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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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viel verklagten "Junker", anders und besser, und es ist nur Pflicht
und Wahrheit wenn ich an dieser Stelle versichere, daß ich einer langen
Gesprächsreihe mit ihnen eine Zahl aller glücklichster Stunden
verdanke, Stunden voller Anregung und Belehrung, in Betreff
deren es gleich war, ob das Gespräch in Haus oder Haide, vor'm
Kamin oder auf dem Pirschwagen geführt wurde. Zu welchem
allem ich auch das noch hinzufügen möchte, daß sich mir diese
liebenswürdige Verkehrsseite, diese Welt ansprechender und ge-
fälliger Formen unter theilweis sehr erschwerenden Umständen
erschloß und zwar zu Zeiten, als ich mich noch als ein absolut
Fremder unter unsren ruppinisch-havelländischen und barnim-
lebusischen Familien bewegte. Mit einer Dankbarkeit, in die sich
etwas von Bewundrung mischt, muß ich jener ersten 60er Jahre
gedenken, wo meine Besuche vollkommen überfall-artig stattfanden
und ich, mal auf mal, auf gut Glück hin die herrschaftliche Rampe
hinauffuhr, in der That um kein Haarbreit introducirter oder
empfohlener, als irgend ein Feuer- oder Hagel-Assekuranz-Agent.
Oft schlug mir das Herz, und mit nur zu gutem Grund, aber nie-
mals bin ich einer Unfreundlichkeit oder Verspottung begegnet, zu
der die Situation eigentlich ausnahmelos herausforderte.

Vor Koeckeritz und Lüderitz,
Vor Krachten und vor Itzenplitz,
Bewahr uns lieber Herre Gott --

das mag politisch auch noch so weiterklingen; gesellschaftlich und
persönlich aber haben es die "Raubritter" von ehedem an nichts
wirklich Ritterlichem jemals fehlen lassen*) und alles Gegensatzes

*) Wie gut es mir auf den alten Herrensitzen ergangen ist, davon legen
die vier Bände Zeugniß ab. Auf Eines aber möcht' ich eigens noch hin-
weisen dürfen und zwar auf den für mich sehr wichtigen Umstand, daß ich
bei den Mittheilungen die mir zu Theil wurden, niemals durch Aengstlich-
keiten
gequält worden bin. Es kam nie vor, daß die linke Hand wieder zu
nehmen trachtete, was mir die rechte Hand eben gegeben hatte. Jene so
häufigen Cautelen und Einengungen, die bekanntlich viel grausamer sind als
Vorenthaltung, blieben mir sämmtlich erspart. Ich empfing alles "auf Dis-
kretion", ohne daß mir diese Diskretion jemals zur Bedingung gemacht
worden wäre. Ja, was noch mehr überraschen wird, ich bin auch nach-
träglich
niemals eines Vertrauensbruchs oder eines faux pas oder einer Un-

viel verklagten „Junker“, anders und beſſer, und es iſt nur Pflicht
und Wahrheit wenn ich an dieſer Stelle verſichere, daß ich einer langen
Geſprächsreihe mit ihnen eine Zahl aller glücklichſter Stunden
verdanke, Stunden voller Anregung und Belehrung, in Betreff
deren es gleich war, ob das Geſpräch in Haus oder Haide, vor’m
Kamin oder auf dem Pirſchwagen geführt wurde. Zu welchem
allem ich auch das noch hinzufügen möchte, daß ſich mir dieſe
liebenswürdige Verkehrsſeite, dieſe Welt anſprechender und ge-
fälliger Formen unter theilweis ſehr erſchwerenden Umſtänden
erſchloß und zwar zu Zeiten, als ich mich noch als ein abſolut
Fremder unter unſren ruppiniſch-havelländiſchen und barnim-
lebuſiſchen Familien bewegte. Mit einer Dankbarkeit, in die ſich
etwas von Bewundrung miſcht, muß ich jener erſten 60er Jahre
gedenken, wo meine Beſuche vollkommen überfall-artig ſtattfanden
und ich, mal auf mal, auf gut Glück hin die herrſchaftliche Rampe
hinauffuhr, in der That um kein Haarbreit introducirter oder
empfohlener, als irgend ein Feuer- oder Hagel-Aſſekuranz-Agent.
Oft ſchlug mir das Herz, und mit nur zu gutem Grund, aber nie-
mals bin ich einer Unfreundlichkeit oder Verſpottung begegnet, zu
der die Situation eigentlich ausnahmelos herausforderte.

