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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
die Kinderstube gehöre. Diese Vorstellung verläßt
mich nicht (Geert meint, es sei krankhaft), und bringt
es zu Wege, daß das, was mein höchstes Glück sein
sollte, doch fast noch mehr eine beständige Verlegen¬
heit für mich ist. Ja, meine liebe Mama, als die
guten Flemming'schen Damen sich neulich nach allem
Möglichen erkundigten, war mir zu Mut, als stünd'
ich schlecht vorbereitet in einem Examen, und ich
glaube auch, daß ich recht dumm geantwortet habe.
Verdrießlich war ich auch. Denn manches, was wie
Teilnahme aussieht, ist doch bloß Neugier und wirkt
um so zudringlicher, als ich ja noch lange, bis in
den Sommer hinein, auf das frohe Ereignis zu
warten habe. Ich denke, die ersten Julitage. Dann
mußt Du kommen oder noch besser, sobald ich
einigermaßen wieder bei Wege bin, komme ich,
nehme hier Urlaub und mache mich auf nach Hohen-
Cremmen. Ach, wie ich mich darauf freue und auf
die havelländische Luft -- hier ist es fast immer
rauh und kalt -- und dann jeden Tag eine Fahrt
ins Luch, alles rot und gelb, und ich sehe schon,
wie das Kind die Hände danach streckt, denn es wird
doch wohl fühlen, daß es eigentlich da zu Hause ist.
Aber das schreibe ich nur Dir. Innstetten darf
nicht davon wissen, und auch Dir gegenüber muß
ich mich wie entschuldigen, daß ich mit dem Kinde

Effi Brieſt
die Kinderſtube gehöre. Dieſe Vorſtellung verläßt
mich nicht (Geert meint, es ſei krankhaft), und bringt
es zu Wege, daß das, was mein höchſtes Glück ſein
ſollte, doch faſt noch mehr eine beſtändige Verlegen¬
heit für mich iſt. Ja, meine liebe Mama, als die
guten Flemming'ſchen Damen ſich neulich nach allem
Möglichen erkundigten, war mir zu Mut, als ſtünd'
ich ſchlecht vorbereitet in einem Examen, und ich
glaube auch, daß ich recht dumm geantwortet habe.
Verdrießlich war ich auch. Denn manches, was wie
Teilnahme ausſieht, iſt doch bloß Neugier und wirkt
um ſo zudringlicher, als ich ja noch lange, bis in
den Sommer hinein, auf das frohe Ereignis zu
warten habe. Ich denke, die erſten Julitage. Dann
mußt Du kommen oder noch beſſer, ſobald ich
einigermaßen wieder bei Wege bin, komme ich,
nehme hier Urlaub und mache mich auf nach Hohen-
Cremmen. Ach, wie ich mich darauf freue und auf
die havelländiſche Luft — hier iſt es faſt immer
rauh und kalt — und dann jeden Tag eine Fahrt
ins Luch, alles rot und gelb, und ich ſehe ſchon,
wie das Kind die Hände danach ſtreckt, denn es wird
doch wohl fühlen, daß es eigentlich da zu Hauſe iſt.
Aber das ſchreibe ich nur Dir. Innſtetten darf
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[167/0176] Effi Brieſt die Kinderſtube gehöre. Dieſe Vorſtellung verläßt mich nicht (Geert meint, es ſei krankhaft), und bringt es zu Wege, daß das, was mein höchſtes Glück ſein ſollte, doch faſt noch mehr eine beſtändige Verlegen¬ heit für mich iſt. Ja, meine liebe Mama, als die guten Flemming'ſchen Damen ſich neulich nach allem Möglichen erkundigten, war mir zu Mut, als ſtünd' ich ſchlecht vorbereitet in einem Examen, und ich glaube auch, daß ich recht dumm geantwortet habe. Verdrießlich war ich auch. Denn manches, was wie Teilnahme ausſieht, iſt doch bloß Neugier und wirkt um ſo zudringlicher, als ich ja noch lange, bis in den Sommer hinein, auf das frohe Ereignis zu warten habe. Ich denke, die erſten Julitage. Dann mußt Du kommen oder noch beſſer, ſobald ich einigermaßen wieder bei Wege bin, komme ich, nehme hier Urlaub und mache mich auf nach Hohen- Cremmen. Ach, wie ich mich darauf freue und auf die havelländiſche Luft — hier iſt es faſt immer rauh und kalt — und dann jeden Tag eine Fahrt ins Luch, alles rot und gelb, und ich ſehe ſchon, wie das Kind die Hände danach ſtreckt, denn es wird doch wohl fühlen, daß es eigentlich da zu Hauſe iſt. Aber das ſchreibe ich nur Dir. Innſtetten darf nicht davon wiſſen, und auch Dir gegenüber muß ich mich wie entſchuldigen, daß ich mit dem Kinde

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/176>, abgerufen am 24.11.2024.