bekleiden, während in den vier Ecken oben vier Lyras angebracht ſind, die ſo genirt dreinſehen, als befänden ſie ſich lieber wo anders. Und doch haben ſie wenigſtens Geſellſchaft: zwei Bas- reliefs (in jedem Zimmer eins) die ſich als Wandſchmuck zwiſchen Kamin und Decke ſchieben. Das eine ſtellt eine „Toilette der Venus,“ das andere eine „Venusfeier“ dar. Auf jenem erblicken wir nichts als die herkömmlichen Amoretten, ſchnäbelnde Tauben, Roſen-Guirlanden ꝛc., das zweite dagegen thut ein Uebriges und nackte Geſtalten von ganz unglaublichen Formen umtanzen eine Venusſtatue, während ein Satyr von hinten her eine Bacchantin umklammert und die Widerſtrebende zum Tanze zwingt. An anderem Orte würde dieſer luſtige Heidenſpuk wenig bedeuten, hier im Schloſſe zu Wuſterhauſen aber nimmt er ſich wunderlich genug aus und paßt ſeltſam zu dem Waſchbecken drüben mit dem dicken ſteinernen Stöpſel. Das erſte dieſer Zimmer, das ſich mit der „Toilette der Venus“ begnügt, führt durch eine Seitenthür auf eine Art Rampe, die ziemlich ſteil nach dem Park hin abfällt. Dieſen Weg machte wahrſcheinlich der König, wenn er in ſeinem Gichtſtuhl in den Garten hinein und wieder zurückgerollt wurde. Bekanntlich war Treppenſteigen nicht ſeine Sache. Wir aber treten jetzt ebenfalls in’s Freie hinaus und athmen auf im Sonnenlicht und in dem Wieſendufte, den eine Luftwelle herüber trägt. Eine mächtige alte Linde, hart zu Füßen der Rampe, ladet uns ein unter ihrem Zweigwerk Platz zu nehmen und wir ſitzen nun muthmaßlich unter demſelben Blätterdach „unter dem die Damen, wenns regnete, bis an die Waden im Waſſer ſaßen“. Die Parkwieſe liegt vor uns, Hummel und Käfer ſummen darüber hin und das Mühlenfließ uns zur Rechten fällt leis über das Wehr. Träume nehmen den Geiſt gefangen und führen ihn weit weit fort in ſüdliche Lande, zu Tempeltrümmern und Götterbil- dern. Aber ein Satyr lauſcht plötzlich daraus hervor. Es iſt derſelbe, der der tanzenden Bacchantin da drinnen im Nacken ſitzt und ſiehe, die Proſa-Bilder von Schloß Wuſterhauſen ſchieben ſich plötzlich wieder vor die Bilder klaſſiſcher Schönheit.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/276>, abgerufen am 22.11.2024.