Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

Bruder waren, darüber verlautet nichts; sehr wahrscheinlich ähnelten
sie sich zu sehr, um Gefallen an einander zu finden. Ihre Sonder-
barkeiten waren nicht gleich, aber in der Art, in der sie sich gaben,
zeigte sich doch die Verwandtschaft.

Unter Graf Heinrichs vielen und sich immer ablösenden
Passionen war eine Zeit lang auch die landwirthschaftliche, der er
sich hingab, ohne nach Wissen und Erfahrung oder auch nur nach
wirklicher Neigung ein Landwirth zu sein. Immer wollt' er kaufen
und melioriren, am liebsten aber Wunder thun, und verfiel dabei
regelmäßig in bloße Scurrilitäten, auch wenn er ausnahmsweise
leidlich verständig begonnen hatte. Nur ein Beispiel. Unter den
ihm verbliebenen Besitzungen war auch ein Gut in der Neumark,
auf dem er -- wohl in Folge von Anregungen, wie sie gerade
damals durch Thaer und Koppe gegeben wurden -- eine Förderung
der Schafzucht und vor allem die Beseitigung der sogenannten
Drehkrankheit erstrebte. Diese wegzuschaffen, war er nicht blos
ernst und fest entschlossen, sondern lebte zuletzt auch des Glaubens,
ein wirkliches Präservativ gegen dieselbe gefunden zu haben. Er
gab zu diesem Behufe, so heißt es, allen Schafen täglich drei
Hoffmannstropfen auf Zucker und ließ ihnen rothe Leibchen und
eben solche Mützen machen, um sie gegen Erkältung und namentlich
gegen "Kopfkolik" zu schützen.

Er war in allem apart, und apart wie sein Leben gewesen
war, war denn endlich auch sein zu Caput, bei General v. Thümen
erfolgender Tod. Im Gefolge seiner vielen Passionen befand sich
auch die Bade-Passion, die bei Jemandem, der von Jugend auf
über einen zu heißen Kopf geklagt und als Knabe schon nichts
Schöneres gekannt hatte, als "unter die Tülle gestellt zu werden",
nicht groß überraschen konnte. Von Mai bis October, ob die
Sonne stach oder nicht, schwamm er, der inzwischen ein hoher
Sechsziger geworden war, in der Havel umher, und freute sich
der ihn erlabenden Kühle. Mal aber gerieth er in's Binsenge-
strüpp, und als er über Mittag nicht kam und man zuletzt mit
Fackeln nach ihm suchte, fand man ihn, in fast gespenstischer
Weise, den Körper im Moor und nur Kinn und Kopf über dem
seichten Wasser.

Er wurde den dritten Tag danach auf dem Kirchhofe zu Caput

Bruder waren, darüber verlautet nichts; ſehr wahrſcheinlich ähnelten
ſie ſich zu ſehr, um Gefallen an einander zu finden. Ihre Sonder-
barkeiten waren nicht gleich, aber in der Art, in der ſie ſich gaben,
zeigte ſich doch die Verwandtſchaft.

Unter Graf Heinrichs vielen und ſich immer ablöſenden
Paſſionen war eine Zeit lang auch die landwirthſchaftliche, der er
ſich hingab, ohne nach Wiſſen und Erfahrung oder auch nur nach
wirklicher Neigung ein Landwirth zu ſein. Immer wollt’ er kaufen
und melioriren, am liebſten aber Wunder thun, und verfiel dabei
regelmäßig in bloße Scurrilitäten, auch wenn er ausnahmsweiſe
leidlich verſtändig begonnen hatte. Nur ein Beiſpiel. Unter den
ihm verbliebenen Beſitzungen war auch ein Gut in der Neumark,
auf dem er — wohl in Folge von Anregungen, wie ſie gerade
damals durch Thaer und Koppe gegeben wurden — eine Förderung
der Schafzucht und vor allem die Beſeitigung der ſogenannten
Drehkrankheit erſtrebte. Dieſe wegzuſchaffen, war er nicht blos
ernſt und feſt entſchloſſen, ſondern lebte zuletzt auch des Glaubens,
ein wirkliches Präſervativ gegen dieſelbe gefunden zu haben. Er
gab zu dieſem Behufe, ſo heißt es, allen Schafen täglich drei
Hoffmannstropfen auf Zucker und ließ ihnen rothe Leibchen und
eben ſolche Mützen machen, um ſie gegen Erkältung und namentlich
gegen „Kopfkolik“ zu ſchützen.

