kleideten und ungefähr einer Namens-Aufzählung aller Familien, mit denen die Schlabrendorfs einst versippt und verschwägert waren, entsprachen. Aus der Reihe dieser Familien nenn' ich nur fol- gende: Pfuel, Hake, Katte, Waldenfels, Wuthenow, Schlieben, Putlitz, Krummensee, Burgsdorff, Schulenburg, Thümen, Blumen- thal, Schöning, Arnim, Wedel, Bellin. Ueber minder gekannte geh' ich hin und hebe nur noch hervor, daß es die beiden Cousinen: Johanna v. Scharnhorst und Agnes v. Scharnhorst waren, die sich dieser mühevollen und Jahr und Tag in Anspruch nehmenden Arbeit unterzogen.
Aus der Kirche treten wir auf den schönen im Schutze präch- tiger Bäume gelegenen Kirchhof hinaus und werden an seiner nordwestlichen Einfassungsmauer eines ansehnlichen, in romani- schem Stile gehaltenen Baues ansichtig, der unsere Neugier weckt. Auf unsre Frage hören wir, daß es die schon erwähnte Grab- capelle sammt Leichenhalle sei, die Frau von Scharnhorst -- auch darin einem von der Tochter geäußerten Wunsche willfahrend -- um das Jahr 60 und zwar unter Aufwand ziemlich bedeutender Mittel errichtet habe. Zu Nutz und Frommen der Siethner, aber -- nur in Absicht und Vorstellung. In Wirklichkeit ist noch kein Todter aus Siethen in diese Halle gestellt und noch kein Todten-Gebet über ihn hin in der unmittelbar anstoßenden Capelle gesprochen worden.
Und hier ist nunmehr die Stelle gegeben, wo Kritik geübt werden muß, ich weiß nicht ob mehr an den Siethnern oder an den zwei frommen Frauen.
Dieser Letzteren Thun und Wirken war unzweifelhaft in hohem Maße segensvoll und förderte nicht blos, wie sich statistisch nach- weisen ließe, jegliches Gute, sondern stimmte die Dorfbevölke- rung auch zu ganz aufrichtigem und in mehr als einem Falle zu geradezu bewunderndem Dank. An dieser erfreulichen Hauptsache wird nichts geändert. Aber andrerseits gingen beide Damen in ihrem Hochfluge gelegentlich zu weit, und wie Kaiser Joseph einst dem österreichischen Volke mehr Aufklärung gab, als es haben wollte, so gaben hier die Scharnhorstschen Damen ihren Siethnern ein Maß von Fortschritt, Wohlthat und Hilfe, das über das Ver-
26*
kleideten und ungefähr einer Namens-Aufzählung aller Familien, mit denen die Schlabrendorfs einſt verſippt und verſchwägert waren, entſprachen. Aus der Reihe dieſer Familien nenn’ ich nur fol- gende: Pfuel, Hake, Katte, Waldenfels, Wuthenow, Schlieben, Putlitz, Krummenſee, Burgsdorff, Schulenburg, Thümen, Blumen- thal, Schöning, Arnim, Wedel, Bellin. Ueber minder gekannte geh’ ich hin und hebe nur noch hervor, daß es die beiden Couſinen: Johanna v. Scharnhorſt und Agnes v. Scharnhorſt waren, die ſich dieſer mühevollen und Jahr und Tag in Anſpruch nehmenden Arbeit unterzogen.
Aus der Kirche treten wir auf den ſchönen im Schutze präch- tiger Bäume gelegenen Kirchhof hinaus und werden an ſeiner nordweſtlichen Einfaſſungsmauer eines anſehnlichen, in romani- ſchem Stile gehaltenen Baues anſichtig, der unſere Neugier weckt. Auf unſre Frage hören wir, daß es die ſchon erwähnte Grab- capelle ſammt Leichenhalle ſei, die Frau von Scharnhorſt — auch darin einem von der Tochter geäußerten Wunſche willfahrend — um das Jahr 60 und zwar unter Aufwand ziemlich bedeutender Mittel errichtet habe. Zu Nutz und Frommen der Siethner, aber — nur in Abſicht und Vorſtellung. In Wirklichkeit iſt noch kein Todter aus Siethen in dieſe Halle geſtellt und noch kein Todten-Gebet über ihn hin in der unmittelbar anſtoßenden Capelle geſprochen worden.
