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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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sprachen. Dicke und schlanke Flachthürme, mit Pfeilern, Sims
und Balustrade. Alles in Allem ein wunderbarer Anblick, der,
nach mehr als einer Seite hin, zu denken gibt. Geflissentlich an
den unübertroffenen Vorbildern Schinkel's und seiner Schule
vorübergehend, wie sie die Villenstraßen des Thiergartens auf-
weisen, gefällt sich der Bourgeois unserer östlichen Stadtreviere
darin, seinen "Donjon", und, wenn es sein kann, selbst seinen
"Belfroi" zu haben. Und dieser Schiefheit des Gedankens ent-
spricht die Ausführung, die er erfährt. Eine geschäftsbefreundete
"Firma", die ein Ignoriren nicht wohl gestattet, empfängt den
Bau in Entreprise, und todt und steif werden nun die Rund- und
Spitzbögen aus dem Nürnberger Spielkasten genommen.

Eben wieder lag ein reichgegliederter "Tudorthurm", dessen
hochaufgehißtes Banner allem Stolz von York und Lancaster zu
trotzen schien, glücklich hinter uns, als die Wasserfläche des Langen
See's sich verbreiterte, und unseren Architektur-Unmuth, soweit er
überhaupt an Bord unseres Schiffes getheilt wurde, in dem Im-
posanten des landschaftlichen Bildes untergehen ließ. Wir waren
in das eigentliche Regatta-Terrain eingefahren und befanden uns
in Nähe jener haffartigen Stelle, wo sich, Angesichts der Schmöck-
witzer Brücke, vier über Kreuz gestellte Seeflächen: der Lange See,
der Seddin-See, die Crampe und der Zeuthener-See, ein Rendez-
vous geben.

Der Nordwester wuchs, rascher ging die Fahrt, feuchter und
erquicklicher wurde die Luft.

Das Bild nahm uns gefangen: wir waren begierig, es von
einer Hochstellung aus besser überblicken zu können. Eine Strick-
leiter war nicht da, die wir hätten erklettern können; so festigten
wir, rechts und links, ein Klammer- und Hakenbrett an die zwischen
Mast und Wanten straffgespannten Schrägtaue, und nahmen auf
diesen Brettern hüben und drüben unseren Stand. Capitain
Backhusen, den Tubus in der Hand, gab nicht nur die Ordres,
sondern auch die Informationen. "Das ist die Crampenbaude,
das ist Philippshütte, das ist der Schmöckwitzer Thurm; hier in
Front aber, wo sie die Rohrinsel schwimmen sehen, das ist "Robins-
Eiland", wo unser Flaggenschiff an den Regatta-Tagen zu liegen

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ſprachen. Dicke und ſchlanke Flachthürme, mit Pfeilern, Sims
und Baluſtrade. Alles in Allem ein wunderbarer Anblick, der,
nach mehr als einer Seite hin, zu denken gibt. Gefliſſentlich an
den unübertroffenen Vorbildern Schinkel’s und ſeiner Schule
vorübergehend, wie ſie die Villenſtraßen des Thiergartens auf-
weiſen, gefällt ſich der Bourgeois unſerer öſtlichen Stadtreviere
darin, ſeinen „Donjon“, und, wenn es ſein kann, ſelbſt ſeinen
„Belfroi“ zu haben. Und dieſer Schiefheit des Gedankens ent-
ſpricht die Ausführung, die er erfährt. Eine geſchäftsbefreundete
„Firma“, die ein Ignoriren nicht wohl geſtattet, empfängt den
Bau in Entrepriſe, und todt und ſteif werden nun die Rund- und
Spitzbögen aus dem Nürnberger Spielkaſten genommen.

Eben wieder lag ein reichgegliederter „Tudorthurm“, deſſen
hochaufgehißtes Banner allem Stolz von York und Lancaſter zu
trotzen ſchien, glücklich hinter uns, als die Waſſerfläche des Langen
See’s ſich verbreiterte, und unſeren Architektur-Unmuth, ſoweit er
überhaupt an Bord unſeres Schiffes getheilt wurde, in dem Im-
poſanten des landſchaftlichen Bildes untergehen ließ. Wir waren
in das eigentliche Regatta-Terrain eingefahren und befanden uns
in Nähe jener haffartigen Stelle, wo ſich, Angeſichts der Schmöck-
witzer Brücke, vier über Kreuz geſtellte Seeflächen: der Lange See,
der Seddin-See, die Crampe und der Zeuthener-See, ein Rendez-
vous geben.

