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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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sucht sich wenigstens zu verbergen, und so haben denn Band III.
und IV. auf dem Wege der Kritik und Reflexion etwa wieder
die Form und Gestalt empfangen, die mir bei Niederschreibung
der ersten Kapitel aus dem bekannten "dunklen Drange heraus",
als die richtigste, jedenfalls als die wünschenswertheste vorschwebte.

Der Hinweis auf diese Dinge schien mir geboten und zwar
in Abwehr gegen Bemängelungen, denen diese Reise-Feuilletons,
(so vielleicht darf ich sie nennen) ausgesetzt gewesen sind. Irgend-
wo hieß es einmal: "Die nach mehr als einer Seite hin über-
schätzten "Wanderungen" sind Arbeiten, an denen der Mann
von Fach, also der Berufs-Historiker, achselzuckend oder doch
mindestens als an etwas für ihn gleichgültigem vorübergeht." Es
mag in diesem Satze sehr viel Richtiges enthalten sein, aber insoweit
irrt er und benachtheiligt er mich, als er mir Absichten und Stre-
bungen unterstellt, die mir, ein paar der von mir selber ange-
deuteten Ausnahmefälle zugegeben, absolut fern gelegen haben. Er
stellt mich rein willkürlich, ohne meinen Wunsch und ohne mein
Zuthun, in die Prachfront der großen Grenadiere, blos um hinter-
her auf eine bequemste Weise meine Füsilierschaft, meine Zuge-
hörigkeit zur letzten Rotte der 12. Compagnie vor aller Welt
Augen beweisen zu können. Ich hab' aber nie mehr beansprucht
als 5 Fuß 5 Strich altes Maaß. Wer sein Buch einfach "Wan-
derungen" nennt und es zu größerer Hälfte mit landschaftlichen
Beschreibungen und Genrescenen füllt, in denen abwechselnd Kut-
scher und Kossäthen und dann wieder Krüger und Küster das
große Wort führen, der hat wohl genugsam angedeutet, daß er
freiwillig darauf verzichtet, unter die Würdenträger und Groß-
Cordons historischer Wissenschaft eingereiht zu werden. Ich habe
"mein Stolz und Ehr'" und zwar mit vollem Bewußtsein auf
etwas anderes gesetzt, auf's bloße Plaudern-können, und erkläre
mich auch heute noch für vollkommen zufriedengestellt, wenn mir
dies als ein Erreichtes und Gelungenes zugestanden werden sollte.
Freilich bleibt daneben bestehen, daß in eben diesen Kapiteln, und
zwar unter Zuthun und Hülfe meiner über die halbe Provinz
hin zerstreuten Mitarbeiter, auch ein bestimmtes Quantum
historischen Stoffes niedergelegt worden ist, das eben nur hier

ſucht ſich wenigſtens zu verbergen, und ſo haben denn Band III.
und IV. auf dem Wege der Kritik und Reflexion etwa wieder
die Form und Geſtalt empfangen, die mir bei Niederſchreibung
der erſten Kapitel aus dem bekannten „dunklen Drange heraus“,
als die richtigſte, jedenfalls als die wünſchenswertheſte vorſchwebte.