Vor Koeckeritz und Lüderitz,
Vor Krachten und vor Itzenplitz,
Bewahr uns lieber Herre Gott —

das mag politiſch auch noch ſo weiterklingen; geſellſchaftlich und
perſönlich aber haben es die „Raubritter“ von ehedem an nichts
wirklich Ritterlichem jemals fehlen laſſen*) und alles Gegenſatzes

*) Wie gut es mir auf den alten Herrenſitzen ergangen iſt, davon legen
die vier Bände Zeugniß ab. Auf Eines aber möcht’ ich eigens noch hin-
weiſen dürfen und zwar auf den für mich ſehr wichtigen Umſtand, daß ich
bei den Mittheilungen die mir zu Theil wurden, niemals durch Aengſtlich-
keiten
gequält worden bin. Es kam nie vor, daß die linke Hand wieder zu
nehmen trachtete, was mir die rechte Hand eben gegeben hatte. Jene ſo
häufigen Cautelen und Einengungen, die bekanntlich viel grauſamer ſind als
Vorenthaltung, blieben mir ſämmtlich erſpart. Ich empfing alles „auf Dis-
kretion“, ohne daß mir dieſe Diskretion jemals zur Bedingung gemacht
worden wäre. Ja, was noch mehr überraſchen wird, ich bin auch nach-
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niemals eines Vertrauensbruchs oder eines faux pas oder einer Un-
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[455/0471] viel verklagten „Junker“, anders und beſſer, und es iſt nur Pflicht und Wahrheit wenn ich an dieſer Stelle verſichere, daß ich einer langen Geſprächsreihe mit ihnen eine Zahl aller glücklichſter Stunden verdanke, Stunden voller Anregung und Belehrung, in Betreff deren es gleich war, ob das Geſpräch in Haus oder Haide, vor’m Kamin oder auf dem Pirſchwagen geführt wurde. Zu welchem allem ich auch das noch hinzufügen möchte, daß ſich mir dieſe liebenswürdige Verkehrsſeite, dieſe Welt anſprechender und ge- fälliger Formen unter theilweis ſehr erſchwerenden Umſtänden erſchloß und zwar zu Zeiten, als ich mich noch als ein abſolut Fremder unter unſren ruppiniſch-havelländiſchen und barnim- lebuſiſchen Familien bewegte. Mit einer Dankbarkeit, in die ſich etwas von Bewundrung miſcht, muß ich jener erſten 60er Jahre gedenken, wo meine Beſuche vollkommen überfall-artig ſtattfanden und ich, mal auf mal, auf gut Glück hin die herrſchaftliche Rampe hinauffuhr, in der That um kein Haarbreit introducirter oder empfohlener, als irgend ein Feuer- oder Hagel-Aſſekuranz-Agent. Oft ſchlug mir das Herz, und mit nur zu gutem Grund, aber nie- mals bin ich einer Unfreundlichkeit oder Verſpottung begegnet, zu der die Situation eigentlich ausnahmelos herausforderte. Vor Koeckeritz und Lüderitz, Vor Krachten und vor Itzenplitz, Bewahr uns lieber Herre Gott — das mag politiſch auch noch ſo weiterklingen; geſellſchaftlich und perſönlich aber haben es die „Raubritter“ von ehedem an nichts wirklich Ritterlichem jemals fehlen laſſen *) und alles Gegenſatzes *) Wie gut es mir auf den alten Herrenſitzen ergangen iſt, davon legen die vier Bände Zeugniß ab. Auf Eines aber möcht’ ich eigens noch hin- weiſen dürfen und zwar auf den für mich ſehr wichtigen Umſtand, daß ich bei den Mittheilungen die mir zu Theil wurden, niemals durch Aengſtlich- keiten gequält worden bin. Es kam nie vor, daß die linke Hand wieder zu nehmen trachtete, was mir die rechte Hand eben gegeben hatte. Jene ſo häufigen Cautelen und Einengungen, die bekanntlich viel grauſamer ſind als Vorenthaltung, blieben mir ſämmtlich erſpart. Ich empfing alles „auf Dis- kretion“, ohne daß mir dieſe Diskretion jemals zur Bedingung gemacht worden wäre. Ja, was noch mehr überraſchen wird, ich bin auch nach- träglich niemals eines Vertrauensbruchs oder eines faux pas oder einer Un-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/471>, abgerufen am 12.05.2024.