Bethmann, die die Hauptrolle gab, wußte die Pointen und Schlagwörter geschickt hervorzuheben. Auch den andern Mit- spielenden: Beschort und Maurer und der anmuthigen Demoiselle Fleck (nachmaligen Frau Professor Gubitz) vor allem aber der Demoi- selle Doebelin, welche eine böse Alte spielte, sah man es nicht an, daß Berlin einschließlich des Schauspielhauses so zu sagen auf einem Pulverfasse stand. Am Schlusse des 2. Akts eilt' ich auf eine gute halbe Stunde hinaus, um zu sehn ob man etwas Neues wisse. Der Kriegsjammer zeigte sich schon. Bauerwagen mit Verwundeten kamen langsam vom Halleschen Thore her. Man fuhr sie nach den Lazarethen; alle leichter Blessirten aber nahmen die Bürger mit Herzlichkeit in ihren Häusern auf.
Ich hielt mich wieder auf die Linden zu, denn ich war hungerig und gedachte mich in der Habelschen Weinstube zu restauriren. In dem Lokale selbst war ein beständiges Kommen und Gehn. Am letzten Fenster links saßen einige meiner Bekannte: Herklots der Theaterdichter, der Kunstkenner Hofrath Hirt -- damals einer der schönsten Männer Berlins -- und der Maler Hummel, ein unzertrennliches Habelsches Trifolium. In der Mitte des Zimmers aber hatte man einen Husaren umringt, der einen Transport Verwundeter eingebracht und selbst einen tüchtigen Hieb über das Gesicht bekommen hatte. Von ihm erfuhren wir einiges Nähere, vor allem, daß die Franzosen sich auf Trebbin zurückzögen und daß unser Sieg so gut wie gewiß sei.
"Noch kann das Theater nicht aus sein" enthusiasmirte sich Herklots "ich muß die Nachricht dorthin bringen." Und im selben Augenblick ergriff er seinen großen rothseidenen Regenschirm und war's auch zufrieden, daß ich ihn begleitete. Wir langten auf der Bühne kurz vor dem Schlusse des Singspiels: "Das Ge- heimniß" an und theilten Unzelmann der den Bedienten Thomas spielte, die Siegesbotschaft mit. Er ergriff sofort den dreieckigen Bedientenhut und trat auf die Bühne hinaus, obgleich seine Scene nicht an der Reihe war. Die Schauspielerin, welche die Hofräthin gab, sah ihn befremdet an, er aber extempo- rirte sofort im Tone seiner Rolle: "Wollte der Frau Hof- räthin und den Herrschaften da unten (aufs Publikum zeigend) nur melden, daß wir heute keine französische Einquar-
Bethmann, die die Hauptrolle gab, wußte die Pointen und Schlagwörter geſchickt hervorzuheben. Auch den andern Mit- ſpielenden: Beſchort und Maurer und der anmuthigen Demoiſelle Fleck (nachmaligen Frau Profeſſor Gubitz) vor allem aber der Demoi- ſelle Doebelin, welche eine böſe Alte ſpielte, ſah man es nicht an, daß Berlin einſchließlich des Schauſpielhauſes ſo zu ſagen auf einem Pulverfaſſe ſtand. Am Schluſſe des 2. Akts eilt’ ich auf eine gute halbe Stunde hinaus, um zu ſehn ob man etwas Neues wiſſe. Der Kriegsjammer zeigte ſich ſchon. Bauerwagen mit Verwundeten kamen langſam vom Halleſchen Thore her. Man fuhr ſie nach den Lazarethen; alle leichter Bleſſirten aber nahmen die Bürger mit Herzlichkeit in ihren Häuſern auf.
Ich hielt mich wieder auf die Linden zu, denn ich war hungerig und gedachte mich in der Habelſchen Weinſtube zu reſtauriren. In dem Lokale ſelbſt war ein beſtändiges Kommen und Gehn. Am letzten Fenſter links ſaßen einige meiner Bekannte: Herklots der Theaterdichter, der Kunſtkenner Hofrath Hirt — damals einer der ſchönſten Männer Berlins — und der Maler Hummel, ein unzertrennliches Habelſches Trifolium. In der Mitte des Zimmers aber hatte man einen Huſaren umringt, der einen Transport Verwundeter eingebracht und ſelbſt einen tüchtigen Hieb über das Geſicht bekommen hatte. Von ihm erfuhren wir einiges Nähere, vor allem, daß die Franzoſen ſich auf Trebbin zurückzögen und daß unſer Sieg ſo gut wie gewiß ſei.
