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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Seitenbrett, das aus dem Cylinderbureau heraus¬
gezogen war. Die Straße war die Hauptverkehrs¬
straße nach dem Strande hin, weshalb denn auch
in Sommerzeit ein reges Leben hier herrschte, jetzt
aber, um Mitte November, war alles leer und still,
und nur ein paar arme Kinder, deren Eltern in
etlichen ganz am äußersten Rande der "Plantage"
gelegenen Strohdachhäusern wohnten, klappten in
ihren Holzpantinen an dem Innstetten'schen Hause
vorüber. Effi empfand aber nichts von dieser Ein¬
samkeit, denn ihre Phantasie war noch immer bei den
wunderlichen Dingen, die sie, kurz vorher, während
ihrer Umschau haltenden Musterung im Hause ge¬
sehen hatte. Diese Musterung hatte mit der Küche
begonnen, deren Herd eine moderne Konstruktion
aufwies, während an der Decke hin, und zwar bis
in die Mädchenstube hinein, ein elektrischer Draht
lief, -- beides vor kurzem erst hergerichtet. Effi
war erfreut gewesen, als ihr Innstetten davon erzählt
hatte, dann aber waren sie von der Küche wieder in
den Flur zurück- und von diesem in den Hof hinaus¬
getreten, der in seiner ersten Hälfte nicht viel mehr
als ein, zwischen zwei Seitenflügeln hinlaufender
ziemlich schmaler Gang war. In diesen Flügeln
war alles untergebracht, was sonst noch zu Haushalt
und Wirtschaftsführung gehörte, rechts Mädchenstube,

Effi Brieſt
Seitenbrett, das aus dem Cylinderbureau heraus¬
gezogen war. Die Straße war die Hauptverkehrs¬
ſtraße nach dem Strande hin, weshalb denn auch
in Sommerzeit ein reges Leben hier herrſchte, jetzt
aber, um Mitte November, war alles leer und ſtill,
und nur ein paar arme Kinder, deren Eltern in
etlichen ganz am äußerſten Rande der „Plantage“
gelegenen Strohdachhäuſern wohnten, klappten in
ihren Holzpantinen an dem Innſtetten'ſchen Hauſe
vorüber. Effi empfand aber nichts von dieſer Ein¬
ſamkeit, denn ihre Phantaſie war noch immer bei den
wunderlichen Dingen, die ſie, kurz vorher, während
ihrer Umſchau haltenden Muſterung im Hauſe ge¬
ſehen hatte. Dieſe Muſterung hatte mit der Küche
begonnen, deren Herd eine moderne Konſtruktion
aufwies, während an der Decke hin, und zwar bis
in die Mädchenſtube hinein, ein elektriſcher Draht
lief, — beides vor kurzem erſt hergerichtet. Effi
war erfreut geweſen, als ihr Innſtetten davon erzählt
hatte, dann aber waren ſie von der Küche wieder in
den Flur zurück- und von dieſem in den Hof hinaus¬
getreten, der in ſeiner erſten Hälfte nicht viel mehr
als ein, zwiſchen zwei Seitenflügeln hinlaufender
ziemlich ſchmaler Gang war. In dieſen Flügeln
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[96/0105] Effi Brieſt Seitenbrett, das aus dem Cylinderbureau heraus¬ gezogen war. Die Straße war die Hauptverkehrs¬ ſtraße nach dem Strande hin, weshalb denn auch in Sommerzeit ein reges Leben hier herrſchte, jetzt aber, um Mitte November, war alles leer und ſtill, und nur ein paar arme Kinder, deren Eltern in etlichen ganz am äußerſten Rande der „Plantage“ gelegenen Strohdachhäuſern wohnten, klappten in ihren Holzpantinen an dem Innſtetten'ſchen Hauſe vorüber. Effi empfand aber nichts von dieſer Ein¬ ſamkeit, denn ihre Phantaſie war noch immer bei den wunderlichen Dingen, die ſie, kurz vorher, während ihrer Umſchau haltenden Muſterung im Hauſe ge¬ ſehen hatte. Dieſe Muſterung hatte mit der Küche begonnen, deren Herd eine moderne Konſtruktion aufwies, während an der Decke hin, und zwar bis in die Mädchenſtube hinein, ein elektriſcher Draht lief, — beides vor kurzem erſt hergerichtet. Effi war erfreut geweſen, als ihr Innſtetten davon erzählt hatte, dann aber waren ſie von der Küche wieder in den Flur zurück- und von dieſem in den Hof hinaus¬ getreten, der in ſeiner erſten Hälfte nicht viel mehr als ein, zwiſchen zwei Seitenflügeln hinlaufender ziemlich ſchmaler Gang war. In dieſen Flügeln war alles untergebracht, was ſonſt noch zu Haushalt und Wirtſchaftsführung gehörte, rechts Mädchenſtube,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/105>, abgerufen am 27.11.2024.