Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.such in der Kirche zu machen. Unser freundlicher Begleiter ver- Im Innern bot sich uns anfänglich nichts, was sich über Wenn uns nun hier ein an Erzvater Jacob erinnernder Segen Hier liegt begraben ohne Qual Kuno v. Thümens ehlich Gemahl, Die tugendsame Frau Anna gut v. Schlabrendorff das edle Blut, Welche gegeben war von Gott Dem Kuno v. Thümen bis an den Tod. Als ihm eine Tochter sie gebar, Zählte sie siebenundsechzig Jahr. Am ersten Jännertag es war. Sei ihr gnädig Herr und Gott Und helf auch uns aus aller Noth. So wenig befriedigend diese Reime sein mögen, so trefflich ſuch in der Kirche zu machen. Unſer freundlicher Begleiter ver- Im Innern bot ſich uns anfänglich nichts, was ſich über Wenn uns nun hier ein an Erzvater Jacob erinnernder Segen Hier liegt begraben ohne Qual Kuno v. Thümens ehlich Gemahl, Die tugendſame Frau Anna gut v. Schlabrendorff das edle Blut, Welche gegeben war von Gott Dem Kuno v. Thümen bis an den Tod. Als ihm eine Tochter ſie gebar, Zählte ſie ſiebenundſechzig Jahr. Am erſten Jännertag es war. Sei ihr gnädig Herr und Gott Und helf auch uns aus aller Noth. So wenig befriedigend dieſe Reime ſein mögen, ſo trefflich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0444" n="428"/> ſuch in der Kirche zu machen. Unſer freundlicher Begleiter ver-<lb/> abſchiedete ſich am Eingange, muthmaßlich um uns nicht länger<lb/> zu behindern, vielleicht auch aus ſektireriſchem Geiſt.</p><lb/> <p>Im Innern bot ſich uns anfänglich nichts, was ſich über<lb/> den Durchſchnitts-Inhalt alter Dorfkirchen erhoben hätte; bei nährer<lb/> Betrachtung aber zeigte ſich doch mancherlei: Grabſteine, Bilder<lb/> und Schildereien. Ein Epitaphium galt einem alten Kreishaupt-<lb/> mann im ſächſiſchen Kurkreiſe, Herrn Chriſtian Wilhelm v. <hi rendition="#g">Thü-<lb/> men</hi>, deſſen Portrait von zwei Engeln gehalten wurde. Weiter<lb/> unterwärts erblickten wir eine ſich in den Schwanz beißende Schlange,<lb/> mit dem inſchriftlichen Zuſatze, „daß ſeine Ehe mit Sabine Hedwig<lb/> v. Schlieben durch <hi rendition="#g">achtzehn</hi> Kinder geſegnet worden ſei.</p><lb/> <p>Wenn uns nun hier ein an Erzvater Jacob erinnernder Segen<lb/> entgegentrat, ſo gemahnten dafür andre ſich vorfindende Denkmäler:<lb/> ein Grabſtein und eine Schilderei, mehr an Abraham und Sarah.<lb/> Auf dem Grabſteine laſen wir freilich nur die Worte: „daß Anna<lb/> v. Schlabrendorf, Kuno v. Thümens ehelich Gemahl in Kindesge-<lb/> burt gottſelig entſchlafen ſei“ das Bildniß aber vervollſtändigte dieſe<lb/> kurze Mittheilung in einem ihm angefügten Reimſpruche:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Hier liegt begraben ohne Qual</l><lb/> <l>Kuno v. Thümens ehlich Gemahl,</l><lb/> <l>Die tugendſame Frau Anna gut</l><lb/> <l>v. Schlabrendorff das edle Blut,</l><lb/> <l>Welche gegeben war von Gott</l><lb/> <l>Dem Kuno v. Thümen bis an den Tod.</l><lb/> <l>Als ihm eine Tochter ſie gebar,</l><lb/> <l>Zählte ſie <hi rendition="#g">ſiebenundſechzig</hi> Jahr.</l><lb/> <l>Am erſten Jännertag es war.</l><lb/> <l>Sei ihr gnädig Herr und Gott</l><lb/> <l>Und helf auch uns aus aller Noth.</l> </lg><lb/> <p>So wenig befriedigend dieſe Reime ſein mögen, ſo trefflich<lb/> iſt das Bild, unter dem ſie ſtehen. Es iſt gute Lucas Cranach’ſche<lb/> Schule. Nach Sitte der Zeit Sündenfall, Geſetzgebung, eherne<lb/> Schlange, Kreuzigung und Auferſtehung, alles dicht neben einander<lb/> ſtellend, giebt es auf engem Raume den Hauptinhalt der chriſtlichen<lb/> Heilslehre.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [428/0444]
ſuch in der Kirche zu machen. Unſer freundlicher Begleiter ver-
abſchiedete ſich am Eingange, muthmaßlich um uns nicht länger
zu behindern, vielleicht auch aus ſektireriſchem Geiſt.
Im Innern bot ſich uns anfänglich nichts, was ſich über
den Durchſchnitts-Inhalt alter Dorfkirchen erhoben hätte; bei nährer
Betrachtung aber zeigte ſich doch mancherlei: Grabſteine, Bilder
und Schildereien. Ein Epitaphium galt einem alten Kreishaupt-
mann im ſächſiſchen Kurkreiſe, Herrn Chriſtian Wilhelm v. Thü-
men, deſſen Portrait von zwei Engeln gehalten wurde. Weiter
unterwärts erblickten wir eine ſich in den Schwanz beißende Schlange,
mit dem inſchriftlichen Zuſatze, „daß ſeine Ehe mit Sabine Hedwig
v. Schlieben durch achtzehn Kinder geſegnet worden ſei.
Wenn uns nun hier ein an Erzvater Jacob erinnernder Segen
entgegentrat, ſo gemahnten dafür andre ſich vorfindende Denkmäler:
ein Grabſtein und eine Schilderei, mehr an Abraham und Sarah.
Auf dem Grabſteine laſen wir freilich nur die Worte: „daß Anna
v. Schlabrendorf, Kuno v. Thümens ehelich Gemahl in Kindesge-
burt gottſelig entſchlafen ſei“ das Bildniß aber vervollſtändigte dieſe
kurze Mittheilung in einem ihm angefügten Reimſpruche:
Hier liegt begraben ohne Qual
Kuno v. Thümens ehlich Gemahl,
Die tugendſame Frau Anna gut
v. Schlabrendorff das edle Blut,
Welche gegeben war von Gott
Dem Kuno v. Thümen bis an den Tod.
Als ihm eine Tochter ſie gebar,
Zählte ſie ſiebenundſechzig Jahr.
Am erſten Jännertag es war.
Sei ihr gnädig Herr und Gott
Und helf auch uns aus aller Noth.
So wenig befriedigend dieſe Reime ſein mögen, ſo trefflich
iſt das Bild, unter dem ſie ſtehen. Es iſt gute Lucas Cranach’ſche
Schule. Nach Sitte der Zeit Sündenfall, Geſetzgebung, eherne
Schlange, Kreuzigung und Auferſtehung, alles dicht neben einander
ſtellend, giebt es auf engem Raume den Hauptinhalt der chriſtlichen
Heilslehre.
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