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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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über den Schermützel hin geklungen hatte. Das gab nun ein
Kopfschütteln im Dorf und allerlei Sorg' und Furcht im Schloß,
aber Sorg' und Furcht konnte den Spuk nicht bannen, und ob-
wohlen der alte Gottlob Ernst von Löschebrand, der erst Anno 19
starb und den ich selber noch gekannt habe, die Glocke mit sechs
Pferden und einer schwarzen Decke darüber (als ob es ein Leichen-
zug wäre) nach Berlin fahren und einen frommen Spruch mit-
eingießen ließ -- einen frommen Spruch an den er nicht recht
glaubte -- so war es doch von dem Tag an vorbei mit der
"Löschebrandten Glück" und ist seitdem auch nicht mehr aufge-
kommen."

All die Zeit über war mir der Neufundländer unausgesetzt
zur Seite gewesen und nur ein paar Mal bis an den Wagen
vorgesprungen, um nach Irme zu sehn. Der Emeritus aber
öffnete mir immer mehr das Schatzkästlein seiner Erinnerungen,
und als er hörte, daß ich zunächst nach Groß-Rietz wollte, rieth
er mir bei seinem alten Freunde dem Cantor vorzusprechen und
ihm Grüße zu bringen, "der werde mir mit Rath und That be-
hülflich sein und mir zeigen, was zu zeigen sei."

Dabei waren wir aus dem Walde heraus und bis in die
Front eines etwas zurückgelegenen und hinter Epheu halbversteckten
Steinhäuschens gekommen, über dessen Heckenzaun fort ein kleiner
Pfirsichbaum blühte.

"Wie schön," sagt ich. "Wem gehört dies Idyll an der Heer-
straße?"

Der Alte lächelte vor sich hin. "Es wird wohl das des alten
Emeritus sein." Und wirklich, es war es.

Eine Minute später schritten Großvater und Enkelin auf
das Häuschen zu. Der Neufundländer folgte, verstimmt über
die zu rasch abgebrochene Bekanntschaft. Irme drehte sich noch
einmal um und nickte; dann verschwanden alle drei hinter dem
Heckenzaun und Moll und ich waren wieder allein.

"Er ist auch nur arm," sagte mein Philosoph in ernster Be-
trachtung. "Und dabei neunundsiebzig. Es is doch eigentlich eine
traurige Geschichte."

"Warum? Er sah ja nicht traurig aus. Ganz und gar
nicht. Aber Sie sind ein Mammonsjäger, Moll; Ihr drittes

über den Schermützel hin geklungen hatte. Das gab nun ein
Kopfſchütteln im Dorf und allerlei Sorg’ und Furcht im Schloß,
aber Sorg’ und Furcht konnte den Spuk nicht bannen, und ob-
wohlen der alte Gottlob Ernſt von Löſchebrand, der erſt Anno 19
ſtarb und den ich ſelber noch gekannt habe, die Glocke mit ſechs
Pferden und einer ſchwarzen Decke darüber (als ob es ein Leichen-
zug wäre) nach Berlin fahren und einen frommen Spruch mit-
eingießen ließ — einen frommen Spruch an den er nicht recht
glaubte — ſo war es doch von dem Tag an vorbei mit der
„Löſchebrandten Glück“ und iſt ſeitdem auch nicht mehr aufge-
kommen.“

All die Zeit über war mir der Neufundländer unausgeſetzt
zur Seite geweſen und nur ein paar Mal bis an den Wagen
vorgeſprungen, um nach Irme zu ſehn. Der Emeritus aber
öffnete mir immer mehr das Schatzkäſtlein ſeiner Erinnerungen,
und als er hörte, daß ich zunächſt nach Groß-Rietz wollte, rieth
er mir bei ſeinem alten Freunde dem Cantor vorzuſprechen und
ihm Grüße zu bringen, „der werde mir mit Rath und That be-
hülflich ſein und mir zeigen, was zu zeigen ſei.“

Dabei waren wir aus dem Walde heraus und bis in die
Front eines etwas zurückgelegenen und hinter Epheu halbverſteckten
Steinhäuschens gekommen, über deſſen Heckenzaun fort ein kleiner
Pfirſichbaum blühte.