„Noch kann das Theater nicht aus ſein“ enthuſiasmirte ſich Herklots „ich muß die Nachricht dorthin bringen.“ Und im ſelben Augenblick ergriff er ſeinen großen rothſeidenen Regenſchirm und war’s auch zufrieden, daß ich ihn begleitete. Wir langten auf der Bühne kurz vor dem Schluſſe des Singſpiels: „Das Ge- heimniß“ an und theilten Unzelmann der den Bedienten Thomas ſpielte, die Siegesbotſchaft mit. Er ergriff ſofort den dreieckigen Bedientenhut und trat auf die Bühne hinaus, obgleich ſeine Scene nicht an der Reihe war. Die Schauſpielerin, welche die Hofräthin gab, ſah ihn befremdet an, er aber extempo- rirte ſofort im Tone ſeiner Rolle: „Wollte der Frau Hof- räthin und den Herrſchaften da unten (aufs Publikum zeigend) nur melden, daß wir heute keine franzöſiſche Einquar-
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Bethmann, die die Hauptrolle gab, wußte die Pointen und
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ſpielenden: Beſchort und Maurer und der anmuthigen Demoiſelle
Fleck (nachmaligen Frau Profeſſor Gubitz) vor allem aber der Demoi-
ſelle Doebelin, welche eine böſe Alte ſpielte, ſah man es nicht an,
daß Berlin einſchließlich des Schauſpielhauſes ſo zu ſagen auf
einem Pulverfaſſe ſtand. Am Schluſſe des 2. Akts eilt’ ich auf
eine gute halbe Stunde hinaus, um zu ſehn ob man etwas Neues
wiſſe. Der Kriegsjammer zeigte ſich ſchon. Bauerwagen mit
Verwundeten kamen langſam vom Halleſchen Thore her. Man
fuhr ſie nach den Lazarethen; alle leichter Bleſſirten aber nahmen
die Bürger mit Herzlichkeit in ihren Häuſern auf.
Ich hielt mich wieder auf die Linden zu, denn ich war
hungerig und gedachte mich in der Habelſchen Weinſtube zu
reſtauriren. In dem Lokale ſelbſt war ein beſtändiges Kommen
und Gehn. Am letzten Fenſter links ſaßen einige meiner Bekannte:
Herklots der Theaterdichter, der Kunſtkenner Hofrath Hirt
— damals einer der ſchönſten Männer Berlins — und der
Maler Hummel, ein unzertrennliches Habelſches Trifolium. In
der Mitte des Zimmers aber hatte man einen Huſaren umringt, der
einen Transport Verwundeter eingebracht und ſelbſt einen tüchtigen
Hieb über das Geſicht bekommen hatte. Von ihm erfuhren wir
einiges Nähere, vor allem, daß die Franzoſen ſich auf Trebbin
zurückzögen und daß unſer Sieg ſo gut wie gewiß ſei.
„Noch kann das Theater nicht aus ſein“ enthuſiasmirte ſich
Herklots „ich muß die Nachricht dorthin bringen.“ Und im ſelben
Augenblick ergriff er ſeinen großen rothſeidenen Regenſchirm und
war’s auch zufrieden, daß ich ihn begleitete. Wir langten auf
der Bühne kurz vor dem Schluſſe des Singſpiels: „Das Ge-
heimniß“ an und theilten Unzelmann der den Bedienten
Thomas ſpielte, die Siegesbotſchaft mit. Er ergriff ſofort den
dreieckigen Bedientenhut und trat auf die Bühne hinaus, obgleich
ſeine Scene nicht an der Reihe war. Die Schauſpielerin, welche
die Hofräthin gab, ſah ihn befremdet an, er aber extempo-
rirte ſofort im Tone ſeiner Rolle: „Wollte der Frau Hof-
räthin und den Herrſchaften da unten (aufs Publikum zeigend)
nur melden, daß wir heute keine franzöſiſche Einquar-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/332>, abgerufen am 24.11.2024.
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