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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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besitzer, aber immer ein Thümen, seine halb spukhafte Rolle spielt.
Wir werden in der Folge noch davon zu erzählen haben.


Es war Mittagsstunde, als wir vor dem Gasthause hielten.
Der Wagen fuhr in den breiten Schatten einer Linde, während
wir uns rüsteten und mit den Augen überallhin umherfragten.
Unser Erstes war ein Gang durch das Dorf. Am schönsten
gelegen ist das Herrenhaus. In Front ein Elsenbruch, an den
Flügeln zwei breite Seespiegel, und zwischen Schloß und Park ein
Wasserlauf, der diese beiden Seeflächen verbindet, -- das ist in
großen Zügen die Scenerie. Das Gesträuch des Parkes wuchs
weit über das Wässerchen hin und schuf einen Laubengang, unter
dem die Enten auf und ab fuhren und sich's wohl sein ließen.

Inzwischen brannte die Sonne mehr und mehr und die Schatten
des Parkes luden uns zum Verweilen ein. Aber es war doch schließ-
lich ein anderes, was uns hierher geführt hatte, weshalb wir denn
auch Park und Schloß aufgaben, um uns zunächst eines sagen- und
landeskundigen Blankenseeers zu versichern.

Der Zufall wollt' uns wohl und am Dorfrande wurden wir
alsbald eines Mannes ansichtig, der, in einem offenen Thorwege
stehend, unserm unsichren Umhersuchen schon seit einiger Zeit
gefolgt zu sein schien. Als er uns auf sich zukommen sah, kam
er uns seinerseits unter artigem Gruß entgegen. Es war ein
großer, schöner Mann von militärischer Haltung, dabei zugleich
von jener ruhigen Sicherheit, wie sie die bibelfesten Leute zu haben
pflegen. Es entspann sich folgendes Gespräch.

"Wir wollen auf den Kapellenberg. Können Sie uns
den Weg zeigen?"

"Ich kenn ihn nicht. Aber nach dem was ich gestern gehört,
ist er nicht zu fehlen."

"So sind Sie nicht von Blankensee?"

"Nein. Ich bin erst seit acht Tagen hier."

"In der Schäferei?"

"Ja."

"Der Schafmeister?"

beſitzer, aber immer ein Thümen, ſeine halb ſpukhafte Rolle ſpielt.
Wir werden in der Folge noch davon zu erzählen haben.


Es war Mittagsſtunde, als wir vor dem Gaſthauſe hielten.
Der Wagen fuhr in den breiten Schatten einer Linde, während
wir uns rüſteten und mit den Augen überallhin umherfragten.
Unſer Erſtes war ein Gang durch das Dorf. Am ſchönſten
gelegen iſt das Herrenhaus. In Front ein Elſenbruch, an den
Flügeln zwei breite Seeſpiegel, und zwiſchen Schloß und Park ein
Waſſerlauf, der dieſe beiden Seeflächen verbindet, — das iſt in
großen Zügen die Scenerie. Das Geſträuch des Parkes wuchs
weit über das Wäſſerchen hin und ſchuf einen Laubengang, unter
dem die Enten auf und ab fuhren und ſich’s wohl ſein ließen.

Inzwiſchen brannte die Sonne mehr und mehr und die Schatten
des Parkes luden uns zum Verweilen ein. Aber es war doch ſchließ-
lich ein anderes, was uns hierher geführt hatte, weshalb wir denn
auch Park und Schloß aufgaben, um uns zunächſt eines ſagen- und
landeskundigen Blankenſeeers zu verſichern.

Der Zufall wollt’ uns wohl und am Dorfrande wurden wir
alsbald eines Mannes anſichtig, der, in einem offenen Thorwege
ſtehend, unſerm unſichren Umherſuchen ſchon ſeit einiger Zeit
gefolgt zu ſein ſchien. Als er uns auf ſich zukommen ſah, kam
er uns ſeinerſeits unter artigem Gruß entgegen. Es war ein
großer, ſchöner Mann von militäriſcher Haltung, dabei zugleich
von jener ruhigen Sicherheit, wie ſie die bibelfeſten Leute zu haben
pflegen. Es entſpann ſich folgendes Geſpräch.

„Wir wollen auf den Kapellenberg. Können Sie uns
den Weg zeigen?“

„Ich kenn ihn nicht. Aber nach dem was ich geſtern gehört,
iſt er nicht zu fehlen.“

„So ſind Sie nicht von Blankenſee?“

„Nein. Ich bin erſt ſeit acht Tagen hier.“

„In der Schäferei?“

„Ja.“

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[424/0440] beſitzer, aber immer ein Thümen, ſeine halb ſpukhafte Rolle ſpielt. Wir werden in der Folge noch davon zu erzählen haben. Es war Mittagsſtunde, als wir vor dem Gaſthauſe hielten. Der Wagen fuhr in den breiten Schatten einer Linde, während wir uns rüſteten und mit den Augen überallhin umherfragten. Unſer Erſtes war ein Gang durch das Dorf. Am ſchönſten gelegen iſt das Herrenhaus. In Front ein Elſenbruch, an den Flügeln zwei breite Seeſpiegel, und zwiſchen Schloß und Park ein Waſſerlauf, der dieſe beiden Seeflächen verbindet, — das iſt in großen Zügen die Scenerie. Das Geſträuch des Parkes wuchs weit über das Wäſſerchen hin und ſchuf einen Laubengang, unter dem die Enten auf und ab fuhren und ſich’s wohl ſein ließen. Inzwiſchen brannte die Sonne mehr und mehr und die Schatten des Parkes luden uns zum Verweilen ein. Aber es war doch ſchließ- lich ein anderes, was uns hierher geführt hatte, weshalb wir denn auch Park und Schloß aufgaben, um uns zunächſt eines ſagen- und landeskundigen Blankenſeeers zu verſichern. Der Zufall wollt’ uns wohl und am Dorfrande wurden wir alsbald eines Mannes anſichtig, der, in einem offenen Thorwege ſtehend, unſerm unſichren Umherſuchen ſchon ſeit einiger Zeit gefolgt zu ſein ſchien. Als er uns auf ſich zukommen ſah, kam er uns ſeinerſeits unter artigem Gruß entgegen. Es war ein großer, ſchöner Mann von militäriſcher Haltung, dabei zugleich von jener ruhigen Sicherheit, wie ſie die bibelfeſten Leute zu haben pflegen. Es entſpann ſich folgendes Geſpräch. „Wir wollen auf den Kapellenberg. Können Sie uns den Weg zeigen?“ „Ich kenn ihn nicht. Aber nach dem was ich geſtern gehört, iſt er nicht zu fehlen.“ „So ſind Sie nicht von Blankenſee?“ „Nein. Ich bin erſt ſeit acht Tagen hier.“ „In der Schäferei?“ „Ja.“ „Der Schafmeiſter?“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/440>, abgerufen am 22.11.2024.