Der Hinweis auf dieſe Dinge ſchien mir geboten und zwar
in Abwehr gegen Bemängelungen, denen dieſe Reiſe-Feuilletons,
(ſo vielleicht darf ich ſie nennen) ausgeſetzt geweſen ſind. Irgend-
wo hieß es einmal: „Die nach mehr als einer Seite hin über-
ſchätzten „Wanderungen“ ſind Arbeiten, an denen der Mann
von Fach, alſo der Berufs-Hiſtoriker, achſelzuckend oder doch
mindeſtens als an etwas für ihn gleichgültigem vorübergeht.“ Es
mag in dieſem Satze ſehr viel Richtiges enthalten ſein, aber inſoweit
irrt er und benachtheiligt er mich, als er mir Abſichten und Stre-
bungen unterſtellt, die mir, ein paar der von mir ſelber ange-
deuteten Ausnahmefälle zugegeben, abſolut fern gelegen haben. Er
ſtellt mich rein willkürlich, ohne meinen Wunſch und ohne mein
Zuthun, in die Prachfront der großen Grenadiere, blos um hinter-
her auf eine bequemſte Weiſe meine Füſilierſchaft, meine Zuge-
hörigkeit zur letzten Rotte der 12. Compagnie vor aller Welt
Augen beweiſen zu können. Ich hab’ aber nie mehr beanſprucht
als 5 Fuß 5 Strich altes Maaß. Wer ſein Buch einfach „Wan-
derungen“ nennt und es zu größerer Hälfte mit landſchaftlichen
Beſchreibungen und Genreſcenen füllt, in denen abwechſelnd Kut-
ſcher und Koſſäthen und dann wieder Krüger und Küſter das
große Wort führen, der hat wohl genugſam angedeutet, daß er
freiwillig darauf verzichtet, unter die Würdenträger und Groß-
Cordons hiſtoriſcher Wiſſenſchaft eingereiht zu werden. Ich habe
„mein Stolz und Ehr’“ und zwar mit vollem Bewußtſein auf
etwas anderes geſetzt, auf’s bloße Plaudern-können, und erkläre
mich auch heute noch für vollkommen zufriedengeſtellt, wenn mir
dies als ein Erreichtes und Gelungenes zugeſtanden werden ſollte.
Freilich bleibt daneben beſtehen, daß in eben dieſen Kapiteln, und
zwar unter Zuthun und Hülfe meiner über die halbe Provinz
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[452/0468] ſucht ſich wenigſtens zu verbergen, und ſo haben denn Band III. und IV. auf dem Wege der Kritik und Reflexion etwa wieder die Form und Geſtalt empfangen, die mir bei Niederſchreibung der erſten Kapitel aus dem bekannten „dunklen Drange heraus“, als die richtigſte, jedenfalls als die wünſchenswertheſte vorſchwebte. Der Hinweis auf dieſe Dinge ſchien mir geboten und zwar in Abwehr gegen Bemängelungen, denen dieſe Reiſe-Feuilletons, (ſo vielleicht darf ich ſie nennen) ausgeſetzt geweſen ſind. Irgend- wo hieß es einmal: „Die nach mehr als einer Seite hin über- ſchätzten „Wanderungen“ ſind Arbeiten, an denen der Mann von Fach, alſo der Berufs-Hiſtoriker, achſelzuckend oder doch mindeſtens als an etwas für ihn gleichgültigem vorübergeht.“ Es mag in dieſem Satze ſehr viel Richtiges enthalten ſein, aber inſoweit irrt er und benachtheiligt er mich, als er mir Abſichten und Stre- bungen unterſtellt, die mir, ein paar der von mir ſelber ange- deuteten Ausnahmefälle zugegeben, abſolut fern gelegen haben. Er ſtellt mich rein willkürlich, ohne meinen Wunſch und ohne mein Zuthun, in die Prachfront der großen Grenadiere, blos um hinter- her auf eine bequemſte Weiſe meine Füſilierſchaft, meine Zuge- hörigkeit zur letzten Rotte der 12. Compagnie vor aller Welt Augen beweiſen zu können. Ich hab’ aber nie mehr beanſprucht als 5 Fuß 5 Strich altes Maaß. Wer ſein Buch einfach „Wan- derungen“ nennt und es zu größerer Hälfte mit landſchaftlichen Beſchreibungen und Genreſcenen füllt, in denen abwechſelnd Kut- ſcher und Koſſäthen und dann wieder Krüger und Küſter das große Wort führen, der hat wohl genugſam angedeutet, daß er freiwillig darauf verzichtet, unter die Würdenträger und Groß- Cordons hiſtoriſcher Wiſſenſchaft eingereiht zu werden. Ich habe „mein Stolz und Ehr’“ und zwar mit vollem Bewußtſein auf etwas anderes geſetzt, auf’s bloße Plaudern-können, und erkläre mich auch heute noch für vollkommen zufriedengeſtellt, wenn mir dies als ein Erreichtes und Gelungenes zugeſtanden werden ſollte. Freilich bleibt daneben beſtehen, daß in eben dieſen Kapiteln, und zwar unter Zuthun und Hülfe meiner über die halbe Provinz hin zerſtreuten Mitarbeiter, auch ein beſtimmtes Quantum hiſtoriſchen Stoffes niedergelegt worden iſt, das eben nur hier

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/468>, abgerufen am 24.11.2024.