Er war in allem apart, und apart wie ſein Leben geweſen
war, war denn endlich auch ſein zu Caput, bei General v. Thümen
erfolgender Tod. Im Gefolge ſeiner vielen Paſſionen befand ſich
auch die Bade-Paſſion, die bei Jemandem, der von Jugend auf
über einen zu heißen Kopf geklagt und als Knabe ſchon nichts
Schöneres gekannt hatte, als „unter die Tülle geſtellt zu werden“,
nicht groß überraſchen konnte. Von Mai bis October, ob die
Sonne ſtach oder nicht, ſchwamm er, der inzwiſchen ein hoher
Sechsziger geworden war, in der Havel umher, und freute ſich
der ihn erlabenden Kühle. Mal aber gerieth er in’s Binſenge-
ſtrüpp, und als er über Mittag nicht kam und man zuletzt mit
Fackeln nach ihm ſuchte, fand man ihn, in faſt geſpenſtiſcher
Weiſe, den Körper im Moor und nur Kinn und Kopf über dem
ſeichten Waſſer.

Er wurde den dritten Tag danach auf dem Kirchhofe zu Caput

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0391" n="375"/>
Bruder waren, darüber verlautet nichts; &#x017F;ehr wahr&#x017F;cheinlich ähnelten<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich zu &#x017F;ehr, um Gefallen an einander zu finden. Ihre Sonder-<lb/>
barkeiten waren nicht gleich, aber in der Art, in der &#x017F;ie &#x017F;ich gaben,<lb/>
zeigte &#x017F;ich doch die Verwandt&#x017F;chaft.</p><lb/>
              <p>Unter Graf Heinrichs vielen und &#x017F;ich immer ablö&#x017F;enden<lb/>
Pa&#x017F;&#x017F;ionen war eine Zeit lang auch die landwirth&#x017F;chaftliche, der er<lb/>
&#x017F;ich hingab, ohne nach Wi&#x017F;&#x017F;en und Erfahrung oder auch nur nach<lb/>
wirklicher Neigung ein Landwirth zu &#x017F;ein. Immer wollt&#x2019; er kaufen<lb/>
und <choice><sic>meliorircn</sic><corr>melioriren</corr></choice>, am lieb&#x017F;ten aber Wunder thun, und verfiel dabei<lb/>
regelmäßig in bloße Scurrilitäten, auch wenn er ausnahmswei&#x017F;e<lb/>
leidlich ver&#x017F;tändig begonnen hatte. Nur ein Bei&#x017F;piel. Unter den<lb/>
ihm verbliebenen Be&#x017F;itzungen war auch ein Gut in der Neumark,<lb/>
auf dem er &#x2014; wohl in Folge von Anregungen, wie &#x017F;ie gerade<lb/>
damals durch Thaer und Koppe gegeben wurden &#x2014; eine Förderung<lb/>
der Schafzucht und vor allem die Be&#x017F;eitigung der &#x017F;ogenannten<lb/>
Drehkrankheit er&#x017F;trebte. Die&#x017F;e wegzu&#x017F;chaffen, war er nicht blos<lb/>
ern&#x017F;t und fe&#x017F;t ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ondern lebte zuletzt auch des Glaubens,<lb/>
ein wirkliches Prä&#x017F;ervativ gegen die&#x017F;elbe gefunden zu haben. Er<lb/>
gab zu die&#x017F;em Behufe, &#x017F;o heißt es, allen Schafen täglich drei<lb/>
Hoffmannstropfen auf Zucker und ließ ihnen rothe Leibchen und<lb/>
eben &#x017F;olche Mützen machen, um &#x017F;ie gegen Erkältung und namentlich<lb/>
gegen &#x201E;Kopfkolik&#x201C; zu &#x017F;chützen.</p><lb/>
              <p>Er war in allem apart, und apart wie &#x017F;ein Leben gewe&#x017F;en<lb/>
war, war denn endlich auch &#x017F;ein zu Caput, bei General v. Thümen<lb/>
erfolgender Tod. Im Gefolge &#x017F;einer vielen Pa&#x017F;&#x017F;ionen befand &#x017F;ich<lb/>
auch die Bade-Pa&#x017F;&#x017F;ion, die bei Jemandem, der von Jugend auf<lb/>
über einen zu heißen Kopf geklagt und als Knabe &#x017F;chon nichts<lb/>
