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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Leopold v. Ranke; Oskar v. Redwitz; Ernst Schulze (Dichter der
bezauberten Rose); Steffens; Tieck; Tiedge; Varnhagen und die
Rahel. Wer unser Berliner Leben seit 50 Jahren verfolgt hat,
wird hier so ziemlich jeden Namen wiederfinden, der, auf schön-
wissenschaftlichem Gebiet, auf längere oder kürzere Zeit in den
Vordergrund getreten ist. Man beachte: Fouque, Müllner, Hoff-
mann, Pückler, Dr. Carl Blum, Frau von Paalzow, Redwitz,
Paul Heyse.*)

Noch einige kurze Bemerkungen. Hensel hatte keine Feinde,
aber er hatte, gerade was diese Portraits anging, Zweifler. Diese
haben durch Schelmereien und übermüthige Witzworte (der alte
Humboldt sei für den schönen Karlowa gehalten worden) die Be-
deutung dieser Sammlung hinwegspötteln wollen. Aber sehr mit
Unrecht. Alle diese Portraitköpfe sind nicht Phantasieschöpfungen,
laufen auch nicht auf ein bequemes "corriger la nature" hinaus;
sie verrathen vielmehr, abgesehen von einer meisterhaften, unserem
Hensel ganz eigenthümlichen Technik, vor Allem auch eine eminente
Begabung für das Charakteristische. Sonderbarerweise haben wir
uns neuerdings daran gewöhnt, das Charakteristische vorwiegend
im Häßlichen zu suchen, anstatt uns zuzugestehen, daß das Ueber-
treiben nach der einen Seite hin, also das Carrikiren und
Transponiren en laid, doch mindestens ebenso verwerflich ist,
als ein Zuviel en beau. Richtig geübt ist dies eben nichts
anderes als der ideale Zug in der Kunst, der doch immer der
siegreiche bleiben wird.

Die neueste Kunst- und Weltepoche, die "lichtbildnerische," ist
dem Ruhme der Henselschen siebenundvierzig Mappen allerdings
nicht allzu günstig geworden. Aber wie immer dem sein möge,
der größte Theil dieser Sammlung giebt doch Aufschluß über eine

*) Künstler, Schauspieler und Sänger finden sich folgende: Bendemann,
de Biefve, Cornelius, David d'Angers, Genelli, Ingres, Kaulbach, de Keyser,
Kiß, Kopisch, F. Mendelssohn-Bartholdy, Fr. Tieck, Horac. Vernet, Beethoven,
Professor Wach, Carl Maria v. Weber, Zelter, Franz Lißzt, Löwe, Magnus,
Moscheles, Paganini, Chr. Rauch, der alte Schadow, Wilhelm Schadow.
Schinkel (3 mal), Schnorr, Jul. Schrader, Schwind, Thorwaldsen, Eduard
Devrient, Viardot Garcia, Grisi, Lablache, Lind-Goldschmidt, Milder, Clara
Novello, Pasta, Rachel, Rebenstein, Pius Alex. Wolff, Schröder-Devrient,
Seydelmann, Wilh. u. Aug. Stich (Crelinger.)

Leopold v. Ranke; Oskar v. Redwitz; Ernſt Schulze (Dichter der
bezauberten Roſe); Steffens; Tieck; Tiedge; Varnhagen und die
Rahel. Wer unſer Berliner Leben ſeit 50 Jahren verfolgt hat,
wird hier ſo ziemlich jeden Namen wiederfinden, der, auf ſchön-
wiſſenſchaftlichem Gebiet, auf längere oder kürzere Zeit in den
Vordergrund getreten iſt. Man beachte: Fouqué, Müllner, Hoff-
mann, Pückler, Dr. Carl Blum, Frau von Paalzow, Redwitz,
Paul Heyſe.*)

Noch einige kurze Bemerkungen. Henſel hatte keine Feinde,
aber er hatte, gerade was dieſe Portraits anging, Zweifler. Dieſe
haben durch Schelmereien und übermüthige Witzworte (der alte
Humboldt ſei für den ſchönen Karlowa gehalten worden) die Be-
deutung dieſer Sammlung hinwegſpötteln wollen. Aber ſehr mit
Unrecht. Alle dieſe Portraitköpfe ſind nicht Phantaſieſchöpfungen,
laufen auch nicht auf ein bequemes „corriger la nature“ hinaus;
ſie verrathen vielmehr, abgeſehen von einer meiſterhaften, unſerem
Henſel ganz eigenthümlichen Technik, vor Allem auch eine eminente
Begabung für das Charakteriſtiſche. Sonderbarerweiſe haben wir
uns neuerdings daran gewöhnt, das Charakteriſtiſche vorwiegend
im Häßlichen zu ſuchen, anſtatt uns zuzugeſtehen, daß das Ueber-
treiben nach der einen Seite hin, alſo das Carrikiren und
Transponiren en laid, doch mindeſtens ebenſo verwerflich iſt,
als ein Zuviel en beau. Richtig geübt iſt dies eben nichts
anderes als der ideale Zug in der Kunſt, der doch immer der
ſiegreiche bleiben wird.

