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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Vorgänge gezeigt, ihn schließlich zur Tafel gezogen haben. Und
als sie nun becherten und der Kurfürst ihn fragte: "was er denn
wohl gethan haben würde, wenn ihm die geplante Gefangennehmung
des Bischofs geglückt wäre", soll er im Uebermuthe geantwortet
haben: Si pervenisset in meam potestatem testiculos episco-
pales ipsi amputassem,
-- eine Antwort, die, nach Sitte der
Zeit, unter allgemeinem Ergötzen, und nicht zum wenigsten des
Kurfürsten selbst, entgegen genommen wurde.

So verlief die Fehde.

Der alte Queiß war längst vorher hingestorben, und längst
hingestorben seitdem ist der Queißen altes Geschlecht. Auch von
dem Herrenhause, darin der Streit entstand, ist nichts mehr da;
was jetzt diesen Namen führt, ist ein verhältnißmäßig moderner
Bau, wahrscheinlich aus der Zeit Friedrich Wilhelms I.

Alles, was auch nur entfernt an Mittelalter und Ritterthum
und Auflehnung erinnern könnte, hat die Zeit getilgt und nichts
ist mehr vorhanden, als ein "Institut", in Betreff dessen ich in
einem Nachschlagebuche das Folgende fand: "Das für weibliche
Erziehung strebsame Fräulein Michelsen hat 1856 in Blossin eine
Näh- und Strickschule errichtet."

Tempora mutantur.


Vorgänge gezeigt, ihn ſchließlich zur Tafel gezogen haben. Und
als ſie nun becherten und der Kurfürſt ihn fragte: „was er denn
wohl gethan haben würde, wenn ihm die geplante Gefangennehmung
des Biſchofs geglückt wäre“, ſoll er im Uebermuthe geantwortet
haben: Si pervenisset in meam potestatem testiculos episco-
pales ipsi amputassem,
— eine Antwort, die, nach Sitte der
Zeit, unter allgemeinem Ergötzen, und nicht zum wenigſten des
Kurfürſten ſelbſt, entgegen genommen wurde.

So verlief die Fehde.

Der alte Queiß war längſt vorher hingeſtorben, und längſt
hingeſtorben ſeitdem iſt der Queißen altes Geſchlecht. Auch von
dem Herrenhauſe, darin der Streit entſtand, iſt nichts mehr da;
was jetzt dieſen Namen führt, iſt ein verhältnißmäßig moderner
Bau, wahrſcheinlich aus der Zeit Friedrich Wilhelms I.

Alles, was auch nur entfernt an Mittelalter und Ritterthum
und Auflehnung erinnern könnte, hat die Zeit getilgt und nichts
iſt mehr vorhanden, als ein „Inſtitut“, in Betreff deſſen ich in
einem Nachſchlagebuche das Folgende fand: „Das für weibliche
Erziehung ſtrebſame Fräulein Michelſen hat 1856 in Bloſſin eine
Näh- und Strickſchule errichtet.“

Tempora mutantur.


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[53/0069] Vorgänge gezeigt, ihn ſchließlich zur Tafel gezogen haben. Und als ſie nun becherten und der Kurfürſt ihn fragte: „was er denn wohl gethan haben würde, wenn ihm die geplante Gefangennehmung des Biſchofs geglückt wäre“, ſoll er im Uebermuthe geantwortet haben: Si pervenisset in meam potestatem testiculos episco- pales ipsi amputassem, — eine Antwort, die, nach Sitte der Zeit, unter allgemeinem Ergötzen, und nicht zum wenigſten des Kurfürſten ſelbſt, entgegen genommen wurde. So verlief die Fehde. Der alte Queiß war längſt vorher hingeſtorben, und längſt hingeſtorben ſeitdem iſt der Queißen altes Geſchlecht. Auch von dem Herrenhauſe, darin der Streit entſtand, iſt nichts mehr da; was jetzt dieſen Namen führt, iſt ein verhältnißmäßig moderner Bau, wahrſcheinlich aus der Zeit Friedrich Wilhelms I. Alles, was auch nur entfernt an Mittelalter und Ritterthum und Auflehnung erinnern könnte, hat die Zeit getilgt und nichts iſt mehr vorhanden, als ein „Inſtitut“, in Betreff deſſen ich in einem Nachſchlagebuche das Folgende fand: „Das für weibliche Erziehung ſtrebſame Fräulein Michelſen hat 1856 in Bloſſin eine Näh- und Strickſchule errichtet.“ Tempora mutantur.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/69>, abgerufen am 27.11.2024.