Schöneres gekannt hatte, als &#x201E;unter die Tülle ge&#x017F;tellt zu werden&#x201C;,<lb/>
nicht groß überra&#x017F;chen konnte. Von Mai bis October, ob die<lb/>
Sonne &#x017F;tach oder nicht, &#x017F;chwamm er, der inzwi&#x017F;chen ein hoher<lb/>
Sechsziger geworden war, in der Havel umher, und freute &#x017F;ich<lb/>
der ihn erlabenden Kühle. Mal aber gerieth er in&#x2019;s Bin&#x017F;enge-<lb/>
&#x017F;trüpp, und als er über Mittag nicht kam und man zuletzt mit<lb/>
Fackeln nach ihm &#x017F;uchte, fand man ihn, in fa&#x017F;t ge&#x017F;pen&#x017F;ti&#x017F;cher<lb/>
Wei&#x017F;e, den Körper im Moor und nur Kinn und Kopf über dem<lb/>
&#x017F;eichten Wa&#x017F;&#x017F;er.</p><lb/>
              <p>Er wurde den dritten Tag danach auf dem Kirchhofe zu Caput<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[375/0391] Bruder waren, darüber verlautet nichts; ſehr wahrſcheinlich ähnelten ſie ſich zu ſehr, um Gefallen an einander zu finden. Ihre Sonder- barkeiten waren nicht gleich, aber in der Art, in der ſie ſich gaben, zeigte ſich doch die Verwandtſchaft. Unter Graf Heinrichs vielen und ſich immer ablöſenden Paſſionen war eine Zeit lang auch die landwirthſchaftliche, der er ſich hingab, ohne nach Wiſſen und Erfahrung oder auch nur nach wirklicher Neigung ein Landwirth zu ſein. Immer wollt’ er kaufen und melioriren, am liebſten aber Wunder thun, und verfiel dabei regelmäßig in bloße Scurrilitäten, auch wenn er ausnahmsweiſe leidlich verſtändig begonnen hatte. Nur ein Beiſpiel. Unter den ihm verbliebenen Beſitzungen war auch ein Gut in der Neumark, auf dem er — wohl in Folge von Anregungen, wie ſie gerade damals durch Thaer und Koppe gegeben wurden — eine Förderung der Schafzucht und vor allem die Beſeitigung der ſogenannten Drehkrankheit erſtrebte. Dieſe wegzuſchaffen, war er nicht blos ernſt und feſt entſchloſſen, ſondern lebte zuletzt auch des Glaubens, ein wirkliches Präſervativ gegen dieſelbe gefunden zu haben. Er gab zu dieſem Behufe, ſo heißt es, allen Schafen täglich drei Hoffmannstropfen auf Zucker und ließ ihnen rothe Leibchen und eben ſolche Mützen machen, um ſie gegen Erkältung und namentlich gegen „Kopfkolik“ zu ſchützen. Er war in allem apart, und apart wie ſein Leben geweſen war, war denn endlich auch ſein zu Caput, bei General v. Thümen erfolgender Tod. Im Gefolge ſeiner vielen Paſſionen befand ſich auch die Bade-Paſſion, die bei Jemandem, der von Jugend auf über einen zu heißen Kopf geklagt und als Knabe ſchon nichts Schöneres gekannt hatte, als „unter die Tülle geſtellt zu werden“, nicht groß überraſchen konnte. Von Mai bis October, ob die Sonne ſtach oder nicht, ſchwamm er, der inzwiſchen ein hoher Sechsziger geworden war, in der Havel umher, und freute ſich der ihn erlabenden Kühle. Mal aber gerieth er in’s Binſenge- ſtrüpp, und als er über Mittag nicht kam und man zuletzt mit Fackeln nach ihm ſuchte, fand man ihn, in faſt geſpenſtiſcher Weiſe, den Körper im Moor und nur Kinn und Kopf über dem ſeichten Waſſer. Er wurde den dritten Tag danach auf dem Kirchhofe zu Caput

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/391
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/391>, abgerufen am 22.11.2024.