brauch, ein Julklapp in den Hausflur: eine große Kiste, drin eine Welt von Dingen steckte. Zuletzt fand man die Hauptsache, ein zierliches, mit allerlei japanischen Bildchen überklebtes Morsellenkästchen, dessen eigentlichem Inhalt auch noch ein Zettelchen beigegeben war. Es hieß da:
Drei Könige kamen zum Heiligenchrist, Mohrenkönig einer gewesen ist; -- Ein Mohrenapothekerlein Erscheinet heute mit Spezerein, Doch statt Weihrauch und Myrrhen, die nicht zur Stelle, Bringt er Pistazien- und Mandel-Morselle.
Effi las es zwei-, dreimal und freute sich dar¬ über. "Die Huldigungen eines guten Menschen haben doch etwas besonders Wohlthuendes. Meinst Du nicht auch, Geert?"
"Gewiß meine ich das. Es ist eigentlich das einzige, was einem Freude macht oder wenigstens Freude machen sollte. Denn jeder steckt noch so nebenher in allerhand dummem Zeuge drinn. Ich auch. Aber freilich, man ist wie man ist."
Der erste Feiertag war Kirchtag, am zweiten war man bei Borcke's draußen, alles zugegen, mit Ausnahme von Grasenabb's, die nicht kommen wollten, "weil Sidonie nicht da sei", was man als Ent¬ schuldigung allseitig ziemlich sonderbar fand. Einige
Effi Brieſt
brauch, ein Julklapp in den Hausflur: eine große Kiſte, drin eine Welt von Dingen ſteckte. Zuletzt fand man die Hauptſache, ein zierliches, mit allerlei japaniſchen Bildchen überklebtes Morſellenkäſtchen, deſſen eigentlichem Inhalt auch noch ein Zettelchen beigegeben war. Es hieß da:
Drei Könige kamen zum Heiligenchriſt, Mohrenkönig einer geweſen iſt; — Ein Mohrenapothekerlein Erſcheinet heute mit Spezerein, Doch ſtatt Weihrauch und Myrrhen, die nicht zur Stelle, Bringt er Piſtazien- und Mandel-Morſelle.
Effi las es zwei-, dreimal und freute ſich dar¬ über. „Die Huldigungen eines guten Menſchen haben doch etwas beſonders Wohlthuendes. Meinſt Du nicht auch, Geert?“
„Gewiß meine ich das. Es iſt eigentlich das einzige, was einem Freude macht oder wenigſtens Freude machen ſollte. Denn jeder ſteckt noch ſo nebenher in allerhand dummem Zeuge drinn. Ich auch. Aber freilich, man iſt wie man iſt.“
Der erſte Feiertag war Kirchtag, am zweiten war man bei Borcke's draußen, alles zugegen, mit Ausnahme von Graſenabb's, die nicht kommen wollten, „weil Sidonie nicht da ſei“, was man als Ent¬ ſchuldigung allſeitig ziemlich ſonderbar fand. Einige
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0173"n="164"/><fwplace="top"type="header">Effi Brieſt<lb/></fw> brauch, ein Julklapp in den Hausflur: eine große<lb/>
Kiſte, drin eine Welt von Dingen ſteckte. Zuletzt<lb/>
fand man die Hauptſache, ein zierliches, mit allerlei<lb/>
japaniſchen Bildchen überklebtes Morſellenkäſtchen,<lb/>
deſſen eigentlichem Inhalt auch noch ein Zettelchen<lb/>
beigegeben war. Es hieß da:</p><lb/><lgtype="poem"><l>Drei Könige kamen zum Heiligenchriſt,</l><lb/><l>Mohrenkönig einer geweſen iſt; —</l><lb/><l>Ein Mohrenapothekerlein</l><lb/><l>Erſcheinet heute mit Spezerein,</l><lb/><l>Doch ſtatt Weihrauch und Myrrhen, die nicht zur Stelle,</l><lb/><l>Bringt er Piſtazien- und Mandel-Morſelle.</l><lb/></lg><p>Effi las es zwei-, dreimal und freute ſich dar¬<lb/>
über. „Die Huldigungen eines guten Menſchen haben<lb/>
doch etwas beſonders Wohlthuendes. Meinſt Du<lb/>
nicht auch, Geert?“</p><lb/><p>„Gewiß meine ich das. Es iſt eigentlich das<lb/>
einzige, was einem Freude macht oder wenigſtens<lb/>
Freude machen ſollte. Denn jeder ſteckt noch ſo<lb/>
nebenher in allerhand dummem Zeuge drinn. Ich<lb/>
auch. Aber freilich, man iſt wie man iſt.“</p><lb/><p>Der erſte Feiertag war Kirchtag, am zweiten<lb/>
war man bei Borcke's draußen, alles zugegen, mit<lb/>
Ausnahme von Graſenabb's, die nicht kommen wollten,<lb/>„weil Sidonie nicht da ſei“, was man als Ent¬<lb/>ſchuldigung allſeitig ziemlich ſonderbar fand. Einige<lb/></p></div></body></text></TEI>
[164/0173]
Effi Brieſt
brauch, ein Julklapp in den Hausflur: eine große
Kiſte, drin eine Welt von Dingen ſteckte. Zuletzt
fand man die Hauptſache, ein zierliches, mit allerlei
japaniſchen Bildchen überklebtes Morſellenkäſtchen,
deſſen eigentlichem Inhalt auch noch ein Zettelchen
beigegeben war. Es hieß da:
Drei Könige kamen zum Heiligenchriſt,
Mohrenkönig einer geweſen iſt; —
Ein Mohrenapothekerlein
Erſcheinet heute mit Spezerein,
Doch ſtatt Weihrauch und Myrrhen, die nicht zur Stelle,
Bringt er Piſtazien- und Mandel-Morſelle.
Effi las es zwei-, dreimal und freute ſich dar¬
über. „Die Huldigungen eines guten Menſchen haben
doch etwas beſonders Wohlthuendes. Meinſt Du
nicht auch, Geert?“
„Gewiß meine ich das. Es iſt eigentlich das
einzige, was einem Freude macht oder wenigſtens
Freude machen ſollte. Denn jeder ſteckt noch ſo
nebenher in allerhand dummem Zeuge drinn. Ich
auch. Aber freilich, man iſt wie man iſt.“
Der erſte Feiertag war Kirchtag, am zweiten
war man bei Borcke's draußen, alles zugegen, mit
Ausnahme von Graſenabb's, die nicht kommen wollten,
„weil Sidonie nicht da ſei“, was man als Ent¬
ſchuldigung allſeitig ziemlich ſonderbar fand. Einige
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/173>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.