Die neueſte Kunſt- und Weltepoche, die „lichtbildneriſche,“ iſt
dem Ruhme der Henſelſchen ſiebenundvierzig Mappen allerdings
nicht allzu günſtig geworden. Aber wie immer dem ſein möge,
der größte Theil dieſer Sammlung giebt doch Aufſchluß über eine

*) Künſtler, Schauſpieler und Sänger finden ſich folgende: Bendemann,
de Biefve, Cornelius, David d’Angers, Genelli, Ingres, Kaulbach, de Keyſer,
Kiß, Kopiſch, F. Mendelsſohn-Bartholdy, Fr. Tieck, Horac. Vernet, Beethoven,
Profeſſor Wach, Carl Maria v. Weber, Zelter, Franz Lißzt, Löwe, Magnus,
Moſcheles, Paganini, Chr. Rauch, der alte Schadow, Wilhelm Schadow.
Schinkel (3 mal), Schnorr, Jul. Schrader, Schwind, Thorwaldſen, Eduard
Devrient, Viardot Garcia, Griſi, Lablache, Lind-Goldſchmidt, Milder, Clara
Novello, Paſta, Rachel, Rebenſtein, Pius Alex. Wolff, Schröder-Devrient,
Seydelmann, Wilh. u. Aug. Stich (Crelinger.)
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[446/0462] Leopold v. Ranke; Oskar v. Redwitz; Ernſt Schulze (Dichter der bezauberten Roſe); Steffens; Tieck; Tiedge; Varnhagen und die Rahel. Wer unſer Berliner Leben ſeit 50 Jahren verfolgt hat, wird hier ſo ziemlich jeden Namen wiederfinden, der, auf ſchön- wiſſenſchaftlichem Gebiet, auf längere oder kürzere Zeit in den Vordergrund getreten iſt. Man beachte: Fouqué, Müllner, Hoff- mann, Pückler, Dr. Carl Blum, Frau von Paalzow, Redwitz, Paul Heyſe. *) Noch einige kurze Bemerkungen. Henſel hatte keine Feinde, aber er hatte, gerade was dieſe Portraits anging, Zweifler. Dieſe haben durch Schelmereien und übermüthige Witzworte (der alte Humboldt ſei für den ſchönen Karlowa gehalten worden) die Be- deutung dieſer Sammlung hinwegſpötteln wollen. Aber ſehr mit Unrecht. Alle dieſe Portraitköpfe ſind nicht Phantaſieſchöpfungen, laufen auch nicht auf ein bequemes „corriger la nature“ hinaus; ſie verrathen vielmehr, abgeſehen von einer meiſterhaften, unſerem Henſel ganz eigenthümlichen Technik, vor Allem auch eine eminente Begabung für das Charakteriſtiſche. Sonderbarerweiſe haben wir uns neuerdings daran gewöhnt, das Charakteriſtiſche vorwiegend im Häßlichen zu ſuchen, anſtatt uns zuzugeſtehen, daß das Ueber- treiben nach der einen Seite hin, alſo das Carrikiren und Transponiren en laid, doch mindeſtens ebenſo verwerflich iſt, als ein Zuviel en beau. Richtig geübt iſt dies eben nichts anderes als der ideale Zug in der Kunſt, der doch immer der ſiegreiche bleiben wird. Die neueſte Kunſt- und Weltepoche, die „lichtbildneriſche,“ iſt dem Ruhme der Henſelſchen ſiebenundvierzig Mappen allerdings nicht allzu günſtig geworden. Aber wie immer dem ſein möge, der größte Theil dieſer Sammlung giebt doch Aufſchluß über eine *) Künſtler, Schauſpieler und Sänger finden ſich folgende: Bendemann, de Biefve, Cornelius, David d’Angers, Genelli, Ingres, Kaulbach, de Keyſer, Kiß, Kopiſch, F. Mendelsſohn-Bartholdy, Fr. Tieck, Horac. Vernet, Beethoven, Profeſſor Wach, Carl Maria v. Weber, Zelter, Franz Lißzt, Löwe, Magnus, Moſcheles, Paganini, Chr. Rauch, der alte Schadow, Wilhelm Schadow. Schinkel (3 mal), Schnorr, Jul. Schrader, Schwind, Thorwaldſen, Eduard Devrient, Viardot Garcia, Griſi, Lablache, Lind-Goldſchmidt, Milder, Clara Novello, Paſta, Rachel, Rebenſtein, Pius Alex. Wolff, Schröder-Devrient, Seydelmann, Wilh. u. Aug. Stich (Crelinger.)

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/462>, abgerufen am 12.05.2024.