Und hier iſt nunmehr die Stelle gegeben, wo Kritik geübt werden muß, ich weiß nicht ob mehr an den Siethnern oder an den zwei frommen Frauen.
Dieſer Letzteren Thun und Wirken war unzweifelhaft in hohem Maße ſegensvoll und förderte nicht blos, wie ſich ſtatiſtiſch nach- weiſen ließe, jegliches Gute, ſondern ſtimmte die Dorfbevölke- rung auch zu ganz aufrichtigem und in mehr als einem Falle zu geradezu bewunderndem Dank. An dieſer erfreulichen Hauptſache wird nichts geändert. Aber andrerſeits gingen beide Damen in ihrem Hochfluge gelegentlich zu weit, und wie Kaiſer Joſeph einſt dem öſterreichiſchen Volke mehr Aufklärung gab, als es haben wollte, ſo gaben hier die Scharnhorſtſchen Damen ihren Siethnern ein Maß von Fortſchritt, Wohlthat und Hilfe, das über das Ver-
26*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0419"n="403"/>
kleideten und ungefähr einer Namens-Aufzählung aller Familien, mit<lb/>
denen die Schlabrendorfs einſt verſippt und verſchwägert waren,<lb/>
entſprachen. Aus der Reihe dieſer Familien nenn’ ich nur fol-<lb/>
gende: Pfuel, Hake, Katte, Waldenfels, Wuthenow, Schlieben,<lb/>
Putlitz, Krummenſee, Burgsdorff, Schulenburg, Thümen, Blumen-<lb/>
thal, Schöning, Arnim, Wedel, Bellin. Ueber minder gekannte<lb/>
geh’ ich hin und hebe nur noch hervor, daß es die beiden Couſinen:<lb/><hirendition="#g">Johanna</hi> v. Scharnhorſt und <hirendition="#g">Agnes</hi> v. Scharnhorſt waren, die<lb/>ſich dieſer mühevollen und Jahr und Tag in Anſpruch nehmenden<lb/>
Arbeit unterzogen.</p><lb/><p>Aus der Kirche treten wir auf den ſchönen im Schutze präch-<lb/>
tiger Bäume gelegenen Kirchhof hinaus und werden an ſeiner<lb/>
nordweſtlichen Einfaſſungsmauer eines anſehnlichen, in romani-<lb/>ſchem Stile gehaltenen Baues anſichtig, der unſere Neugier weckt.<lb/>
Auf unſre Frage hören wir, daß es die ſchon erwähnte Grab-<lb/>
capelle ſammt Leichenhalle ſei, die Frau von Scharnhorſt — auch<lb/>
darin einem von der Tochter geäußerten Wunſche willfahrend —<lb/>
um das Jahr 60 und zwar unter Aufwand ziemlich bedeutender<lb/>
Mittel errichtet habe. Zu Nutz und Frommen der Siethner,<lb/>
aber — nur in Abſicht und Vorſtellung. In <hirendition="#g">Wirklichkeit</hi> iſt<lb/>
noch kein Todter aus Siethen in dieſe Halle geſtellt und noch kein<lb/>
Todten-Gebet über ihn hin in der unmittelbar anſtoßenden Capelle<lb/>
geſprochen worden.</p><lb/><p>Und hier iſt nunmehr die Stelle gegeben, wo Kritik geübt<lb/>
werden muß, ich weiß nicht ob mehr an den Siethnern oder an<lb/>
den zwei frommen Frauen.</p><lb/><p>Dieſer Letzteren Thun und Wirken war unzweifelhaft in hohem<lb/>
Maße ſegensvoll und förderte nicht blos, wie ſich ſtatiſtiſch nach-<lb/>
weiſen ließe, <hirendition="#g">jegliches</hi> Gute, ſondern ſtimmte die Dorfbevölke-<lb/>
rung auch zu ganz aufrichtigem und in mehr als einem Falle zu<lb/>