„Wie ſchön,“ ſagt ich. „Wem gehört dies Idyll an der Heer-
ſtraße?“

Der Alte lächelte vor ſich hin. „Es wird wohl das des alten
Emeritus ſein.“ Und wirklich, es war es.

Eine Minute ſpäter ſchritten Großvater und Enkelin auf
das Häuschen zu. Der Neufundländer folgte, verſtimmt über
die zu raſch abgebrochene Bekanntſchaft. Irme drehte ſich noch
einmal um und nickte; dann verſchwanden alle drei hinter dem
Heckenzaun und Moll und ich waren wieder allein.

„Er iſt auch nur arm,“ ſagte mein Philoſoph in ernſter Be-
trachtung. „Und dabei neunundſiebzig. Es is doch eigentlich eine
traurige Geſchichte.“

„Warum? Er ſah ja nicht traurig aus. Ganz und gar
nicht. Aber Sie ſind ein Mammonsjäger, Moll; Ihr drittes

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[37/0053] über den Schermützel hin geklungen hatte. Das gab nun ein Kopfſchütteln im Dorf und allerlei Sorg’ und Furcht im Schloß, aber Sorg’ und Furcht konnte den Spuk nicht bannen, und ob- wohlen der alte Gottlob Ernſt von Löſchebrand, der erſt Anno 19 ſtarb und den ich ſelber noch gekannt habe, die Glocke mit ſechs Pferden und einer ſchwarzen Decke darüber (als ob es ein Leichen- zug wäre) nach Berlin fahren und einen frommen Spruch mit- eingießen ließ — einen frommen Spruch an den er nicht recht glaubte — ſo war es doch von dem Tag an vorbei mit der „Löſchebrandten Glück“ und iſt ſeitdem auch nicht mehr aufge- kommen.“ All die Zeit über war mir der Neufundländer unausgeſetzt zur Seite geweſen und nur ein paar Mal bis an den Wagen vorgeſprungen, um nach Irme zu ſehn. Der Emeritus aber öffnete mir immer mehr das Schatzkäſtlein ſeiner Erinnerungen, und als er hörte, daß ich zunächſt nach Groß-Rietz wollte, rieth er mir bei ſeinem alten Freunde dem Cantor vorzuſprechen und ihm Grüße zu bringen, „der werde mir mit Rath und That be- hülflich ſein und mir zeigen, was zu zeigen ſei.“ Dabei waren wir aus dem Walde heraus und bis in die Front eines etwas zurückgelegenen und hinter Epheu halbverſteckten Steinhäuschens gekommen, über deſſen Heckenzaun fort ein kleiner Pfirſichbaum blühte. „Wie ſchön,“ ſagt ich. „Wem gehört dies Idyll an der Heer- ſtraße?“ Der Alte lächelte vor ſich hin. „Es wird wohl das des alten Emeritus ſein.“ Und wirklich, es war es. Eine Minute ſpäter ſchritten Großvater und Enkelin auf das Häuschen zu. Der Neufundländer folgte, verſtimmt über die zu raſch abgebrochene Bekanntſchaft. Irme drehte ſich noch einmal um und nickte; dann verſchwanden alle drei hinter dem Heckenzaun und Moll und ich waren wieder allein. „Er iſt auch nur arm,“ ſagte mein Philoſoph in ernſter Be- trachtung. „Und dabei neunundſiebzig. Es is doch eigentlich eine traurige Geſchichte.“ „Warum? Er ſah ja nicht traurig aus. Ganz und gar nicht. Aber Sie ſind ein Mammonsjäger, Moll; Ihr drittes

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/53>, abgerufen am 28.11.2024.