"Und dies ist also der große Stein. War er viel größer als der andre?"
"Nein, ich hab' ihn zwar nicht mehr gesehn, aber die Leute sagen es ja."
"Was?"
"Nu, daß er nich viel größer war .. Und so um die 20er Jahre rum wurd' er in drei Stücke gesprengt, gerad so wie Sie 'ne Birn' in drei Stücke schneiden: links 'ne Backe un rechts 'ne Backe, und in der Mitte das Mittelstück. Un aus 's Mittelstück haben sie ja nu die große Schale gemacht, die jetzt auf'n Berliner Lustgarten steht, und die linke Backe, das is das Stück, das wir hier sehen, un die rechte Backe, die werd' ich Ihnen nachher zeigen."
"Ist es nöthig, sie zu sehen?"
"Ja, die müssen Sie sehen. Ich zeig Ihnen alles, wie sich's gehört. Und es heißt auch die "Schöne Aussicht"."
Alsbald saßen wir wieder in unsrem Wagen und fuhren jetzt im Zickzack auf eine sandige Höhe hinauf. An höchster Stelle hielten die Pferde wie von selbst und Moll sagte: "Hier ist es. Dies ist die "Schöne Aussicht"."
"Und die Backe?"
"Die liegt hier." Und dabei wies er auf ein sonderbares Granitmobiliar, das mich, auf den ersten Blick wenigstens, an Stonehenge erinnerte, jenen alten Druidenplatz in der Nähe von Salisbury, den man in Kunstatlassen und illustrirten Architektur- geschichten abgebildet findet. Im Quadrat standen vier Steinbänke, dazwischen präsentirte sich ein großer, runder Steintisch, alles aus dem Granitstück gefertigt, das man von dem Stein unten abge- sprengt hatte.
Der Wagenplatz, auf dem ich saß, war höher als das Stein- mobiliar und gönnte mir einen freieren Umblick. Alles in der Welt aber hat sein Gesetz, und wer auf der "Schönen Aussicht" ist, hat nun mal die Pflicht sich auf den Steintisch zu stellen, um von ihm aus und nur von ihm aus die Landschaft zu mustern. Und so that ich denn wie mir geboten und genoß auch von diesem niedrigeren Standpunkt aus, eines immer noch entzückenden Rund- blicks, ein weitgespanntes Panorama. Die Dürftigkeiten verschwanden,
„Und dies iſt alſo der große Stein. War er viel größer als der andre?“
„Nein, ich hab’ ihn zwar nicht mehr geſehn, aber die Leute ſagen es ja.“
„Was?“
„Nu, daß er nich viel größer war .. Und ſo um die 20er Jahre rum wurd’ er in drei Stücke geſprengt, gerad ſo wie Sie ’ne Birn’ in drei Stücke ſchneiden: links ’ne Backe un rechts ’ne Backe, und in der Mitte das Mittelſtück. Un aus ’s Mittelſtück haben ſie ja nu die große Schale gemacht, die jetzt auf’n Berliner Luſtgarten ſteht, und die linke Backe, das is das Stück, das wir hier ſehen, un die rechte Backe, die werd’ ich Ihnen nachher zeigen.“
„Iſt es nöthig, ſie zu ſehen?“
„Ja, die müſſen Sie ſehen. Ich zeig Ihnen alles, wie ſich’s gehört. Und es heißt auch die „Schöne Ausſicht“.“
Alsbald ſaßen wir wieder in unſrem Wagen und fuhren jetzt im Zickzack auf eine ſandige Höhe hinauf. An höchſter Stelle hielten die Pferde wie von ſelbſt und Moll ſagte: „Hier iſt es. Dies iſt die „Schöne Ausſicht“.“
„Und die Backe?“
„Die liegt hier.“ Und dabei wies er auf ein ſonderbares Granitmobiliar, das mich, auf den erſten Blick wenigſtens, an Stonehenge erinnerte, jenen alten Druidenplatz in der Nähe von Salisbury, den man in Kunſtatlaſſen und illuſtrirten Architektur- geſchichten abgebildet findet. Im Quadrat ſtanden vier Steinbänke, dazwiſchen präſentirte ſich ein großer, runder Steintiſch, alles aus dem Granitſtück gefertigt, das man von dem Stein unten abge- ſprengt hatte.
Der Wagenplatz, auf dem ich ſaß, war höher als das Stein- mobiliar und gönnte mir einen freieren Umblick. Alles in der Welt aber hat ſein Geſetz, und wer auf der „Schönen Ausſicht“ iſt, hat nun mal die Pflicht ſich auf den Steintiſch zu ſtellen, um von ihm aus und nur von ihm aus die Landſchaft zu muſtern. Und ſo that ich denn wie mir geboten und genoß auch von dieſem niedrigeren Standpunkt aus, eines immer noch entzückenden Rund- blicks, ein weitgeſpanntes Panorama. Die Dürftigkeiten verſchwanden,
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„Und dies iſt alſo der große Stein. War er viel größer
als der andre?“
„Nein, ich hab’ ihn zwar nicht mehr geſehn, aber die Leute
ſagen es ja.“
„Was?“
„Nu, daß er nich viel größer war .. Und ſo um die 20er
Jahre rum wurd’ er in drei Stücke geſprengt, gerad ſo wie Sie
’ne Birn’ in drei Stücke ſchneiden: links ’ne Backe un rechts ’ne
Backe, und in der Mitte das Mittelſtück. Un aus ’s Mittelſtück
haben ſie ja nu die große Schale gemacht, die jetzt auf’n Berliner
Luſtgarten ſteht, und die linke Backe, das is das Stück, das wir
hier ſehen, un die rechte Backe, die werd’ ich Ihnen nachher
zeigen.“
„Iſt es nöthig, ſie zu ſehen?“
„Ja, die müſſen Sie ſehen. Ich zeig Ihnen alles, wie ſich’s
gehört. Und es heißt auch die „Schöne Ausſicht“.“
Alsbald ſaßen wir wieder in unſrem Wagen und fuhren jetzt
im Zickzack auf eine ſandige Höhe hinauf. An höchſter Stelle
hielten die Pferde wie von ſelbſt und Moll ſagte: „Hier iſt es.
Dies iſt die „Schöne Ausſicht“.“
„Und die Backe?“
„Die liegt hier.“ Und dabei wies er auf ein ſonderbares
Granitmobiliar, das mich, auf den erſten Blick wenigſtens, an
Stonehenge erinnerte, jenen alten Druidenplatz in der Nähe von
Salisbury, den man in Kunſtatlaſſen und illuſtrirten Architektur-
geſchichten abgebildet findet. Im Quadrat ſtanden vier Steinbänke,
dazwiſchen präſentirte ſich ein großer, runder Steintiſch, alles aus
dem Granitſtück gefertigt, das man von dem Stein unten abge-
ſprengt hatte.
Der Wagenplatz, auf dem ich ſaß, war höher als das Stein-
mobiliar und gönnte mir einen freieren Umblick. Alles in der
Welt aber hat ſein Geſetz, und wer auf der „Schönen Ausſicht“
iſt, hat nun mal die Pflicht ſich auf den Steintiſch zu ſtellen, um
von ihm aus und nur von ihm aus die Landſchaft zu muſtern.
Und ſo that ich denn wie mir geboten und genoß auch von dieſem
niedrigeren Standpunkt aus, eines immer noch entzückenden Rund-
blicks, ein weitgeſpanntes Panorama. Die Dürftigkeiten verſchwanden,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/39>, abgerufen am 21.11.2024.
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