geradezu bewunderndem Dank. An dieſer erfreulichen Hauptſache<lb/>
wird <hirendition="#g">nichts</hi> geändert. Aber andrerſeits gingen beide Damen in<lb/>
ihrem Hochfluge gelegentlich zu weit, und wie Kaiſer Joſeph einſt<lb/>
dem öſterreichiſchen Volke mehr Aufklärung gab, als es haben<lb/>
wollte, ſo gaben hier die Scharnhorſtſchen Damen ihren Siethnern<lb/>
ein Maß von Fortſchritt, Wohlthat und Hilfe, das über das Ver-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">26*</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[403/0419]
kleideten und ungefähr einer Namens-Aufzählung aller Familien, mit
denen die Schlabrendorfs einſt verſippt und verſchwägert waren,
entſprachen. Aus der Reihe dieſer Familien nenn’ ich nur fol-
gende: Pfuel, Hake, Katte, Waldenfels, Wuthenow, Schlieben,
Putlitz, Krummenſee, Burgsdorff, Schulenburg, Thümen, Blumen-
thal, Schöning, Arnim, Wedel, Bellin. Ueber minder gekannte
geh’ ich hin und hebe nur noch hervor, daß es die beiden Couſinen:
Johanna v. Scharnhorſt und Agnes v. Scharnhorſt waren, die
ſich dieſer mühevollen und Jahr und Tag in Anſpruch nehmenden
Arbeit unterzogen.
Aus der Kirche treten wir auf den ſchönen im Schutze präch-
tiger Bäume gelegenen Kirchhof hinaus und werden an ſeiner
nordweſtlichen Einfaſſungsmauer eines anſehnlichen, in romani-
ſchem Stile gehaltenen Baues anſichtig, der unſere Neugier weckt.
Auf unſre Frage hören wir, daß es die ſchon erwähnte Grab-
capelle ſammt Leichenhalle ſei, die Frau von Scharnhorſt — auch
darin einem von der Tochter geäußerten Wunſche willfahrend —
um das Jahr 60 und zwar unter Aufwand ziemlich bedeutender
Mittel errichtet habe. Zu Nutz und Frommen der Siethner,
aber — nur in Abſicht und Vorſtellung. In Wirklichkeit iſt
noch kein Todter aus Siethen in dieſe Halle geſtellt und noch kein
Todten-Gebet über ihn hin in der unmittelbar anſtoßenden Capelle
geſprochen worden.
Und hier iſt nunmehr die Stelle gegeben, wo Kritik geübt
werden muß, ich weiß nicht ob mehr an den Siethnern oder an
den zwei frommen Frauen.
Dieſer Letzteren Thun und Wirken war unzweifelhaft in hohem
Maße ſegensvoll und förderte nicht blos, wie ſich ſtatiſtiſch nach-
weiſen ließe, jegliches Gute, ſondern ſtimmte die Dorfbevölke-
rung auch zu ganz aufrichtigem und in mehr als einem Falle zu
geradezu bewunderndem Dank. An dieſer erfreulichen Hauptſache
wird nichts geändert. Aber andrerſeits gingen beide Damen in
ihrem Hochfluge gelegentlich zu weit, und wie Kaiſer Joſeph einſt
dem öſterreichiſchen Volke mehr Aufklärung gab, als es haben
wollte, ſo gaben hier die Scharnhorſtſchen Damen ihren Siethnern
ein Maß von Fortſchritt, Wohlthat und Hilfe, das über das Ver-
26*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/419>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.