Der Nordweſter wuchs, raſcher ging die Fahrt, feuchter und
erquicklicher wurde die Luft.

Das Bild nahm uns gefangen: wir waren begierig, es von
einer Hochſtellung aus beſſer überblicken zu können. Eine Strick-
leiter war nicht da, die wir hätten erklettern können; ſo feſtigten
wir, rechts und links, ein Klammer- und Hakenbrett an die zwiſchen
Maſt und Wanten ſtraffgeſpannten Schrägtaue, und nahmen auf
dieſen Brettern hüben und drüben unſeren Stand. Capitain
Backhuſen, den Tubus in der Hand, gab nicht nur die Ordres,
ſondern auch die Informationen. „Das iſt die Crampenbaude,
das iſt Philippshütte, das iſt der Schmöckwitzer Thurm; hier in
Front aber, wo ſie die Rohrinſel ſchwimmen ſehen, das iſt „Robins-
Eiland“, wo unſer Flaggenſchiff an den Regatta-Tagen zu liegen

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[67/0083] ſprachen. Dicke und ſchlanke Flachthürme, mit Pfeilern, Sims und Baluſtrade. Alles in Allem ein wunderbarer Anblick, der, nach mehr als einer Seite hin, zu denken gibt. Gefliſſentlich an den unübertroffenen Vorbildern Schinkel’s und ſeiner Schule vorübergehend, wie ſie die Villenſtraßen des Thiergartens auf- weiſen, gefällt ſich der Bourgeois unſerer öſtlichen Stadtreviere darin, ſeinen „Donjon“, und, wenn es ſein kann, ſelbſt ſeinen „Belfroi“ zu haben. Und dieſer Schiefheit des Gedankens ent- ſpricht die Ausführung, die er erfährt. Eine geſchäftsbefreundete „Firma“, die ein Ignoriren nicht wohl geſtattet, empfängt den Bau in Entrepriſe, und todt und ſteif werden nun die Rund- und Spitzbögen aus dem Nürnberger Spielkaſten genommen. Eben wieder lag ein reichgegliederter „Tudorthurm“, deſſen hochaufgehißtes Banner allem Stolz von York und Lancaſter zu trotzen ſchien, glücklich hinter uns, als die Waſſerfläche des Langen See’s ſich verbreiterte, und unſeren Architektur-Unmuth, ſoweit er überhaupt an Bord unſeres Schiffes getheilt wurde, in dem Im- poſanten des landſchaftlichen Bildes untergehen ließ. Wir waren in das eigentliche Regatta-Terrain eingefahren und befanden uns in Nähe jener haffartigen Stelle, wo ſich, Angeſichts der Schmöck- witzer Brücke, vier über Kreuz geſtellte Seeflächen: der Lange See, der Seddin-See, die Crampe und der Zeuthener-See, ein Rendez- vous geben. Der Nordweſter wuchs, raſcher ging die Fahrt, feuchter und erquicklicher wurde die Luft. Das Bild nahm uns gefangen: wir waren begierig, es von einer Hochſtellung aus beſſer überblicken zu können. Eine Strick- leiter war nicht da, die wir hätten erklettern können; ſo feſtigten wir, rechts und links, ein Klammer- und Hakenbrett an die zwiſchen Maſt und Wanten ſtraffgeſpannten Schrägtaue, und nahmen auf dieſen Brettern hüben und drüben unſeren Stand. Capitain Backhuſen, den Tubus in der Hand, gab nicht nur die Ordres, ſondern auch die Informationen. „Das iſt die Crampenbaude, das iſt Philippshütte, das iſt der Schmöckwitzer Thurm; hier in Front aber, wo ſie die Rohrinſel ſchwimmen ſehen, das iſt „Robins- Eiland“, wo unſer Flaggenſchiff an den Regatta-Tagen zu liegen 5*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/83>, abgerufen am 25.11.2024.